European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00091.25Y.0911.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass Spruchpunkt 2. lautet:
„Der Beklagte ist weiters schuldig, einen Eid über die Vollständigkeit der Rechnungslegung abzugeben.“
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Ehe der Streitteile wurde 2005 geschlossen. Während aufrechter Ehe war die Klägerin als Lehrerin tätig. Der Beklagte war Berufsoffizier in Deutschland und mehrfach bei Auslandseinsätzen eingesetzt, für die er neben seinem regulären Einkommen ein zusätzliches, nicht versteuertes Einkommen erzielte und während derer ihm die Verpflegung kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. 2016 trennten sich die Streitteile. 2021 wurde ein Antrag der Klägerin auf Herabsetzung ihrer vertraglich vereinbarten Lehrverpflichtung auf 15 Wochenstunden wegen einer bei ihr diagnostizierten Depression bewilligt. Der Beklagte übermittelte der Klägerin zwar Lohnsteuerbescheinigungen für die Jahre 2017 bis 2021. Die dort enthaltenen Spalten für „Steuerfreien Arbeitslohn“ und „Steuerfreie Verpflegungszuschüsse bei Auswärtstätigkeit“ weisen jedoch keine Eintragung auf. Die Klägerin weiß trotz entsprechender Anfragen beim Beklagten nicht, was dieser im relevanten Zeitraum konkret verdient hat. Der Beklagte verfügt über Barvermögen, wobei nicht festgestellt werden kann, in welcher Höhe und wie er es veranlagt hat. Ebenso kann nicht festgestellt werden, ob der Beklagte seine Eigentumswohnung in Deutschland vermietet oder verpachtet.
[2] Die Klägerin begehrte vom Beklagten, sein Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen, inklusive Vermietung und Verpachtung, für den Zeitraum 2016 bis 2022 und „laufend 2023“ durch Rechnungslegung bekannt zu geben (Punkt 1.), sowie eine „eidesstättige Erklärung“ über die „Richtigkeit“ der Rechnungslegung abzugeben (Punkt 2.).
[3] Der Beklagte wendete dagegen – soweit für das Revisionsverfahren relevant – ein, er sei zur Rechnungslegung und Eidesleistung nur Zug um Zug gegen die (bislang nicht erfolgte) Offenlegung der Einkommensverhältnisse der Klägerin verpflichtet. Weiters habe es der einvernehmlichen Lebensgestaltung der Streitteile entsprochen, eine „Berufstätigenehe“ zu führen. Die von der Klägerin gewünschte Reduktion ihrer Lehrverpflichtung sei also sachlich nicht gerechtfertigt und könne nicht zulasten des Beklagten gehen.
[4] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil der Beklagte – wie er in der Revision ausführe – dazu verpflichtet worden sei, eine eidesstättige Erklärung über die Richtigkeit der Rechnungslegung abzugeben, während sich nach der Entscheidung 3 Ob 29/23w die Eidesleistung in Bezug auf eine Rechnungslegung nur auf die „formelle Richtigkeit“ erstrecke.
[6] Der Beklagte strebt mit seiner Revision, in der er sich nunmehr auch gegen die Anwendung des österreichischen (statt deutschen) Rechts ausspricht, die Abweisung des gesamten Klagebegehrens (hilfsweise nur von Punkt 2. des Begehrens) an; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
[7] Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision ist zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
I. Zum anwendbaren Sachrecht:
[9] 1. Nach Art 15 der Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18. 12. 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUntVO) bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die durch das „Haager Protokoll von 2007“ (HUP 2007) gebunden sind, nach jenem Protokoll (vgl 10 Ob 6/15b mwN). Dies betrifft alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark (4 Ob 114/20y [Pkt 1.1.]).
