OGH 5Ob10/25v

OGH5Ob10/25v6.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* B*, vertreten durch Mag. Christian Kulovits, Rechtsanwalt in Neunkirchen, gegen die beklagte Partei Dr. S* B*, vertreten durch die Metzler & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Unterhalts, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 20. November 2024, GZ 16 R 253/24f‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00010.25V.0306.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Ehe der Streitteile wurde 1996 im Einvernehmen geschieden. In der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 18. 6. 1996 verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin für die Zeit ab 1. 7. 2005 unabhängig von eigenen Erwerbseinkünften auf Lebenszeit Unterhalt in Höhe von 14,5 % seines jährlichen Nettoeinkommens in zwölf monatlichen Zahlungen zu leisten.

[2] Mit Klage vom 25. 1. 2024 begehrte die Klägerin Rechnungslegung über das Nettoeinkommen des Beklagten für den Zeitraum 2021 bis 2024 und die Verpflichtung des Beklagten, den sich aufgrund der Rechnungslegung ergebenden rückständigen und laufenden Unterhalt ab Jänner 2021 zu zahlen.

[3] Das Erstgericht präzisierte die Geldunterhaltsverpflichtung des Beklagten auf Basis der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 18. 6. 1996 dahin, dass der Beklagte schuldig sei, der Klägerin 30.540 EUR samt gestaffelten Zinsen sowie ab 1. 7. 2024 einen laufenden Unterhalt von monatlich 730 EUR zu zahlen.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

[5] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts erhob der Beklagte in zwei gesonderten Schriftsätzen zum einen eine außerordentliche Revision und zum anderen einen Abänderungsantrag nach § 508 ZPO samt ordentlicher Revision. Die grundsätzliche Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision begründete der Beklagte damit, dass alleine der zugesprochene Unterhaltsrückstand über 30.000 EUR liege. Den Antrag auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision nach § 508 ZPO begründete er damit, dass der laufende Unterhalt von monatlich 730 EUR für drei Jahre und damit der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts unter 30.000 EUR liege. Die Bewertung von Unterhaltsansprüchen nach § 58 JN in Verbindung mit den Revisionsgrenzen des § 502 ZPO sei jedoch strittig. Nach der aktuellen Rechtsprechung würden Unterhaltsrückstände und der laufende Unterhalt nicht zusammengerechnet. Diese Rechtsprechung werde in der Lehre aber kritisiert. Aus Gründen prozessualer Vorsicht erhebe der Beklagte daher sowohl eine außerordentliche Revision als auch einen Antrag nach § 508 ZPO.

[6] Das Erstgericht wies den Abänderungsantrag nach § 508 ZPO – zufolge des vom Beklagten dagegen erhobenen und noch nicht entschiedenen Rekurses nicht rechtskräftig – zurück und legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die außerordentliche Revision vor.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die außerordentliche Revision ist unzulässig und zurückzuweisen.

[8] 1. Die Anfechtbarkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich gemäß § 502 Abs 4 ZPO (zur Maßgeblichkeit des § 49 Abs 2 Z 2 JN für den aufgrund einer Scheidungsfolgenvereinbarung geschuldeten Unterhalt siehe RS0046467 [T8]) nach dem Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat.

[9] 2. Bei Unterhaltsansprüchen bestimmt sich dieser Wert, wenn – wie hier – (auch) laufende Ansprüche zu beurteilen sind, gemäß § 58 Abs 1 JN mit dem 36‑fachen Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbetrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung der zweiten Instanz zwischen den Parteien noch strittig war (RS0122735; RS0103147 [T23]); das gilt nach ständiger Rechtsprechung auch dann, wenn neben dem laufenden und zukünftigen Unterhalt auch bereits fällig gewordene Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit Entscheidungsgegenstand sind. Bereits vor diesem Zeitpunkt fällig gewordene Beträge (rückständiger Unterhalt) sind daher nicht zusätzlich zu berücksichtigen (RS0114353; RS0103147 [T1, T6, T12, T32]; RS0046544 [T3]) und der dreifachen Jahresleistung nicht hinzuzurechnen (RS0103147 [T14]).

[10] 3. Im vorliegenden Fall betrifft (nur) der Spruchpunkt 2 im Urteil des Erstgerichts den laufenden Unterhalt; (auch) diesen Entscheidungsteil hat der Beklagte mit seiner Berufung bekämpft. Der zwischen den Parteien im Berufungsverfahren strittige monatliche Unterhaltsbetrag betrug daher 730 EUR. Der 36‑fache Betrag übersteigt nicht 30.000 EUR. Das Berufungsgericht hatte damit über einen den maßgeblichen Wert von 30.000 EUR nicht übersteigenden Entscheidungsgegenstand zu entscheiden.

[11] Eine außerordentliche Revision kann – abgesehen von den hier nicht vorliegenden Streitigkeiten nach § 502 Abs 5 ZPO – nur erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts insgesamt 30.000 EUR übersteigt (§ 505 Abs 4 ZPO). Die ausdrücklich aus-schließlich als solche erhobene außerordentliche Revision des Beklagten ist daher jedenfalls unzulässig und zurückzuweisen.

[12] 4. Das Urteil des Berufungsgerichts ist folglich nur im Wege eines Antrags auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision nach § 508 ZPO anfechtbar. Der Beklagte hat einen solchen Abänderungsantrag am selben Tag nahezu zeit‑ und wortgleich (dazu RS0036673 [T6]) auch – bewusst gesondert – gestellt. Das Erstgericht wird daher das gesetzmäßige Verfahren über dieses Rechtsmittel fortzusetzen und dem Rekursgericht denRekurs des Beklagten gegen seine Zurückweisung dieses Antrags oder nach Selbststattgebung dieses Rekurses iSd § 522 ZPO unmittelbar diesen Antrag zur Entscheidung vorzulegen haben.

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