OGH 5Ob109/24a

OGH5Ob109/24a30.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Painsi als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Wurzer, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. T*, 2. Ing. C*, 3. R*, 4. J*, 5. G*, 6. P*, 7. R*, 8. Dr. R*, 9. DI Dr. W*, 10. Mag. E*, alle vertreten durch die GFK Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. G*, vertreten durch Mag. Benjamin Zupancic, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederherstellung und Unterlassung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revisionen der klagenden Parteien und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. April 2024, GZ 13 R 229/23a‑37, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Juli 2023, GZ 27 Cg 25/21a‑25, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00109.24A.0130.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Revisionsbeantwortungen werden gegeneinander aufgehoben.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Eigentümer von Liegenschaftsanteilen verbunden mit Wohnungseigentum an einem Haus in Wien. Mit den Miteigentumsanteilen des Beklagten ist unter anderem (und soweit für das Revisionsverfahren noch relevant) Wohnungseigentum an den im Erdgeschoß befindlichen Objekten sowie an zwei im ersten Stock des Hauses gelegenen Wohnungen verbunden. Die im Erdgeschoß gelegenen Objekte sind mit Ausnahme der ehemaligen Hausbesorgerwohnung, deren nunmehrige Widmung nicht festgestellt werden konnte, als Geschäftslokale gewidmet. Ab ca 1960 wurden die Geschäftsräume im Erdgeschoß von einer Bank genutzt, die ab etwa 1975 auch die beiden, nunmehr dem Beklagten zugeordneten Wohnungen im ersten Stock in den Verband der von ihr genutzten Räumlichkeiten einbezog, indem zwischen den Stockwerken ein Durchbruch hergestellt wurde. Der Beklagte vermietet diese Objekte an eine GmbH, die darin einen Beherbergungsbetrieb (Hostel) betreibt.

[2] Das Erstgericht gab – im Revisionsverfahren noch von Relevanz – der auf Unterlassung der Nutzung dieser Objekte zu Zwecken der gewerblichen Zimmervermietung gerichteten Klage statt.

[3] Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Kläger nicht, hingegen jener des Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, soweit dem Beklagten die Nutzung der beiden im ersten Stock gelegenen und ausdrücklich zu Wohnzwecken gewidmeten Objekte zu Zwecken der gewerblichen Vermietung untersagt wurde, und änderte sie im Übrigen dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Bei einer unspezifischen Geschäftsraumwidmung bildeten (allein) Überlegungen zur Verkehrsunüblichkeit keine ausreichende Grundlage dafür, um in einer Änderung des Unternehmensgegenstands eine genehmigungsbedürftige Widmungsänderung zu erkennen. Das treffe auf die ausdrücklich als Geschäftslokale gewidmeten Objekte im Erdgeschoß zu. Dass das Erstgericht zur (aktuellen) Widmung der ehemaligen Hausbesorgerwohnung keine Feststellungen treffen konnte, gehe zu Lasten der Kläger. Anders verhalte es sich mit den zu Wohnzwecken gewidmeten Objekten im ersten Stock des Gebäudes. Allenfalls könnte zwar die langjährige Nutzung dieser Räumlichkeiten zum Betrieb einer Bankfiliale eine konkludente Zustimmung zu solchen Zwecken nach sich ziehen, nicht jedoch zum Betrieb eines Hostels oder gar zur Änderung auf eine unspezifische Geschäftsraumwidmung. Insoweit liege eine unzulässige Widmungsänderung vor, die geeignet sei schutzwürdige Interessen der übrigen Wohnungseigentümer zu beeinträchtigen.

[4] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und die Revision zulässig sei. Nach den Entscheidungen zu 5 Ob 105/16a und 5 Ob 41/18t, denen es gefolgt sei, trete die Frage nach der Verkehrsüblichkeit bei unspezifischer Geschäftsraumwidmung in den Hintergrund. Aus der Entscheidung zu 5 Ob 115/22f könnte jedoch wiederum auf ein Abgehen von dieser Rechtsprechung geschlossen werden.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Revisionen sind entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

I. Zur Revision der Kläger:

[6] 1. Der Wohnungseigentümer, der Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) iSd § 16 Abs 2 WEG ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vornimmt, handelt in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung verhalten werden (RS0083156; RS0005944). Zu prüfen ist dabei die Genehmigungsbedürftigkeit und Eigenmacht der Änderung als Vorfrage für die Berechtigung eines Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens; die Genehmigungsfähigkeit ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (RS0083156 [T20]).

[7] 2. Maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob eine genehmigungsbedürftige Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG vorliegt, ist der vertragliche Konsens der Mit‑ und Wohnungseigentümer. Nur solche Maßnahmen, die vom ursprünglichen Konsens nicht erfasst sind, fallen unter § 16 Abs 2 WEG.