[10] 2. Nach der allgemeinen Regel des Art 3 Abs 1 HUP 2007 in Bezug auf das anzuwendende Recht ist für Unterhaltspflichten – soweit das Protokoll nichts anderes bestimmt – das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im vorliegenden Fall ist gemäß Art 3 Abs 1 HUP 2007 – dem gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin folgend – österreichisches Unterhaltsrecht maßgebend.
[11] 3. Gemäß Art 5 HUP 2007 findet diese Regel allerdings dann keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates ihres letzten gemeinsamen Aufenthalts, zur betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. Der Ehepartner, der die Ausnahme von der Grundregel des Art 3 HUP 2007 erreichen will, muss sich auf die „engere Verbindung der Ehe zu einem anderen Staat“ berufen, eine Abweichung von der Grundsatzanknüpfung erfolgt nicht von Amts wegen. Die Behauptungs- und Beweislast für die engere Verbindung trägt derjenige, der sich darauf beruft (4 Ob 114/20y [Pkt 1.4.]; 3 Ob 58/20f Rz 23; Gitschthaler in Gitschthaler Internationales Familienrecht [2019] Art 5 HUP Rz 21 f mwN).
[12] 4.1 Wegen des Ausnahmecharakters von Art 5 HUP 2007 und der vollständigen Verdrängung muss die engere Verbindung von einem Gewicht sein, dass es nachvollziehbar erscheint, von der Grundsatzanknüpfung an das Gläubigeraufenthaltsstatut abzuweichen. Es sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei die möglichen Kriterien eng begrenzt sind. Dem in Art 5 HUP 2007 angeführten Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Parteien kommt dabei nur Indizwirkung zu (3 Ob 104/17s [Pkt 5.2.]). Bei Gleichwertigkeit der Verbindung bleibt es beim Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten (10 Ob 6/15b [Pkt 1.]).
[13] 4.2 Die Parteien hatten berufsbedingt stets einen Wohnsitz in Österreich und einen in Deutschland. Während der Beklagte nämlich beruflich in Deutschland tätig war, arbeitete die Klägerin (von der Revision nicht bestritten) als Lehrerin in Kärnten. Die Wochenenden, Ferien und Urlaube des Beklagten verbrachten die Streitteile meist gemeinsam im Haus in Österreich. Dass sie ihren nach Art 5 HUP 2007 maßgeblichen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt hätten, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die deutsche Staatsbürgerschaft des Beklagten allein gibt nicht den Ausschlag. Dass auch die Klägerin deutsche Staatsbürgerin sei, hat der Beklagte im Verfahren nicht behauptet. Dass der Beklagte nach Auflösung der Ehe in Deutschland wohnt und arbeitet, ist schon deshalb nicht maßgeblich, weil nach Art 5 HUP 2007 allein die engere Verbindung zur Ehe der Parteien, das heißt nicht zu den Parteien oder zur behaupteten Unterhaltspflicht, entscheidend ist (3 Ob 104/17s [Pkt 5.2.]). Vor diesem Hintergrund vermag der Beklagte insgesamt nicht aufzuzeigen, dass das deutsche Recht eine engere Verbindung zur Ehe der Streitteile aufweist als das österreichische Recht.
[14] Es bleibt daher nach der Grundsatzanknüpfung des Art 3 HUP 2007 bei der Anwendung österreichischen Unterhaltsrechts.
II. Zum Begehren auf Rechnungslegung (Punkt 1.):
[15] 1. Das Rechnungslegungsbegehren nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO steht jedem zu, der gegen einen ihm aus materiell-rechtlichen Gründen zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten zu erheben vermag, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, sofern dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (RS0106851; 2 Ob 142/19z). Diese Bestimmung schafft keine eigene zivilrechtliche Verpflichtung, sondern setzt voraus, dass eine solche schon nach bürgerlichem Recht besteht (RS0034986; 2 Ob 136/22x). Die urteilsmäßige Verpflichtung zur Rechnungslegung ist erfüllt, wenn eine formell vollständige Rechnung gelegt wurde (2 Ob 220/21y; 3 Ob 29/23w Rz 10).
