OGH 5Ob132/24h

OGH5Ob132/24h2.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft C*, vertreten durch Allmayer‑Beck Stockert Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei R*, vertreten durch Höhne, In der Mauer & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, und dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. F*, vertreten durch Mag. Michael Schuszter, Rechtsanwalt in Eisenstadt, und 2. Baumeister Ing. F*, vertreten durch Jeannee Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 149.230,84 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 119.778,36 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. Mai 2024, GZ 3 R 26/24a‑111, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00132.24H.0402.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte war Miteigentümerin einer Liegenschaft mit einem Altbestand, der in den 1980er bzw 1990er Jahren in eine Schule umgebaut worden war. Von 2007 bis 2010 ließ sie als Projektentwicklerin das auf der Liegenschaft befindliche Gebäude unter Beiziehung von Subunternehmen erweitern und in ein Wohngebäude umbauen. In den Jahren 2010 bis 2013 verkaufte sie die Wohneinheiten an die nunmehrigen Wohnungseigentümer. In den Kaufverträgen gewährleistete sie, dass „der Kaufgegenstand sowie die allgemeinen Teile der Gesamtanlage vertragsgemäß und mängelfrei hergestellt wurden“.

[2] Im Jahr 2016 kamen anlässlich eines Pfeilversagens Mängel, insbesondere im Dachbereich und bei den Terrassen‑, Stiegenhaus‑ und Loggiengeländern hervor. Die von den Mängeln betroffenen allgemeinen Teile der Liegenschaft (Dachbereich und Geländer) entsprechen nicht dem Stand der Technik, insbesondere weil die ÖNORMEN nicht eingehalten wurden. Die Mehrheit der Wohnungseigentümer hat ihre Ansprüche gegen die Beklagte nach § 18 Abs 2 WEG an die Eigentümergemeinschaft abgetreten.

[3] Die klagende Eigentümergemeinschaft begehrte aus dem Titel des Schadenersatzes von der Beklagten die Zahlung von 149.230,84 EUR an anteiligen Sanierungskosten sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für Folgeschäden aus dem unsachgemäßen Um- und Zubau des Gebäudes.

[4] Das Erstgerichtverpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 119.778,36 EUR und wies das Zahlungsmehr- sowie das Feststellungsbegehren ab.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf:

[7] 1. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist in dritter Instanz nicht mehr strittig.

[8] 2.1. Gemäß § 933a Abs 1 ABGB kann der Übernehmer Schadenersatz fordern, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat. Der Übernehmer hat daher wegen der vom Übergeber schuldhaft nicht vor Übergabe beseitigten Mängel Anspruch auf Schadenersatz (RS0122651; 5 Ob 65/18x; 8 Ob 36/24p). Das Verschulden wird gemäß §§ 933a, 1298 ABGB vermutet (10 Ob 29/16m). Damit hat der Übergeber zu beweisen, dass ihn (und seine Gehilfen, für die er nach § 1313a ABGB einzustehen hat) kein Verschulden trifft, dass er also die gebotene Sorgfalt eingehalten hat (RS0112247). Die Beweislastumkehr betrifft jedoch nur leichte Fahrlässigkeit; Vorsatz und grobes Verschulden werden nicht vermutet und sind vom Geschädigten zu behaupten und zu beweisen (RS0028020 [T5]). Dagegen, dass ihr die Vorinstanzen ein grobes Verschulden anlasteten, wendet sich die Beklagte nicht mehr.

[9] 2.2. Eine Leistung ist dann mangelhaft iSd § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt (RS0018547). Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt (RS0018547 [T5]). Ob eine Eigenschaft als gewöhnlich vorausgesetzt anzusehen ist, hängt dabei nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RS0114333).

[10] 3.1. Die Beklagte sicherte den Käufern zu, dass „der Kaufgegenstand sowie die allgemeinen Teile der Gesamtanlage vertragsgemäß und mängelfrei hergestellt wurden“. Für die Beurteilung des in diesem Sinn vertraglich Geschuldeten kommt es entscheidend auf die Vertragsauslegung an, der in der Regel aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0042776). Welche Eigenschaften bei einer bestimmten Sache iSd § 922 Abs 1 ABGB auch ohne ausdrückliche Vereinbarung als gewöhnlich vorausgesetzt gelten und somit Vertragsinhalt waren, kann daher nur einzelfallbezogen beurteilt werden (RS0042936 [T48]; 8 Ob 60/12z).

