OGH 4Ob94/77

OGH4Ob94/7712.7.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Kuderna und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Dr. H*, Geschäftsführer, *, vertreten durch Dr. Christoph Suchomel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek, und Dr. Wolf‑Dieter Arnold, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 548.294,-- samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS. Wien als Rekursgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 16. März 1977, GZ 44 R 60/77‑8, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Arbeitsgerichtes Wien vom 8. Februar 1977, GZ 8 Cr 254/76‑5, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00094.77.0712.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Kläger behauptet in der beim Arbeitsgericht Wien eingebrachten Klage, als Geschäftsführer der beklagten Partei angestellt gewesen zu sein. Nachdem er von der Generalversammlung der beklagten Partei seiner Funktion als Geschäftsführer enthoben worden sei, habe er mit Schreiben vom 30. Juli 1976 wegen Vertragsverletzung seinen vorzeitigen Austritt erklärt. Er begehrt im wesentlichen aus dem Titel des gerechtfertigten Austrittes und der Gewinnbeteiligung die Zahlung eines Betrages vom insgesamt S 548.298,-- samt Anhang.

Die beklagte Partei erhob in der ersten Tagsatzung die Einrede dar sachlichen Unzuständigkeit. Noch vor der für den 23. Februar 1977 angeordneten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung begründete der Kläger in einem Schriftsatz die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes und beantragte für den Fall, daß der Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei stattgegeben werde sollte, die Überweisung der Rechtssache an das Handelsgericht Wien. Das Erstgericht setzte hierauf die Tagsatzung ab, erklärte sich – ohne nähere Begründung – für unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß dem § 261 Abs 6 ZPO an das Handelsgericht Wien.

Das Rekursgericht hat den von der beklagten Partei gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs aus dem Grunde des § 261 Abs 6 Satz 5 ZPO als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Fällung einer Sachentscheidung über den gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobenen Rekurs aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerberin ist einzuräumen, daß das Erstgericht gegen die Vorschrift des § 261 Abs 1 ZPO, wonach über die wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, wegen Unzuständigkeit des Gerichtes, wegen Streitanhängigkeit oder Rechtskraft vorgebrachten Einreden und Anträge nach vorgängiger mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist, verstoßen hat, weil es die Entscheidung über seine Unzuständigkeit sowie über den außerhalb der ersten Tagsatzung gestellten Überweisungsantrag des Klägers ohne mündliche Verhandlung gefällt hat. Ein Überweisungsbeschluß ist jedoch, auch wenn er ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, gemäß dem § 261 Abs 6 Satz 5 ZPO in der Sache selbst – das heiß mit Ausnahme der Kostenentscheidung –unanfechtbar, sodaß der Mangel sanktionslos bleibt (Fasching III, 216); 5 Ob 524/76; 7 Ob 72/71; SZ 44/36; EvBl 1968/307 uva). Der Rechtsmittelausschluß besteht nur dann nicht, wenn eine Überweisung ausgesprochen wurde, die ausdrücklich gegen die gesetzlichen Vorschriften des § 261 Abs 6 ZPO verstößt (Fasching a.a.O., 218; Arb 8188; RiZtg. 1974/89; SZ 43/212; 5 Ob 117/72 uva). Die vom Rekurswerber vertretene Auffassung, es widerspräche den Erfordernissen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit, die Nichtigkeit von Beschlüssen sanktionslos zu lassen, erweist sich angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung über den Rechtsmittelausschluß als verfehlt.

Für eine von der Rekurswerberin angeregte Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof, dieser möge die Bestimmung des § 261 Abs 6 Satz 5 ZPO als verfassungswidrig aufheben, besteht kein Anlaß. Eine Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK, wie sie von der beklagten Partei in diesem Zusammenhang ohne Begründung behauptet wird, liegt nicht vor, weil der gegenständliche Rechtsmittelausschluß keineswegs zur Folge hat, daß eine Prozeßpartei mit ihrer Sache „öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist“ nicht gehört werde. Ein Überweisungsbeschluß setzt vielmehr die Einrede der Unzuständigkeit und damit die Teilnahme der beklagten Partei an dem Verfahren sowie weiters die Stellung eines Überweisungsantrages durch die klagende Partei voraus. Eine Rechtsverweigerung, wie sie der beklagten Partei offenbar vorschwebt, ist daher ausgeschlossen. Im übrigen nimmt Art 6 MRK auf die Frage der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen nicht Bezug (EvBl 1972/36).

Der unberechtigte Rekurs mußte somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 50, 52 ZPO begründet.

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