[16] 2. Die Klägerin stützt ihr Rechnungslegungsbegehren auf ihren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten.
[17] Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO auch bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen eines Ehegatten. Es kann dem Unterhaltsberechtigten nicht zugemutet werden, gewissermaßen „ins Blaue zu klagen“, also irgendeine Einkommenshöhe, die am wahrscheinlichsten erscheine, zu behaupten und dem Unterhaltsbegehren zugrunde zu legen (7 Ob 132/24y Rz 10 mwN; RS0122058 [T2]).
[18] 3. Der Beklagte kann sich nicht darauf stützen, er sei zur Rechnungslegung (und Eidesleistung) nur Zug um Zug gegen Offenlegung der Einkünfte der Klägerin verpflichtet:
[19] Auch wenn der Anspruch bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen von Ehegatten Ausfluss der – auch nach der Eheauflösung weiter wirkenden – wechselseitigen ehelichen Informationspflichten ist (2 Ob 261/12i [Pkt 2.] = RS0122058 [T1]), und dem Beklagten zur Verfolgung eigener oder zur Abwehr der ihm gegenüber geltend gemachten Unterhaltsansprüche allenfalls selbst Informationsansprüche gegenüber der Klägerin zukommen könnten, rechtfertigt dies nicht, die Erfüllung seiner Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht solange zu verweigern, bis die Klägerin ihrerseits ihre Einkommensverhältnisse für den geforderten Zeitraum offenlegt. Dem stünde der Zweck der Rechnungslegungspflicht entgegen, den Berechtigten, dem es an den für eine Prozessführung erforderlichen Informationen fehlt, in die Lage zu versetzen, Leistungsansprüche gegen den Rechnungslegungspflichtigen festzustellen und geltend zu machen (RS0106851 [T1]; 2 Ob 142/19z [Pkt II.2.]).
[20] 4. Weitere Voraussetzung für die Berechtigung eines Rechnungslegungsanspruchs des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist, dass der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu Recht besteht (vgl RS0122058). Soweit der Beklagte darauf Bezug nimmt, dass der Klägerin – zumindest nach ihrer Trennung – eine volle Erwerbstätigkeit zumutbar gewesen sei, stellt er offenbar auf die Möglichkeit der Anspannung der Klägerin auf ein ihr daraus hypothetisch erzielbares Eigeneinkommen ab. Dieses mag zwar für die Ermittlung der konkreten Höhe eines Unterhaltsanspruchs im Sinne einer unterhaltsmindernden Anrechnung von Bedeutung sein (vgl RS0012492). Warum die Klägerin bei einer vollen Erwerbstätigkeit bereits dem Grunde nach keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten haben sollte, legt die Revision jedoch nicht dar.
[21] 5. Hinsichtlich der Verpflichtung des Beklagten zur (vollständigen) Rechnungslegung nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO ist die Entscheidung der Vorinstanzen somit zu bestätigen.
III. Zum Begehren auf „eidesstättige Erklärung“ (Punkt 2.):
[22] 1. Voranzustellen ist, dass die Klägerin auch das Klagebegehren laut Punkt 2. erkennbar auf Art XLII Abs 1 EGZPO stützt, der neben der Auskunftsverpflichtung auch die Pflicht zur Leistung des Manifestationseids regelt. Eine Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstättigen Erklärung anstatt der Leistung eines solchen Eides sehen weder Art XLII Abs 1 noch – der auf den Manifestationseid anwendbare (Konecny in Fasching/Konecny 3 Art XLII EGZPO Rz 104) – Art XL EGZPO vor. Da zwar das falsche Schwören eines sonst in den Gesetzen vorgesehenen Eides – darunter fällt auch der Manifestationseid nach Art XLII Abs 1 EGZPO – nach § 288 Abs 2 StGB strafbar ist, eine eidesstättige Erklärung dagegen keinen Eid iSd § 288 Abs 2 StGB darstellt (Plöchl in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 288 Rz 51), wäre die Abgabe einer eidesstättigen Erklärung auch nicht geeignet, den Zweck der Eidesleistung nach Art XLII Abs 1 EGZPO zu erfüllen, strafrechtlich Druck auf den Aufklärungspflichtigen auszuüben, seinen Informationspflichten gegenüber dem informationsberechtigten Kläger nachzukommen (Konecny in Fasching/Konecny 3 Art XLII EGZPO Rz 96). Das Begehren der Klägerin ist daher im Gesamtzusammenhang ihres Vorbringens im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zu einer Eidesleistung zu verstehen.