[8] 3. Liegt – wie hier für die Geschäftslokale im Erdgeschoß – eine völlig unspezifische Geschäftsraumwidmung vor, vertritt der Fachsenat seit der ausführlich begründeten Entscheidung zu 5 Ob 105/16a in einschränkender Präzisierung der in RS0119528 enthaltenen Aussage, dass die Verkehrsüblichkeit nicht allein, sondern nur als ein mögliches Auslegungskriterium für die Beurteilung mit herangezogen werden kann, ob eine vorgenommene oder beabsichtigte Änderung der Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts eine zustimmungs‑ bzw genehmigungspflichtige Widmungsänderung darstellt oder nicht. Betont wurde in dieser Entscheidung, dass die Verkehrsüblichkeit einer Nutzungsänderung im bisher geübten Sinn eines Vorher‑Nachher‑Vergleichs bei einer ganz unspezifischen Geschäftsraumwidmung eine nur untergeordnete, bei der Beurteilung der Reichweite besonders spezifischer Widmungen eine wichtigere, nie aber eine allein entscheidende Rolle spielen kann. An diesen Grundsätzen, an denen sich auch das Berufungsgericht orientierte, hat der Fachsenat in nachfolgenden Entscheidungen ausdrücklich (5 Ob 41/18t; 5 Ob 134/22z) oder durch Verweis auf diese Entscheidung festgehalten (5 Ob 68/24x). Daraus folgt aber lediglich, dass das Kriterium der Verkehrsüblichkeit bei einer unspezifischen Geschäftsraumwidmung in den Hintergrund tritt (so ausdrücklich 5 Ob 134/22f), nicht aber dessen gänzliche Vernachlässigung. Vor diesem Hintergrund ist in dem zu 5 Ob 115/22f enthaltenen Verweis auf RS0119528 ein Abgehen von der Rechtsprechung des Fachsenats nicht zu erkennen. Der darin (und auch zu 5 Ob 68/24x) enthaltene Verweis auf die Grenzen des Verkehrsüblichen fügt sich vielmehr insoweit zwanglos in die ständige Rechtsprechung ein, als dieses Kriterium auch bei der Prüfung, ob bei unspezifischer Geschäftsraumwidmung eine zustimmungs- bzw genehmigungspflichtige Widmungsänderung vorliegt, nicht gänzlich außer Acht bleiben muss. Eine erhebliche Rechtsfrage, wie das Berufungsgericht oder auch die Kläger meinen, ist damit nicht verbunden.

[9] 4. Die Frage nach dem Inhalt einer Widmung hängt regelmäßig von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (RS0120725 [T3]), ebenso die Frage, ob die Umwandlung des Gegenstands eines Unternehmens vom Verfügungsrecht des Wohnungseigentümers gedeckt ist oder eine zustimmungsbedürftige Änderung bewirkt (5 Ob 41/18t mwN). Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn dem Berufungsgericht eine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl allgemein RS0042936).

[10] 5. Der Fachsenat hat bereits ausgesprochen, dass sich die Wohnungseigentümer im Fall einer unspezifischen Geschäftsraumwidmung schon bei der Begründung des Wohnungseigentums grundsätzlich mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt haben (5 Ob 134/22z mwN; 5 Ob 68/24x). Davon abzugehen bietet das Rechtsmittel der Kläger keinen Anlass. Ausgehend davon ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die vom Beklagten vorgenommene und von den Klägern bekämpfte Bereitstellung seiner Geschäftslokale im Erdgeschoß zum Betrieb eines Hostels sei durch die bestehende – unspezifische – Geschäftsraumwidmung gedeckt und zulässig, auch nicht unvertretbar. Auf die Verwendung der ehemaligen Hausbesorgerwohnung zu diesem Zweck und auf die Begründung des Berufungsgerichts dazu, kommen die Kläger nicht mehr zurück.

II. Zur Revision des Beklagten:

[11] 1. Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen (RS0120725; RS0119528). Der Fachsenat hat aber schon vertreten, dass spätere Widmungsänderungen allenfalls auch konkludent die Zustimmung aller Miteigentümer und Wohnungseigentümer finden können (RS0082712 [T10; T12]; 5 Ob 210/13p ua). Auf eine solche konkludente Widmungsänderung hinsichtlich seiner im ersten Stock gelegenen Wohnungen stellte der Beklagte ab, indem er betont, die beiden Wohnungen seien seit etwa 1975 als Bestandteil einer Bankfiliale gewerblich genutzt worden.

[12] 2. Dazu hat das Berufungsgericht ausführlich Stellung genommen. Mit der Begründung des Berufungsgerichts, dass – unterstelle man eine konkludente Zustimmung aller Wohnungseigentümer – allenfalls eine Widmungsänderung zur Nutzung der Wohnungen zum Bankbetrieb, keinesfalls aber eine unspezifische Geschäftsraumwidmung vorläge, setzt sich der Beklagte nicht auseinander. Damit legt er nicht dar, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig sein soll, sodass es an einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge fehlt (RS0043603). Seine Revision ist schon aus diesem Grund nicht zulässig.

III. Kostenentscheidung:

[13] Sowohl die Kläger als auch der Beklagte haben in ihren Rechtsmittelbeantwortungen darauf hingewiesen, dass die Revision der jeweiligen Gegenseite nicht zulässig ist. Diese Schriftsätze waren damit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und sind zu honorieren. Die Kostenersatzansprüche der Streitteile sind jeweils gleich hoch und daher gegeneinander aufzuheben.

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