[11] 3.2. Bestimmen sich die Eigenschaften einer Leistung nach der Verkehrsauffassung, sind die anerkannten Regeln der Technik des jeweiligen Fachs nach dem im Zeitpunkt der Leistungserbringung aktuellen Stand zu beachten (zum Kaufvertrag: 2 Ob 142/23f). ÖNORMEN sind in besonderer Weise zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen geeignet, weil sie grundsätzlich den Standard der für die betroffenen Kreise geltenden Regeln der Technik widerspiegeln (RS0062063).

[12] 3.3. Damit ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen zur Auslegung des Vertrags auf die einschlägigen ÖNORMEN zurückgriffen. Danach ist das Gefälle der Unterkonstruktion des Daches nicht ausreichend dimensioniert. Die Wärmedämmung der Dachterrasse ist teilweise ungeeignet. Weiters bestehen Mängel bei unterschiedlichen Geländern, die unter anderem in der nicht ausreichenden Tragsicherheit und der zu geringen Geländerhöhe begründet sind. Die Beurteilung, dass der Kaufgegenstand nicht die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften aufwies und daher mangelhaft war, bedarf damit auch keiner Korrektur. Der Vorwurf der Beklagten, das Berufungsgericht habe zur Beurteilung des Vorliegens eines Mangels werkvertragliche Bestimmungen angewandt, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil auch ein Kaufgegenstand die gewöhnlich vorausgesetzten oder ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften aufweisen muss.

[13] 3.4. Der Einwand der Beklagten, ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen, weil sie für ihre Subunternehmer nicht nach § 1313a einzustehen habe, trägt ebenfalls nicht. Wie sich aus Punkt I. der Kaufverträge ergibt, hat sich die Beklagte über Auftrag der Käufer zur „baulichen Ausführung des Kaufgegenstandes und der gewöhnlich nutzbaren allgemeinen Teile der Gesamtanlage […]“ verpflichtet. Damit hat sie eine Herstellungspflicht übernommen, die es rechtfertigt, die mit der Erstellung des Bauwerks betrauten Personen als Erfüllungsgehilfen zu qualifizieren, für deren Verschulden die Beklagte als Verkäuferin einzustehen hat (RS0019944; 5 Ob 174/20d). Dies gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentumsobjekte zum Zeitpunkt des Kaufvertrags bereits errichtet waren (3 Ob 244/18f).

[14] 4. Die vorliegenden Mängel sind auch keineswegs geringfügig. Aufgrund des nicht normgerechten Gefälles der Dachunterkonstruktion kann das Niederschlagswasser nicht ordnungsgemäß abrinnen. Die nicht ausreichende Dimensionierung der Geländer, einerseits hinsichtlich der Höhe und andererseits hinsichtlich der Tragsicherheit, stellen jedenfalls sicherheitsrelevante Mängel dar, deren Behebung für die Wohnungseigentümer wichtig ist (vgl RS0022044 [insb T13]). Von einer Unverhältnismäßigkeit der Verbesserungskosten kann damit keine Rede sein.

[15] 5. Auch die Beurteilung, der Schadenersatzanspruch sei nicht nach § 1489 S 1 ABGB verjährt, ist nicht korrekturbedürftig. Aus dem Schreiben der TÜV Austria Services GmbH vom 25. November 2010 ergibt sich weder, dass das Stiegenhausgeländer nicht bauordnungskonform oder sonst mangelhaft ausgeführt worden wäre. Gerade der darin enthaltene Verweis auf die Bestätigung der mangelfreien Fertigstellung des Gebäudes durch den Ziviltechniker suggerierte, dass (auch) das Stiegenhausgeländer ordnungsgemäß hergestellt wurde. Anhaltspunkte für eine Erkundungspflicht der Wohnungseigentümer bestanden demnach nicht.

[16] 6. Da auch keine Feststellungsmängel vorliegen, ist die Revision zurückzuweisen.

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