[23] 2. Der Beklagte wendet sich in der Revision dagegen, einen Eid über die Richtigkeit der Rechnungslegung ablegen zu müssen.
[24] 2.1 Nach jüngerer Rechtsprechung kann auch das Rechnungslegungsbegehren mit einem Begehren auf Eidesleistung verbunden werden (vgl 2 Ob 136/22x). Allerdings braucht der Auskunftspflichtige nicht mehr zu beeiden als er materiell-rechtlich offen zu legen hat, weshalb sich die auf eine Rechnungslegung beziehende Eidesangabe nur auf die formelle Richtigkeit der Rechnungslegung erstreckt (Konecny in Fasching/Konecny 3 Art XLII EGZPO Rz 100 und 103). Dementsprechend kann ein Anspruch auf wahrheitsgemäße (vollständige und richtige) Rechnungslegung im Fall des Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO prozessual nicht erzwungen werden (RS0004372; 3 Ob 29/23w Rz 12 mwN).
[25] Vor diesem Hintergrund differenzierte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 29/23w bei einem begehrten Eid darüber, dass die Angaben des dortigen Beklagten „vollständig und richtig“ sind, dahingehend, dass zwar ein Begehren auf „vollständige“ Eidesleistung berechtigt ist, nicht jedoch ein solches auf „richtige“ Eidesleistung.
[26] 2.2 Das auf Eidesangabe gerichtete Begehren der Klägerin ist aber – auch wenn es unpräzise formuliert ist – ohnehin nicht dahin zu verstehen, dass gerade die Leistung eines Eides über die inhaltlich richtige Rechnungslegung begehrt wird. Weder begehrt die Klägerin hier konkret die Eidesleistung darüber, dass die Angaben des Beklagten „richtig und vollständig“ sind, noch wird im Begehren oder im Klagsvorbringen sonst zwischen „Richtigkeit“ und „Vollständigkeit“ unterschieden. In der Rechtsprechung wird die „Vollständigkeit“ der Rechnungslegung bisweilen auch als „formelle Richtigkeit“ bezeichnet (vgl 3 Ob 29/23w Rz 12). Dass sich ihr bloß auf die „Richtigkeit“ der Eidesleistung lautendes Begehren in Wahrheit auf die inhaltlich richtige Rechnungslegung beziehen würde, wurde im Verfahren erster Instanz auch weder vom Beklagten behauptet noch vom Erstgericht erörtert. Vor diesem Hintergrund kann der Klägerin nicht ohne weiteres unterstellt werden, ein von der Rechtsordnung nicht gedecktes Begehren stellen zu wollen. Ihr Klagebegehren war daher vielmehr so auszulegen, dass damit eine Eidesleistung über die „formelle Richtigkeit“ im Sinne einer „Vollständigkeit“ der Rechnungslegung angestrebt wird.
[27] 3. Somit steht die Stattgebung des sich auf die Rechnungslegung nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO beziehenden Begehrens laut Punkt 2. auf (vollständige) Eidesleistung aber mit den dargelegten Rechtsgrundsätzen im Einklang, sodass die Entscheidung der Vorinstanzen mit der Maßgabe zu bestätigen war, dass der Beklagte schuldig ist, einen Eid über die Vollständigkeit der Rechnungslegung abzugeben.
[28] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
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