OGH 4Ob91/24x

OGH4Ob91/24x25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * Gesellschaft m.b.H. & Co KG, *, vertreten durch die Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei * GmbH & Co KG, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2024, GZ 2 R 194/23y‑20, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 6. November 2023, GZ 24 Cg 19/23m‑14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00091.24X.0225.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von * GmbH auf * GmbH & Co KG berichtigt.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

III. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.000,75 EUR (darin 166,79 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] I. Aus einer Bekanntgabe der Klägerin und dem offenen Firmenbuch ergibt sich, dass die Beklagte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine KG umgewandelt wurde, weswegen die Parteienbezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigenist.

[2] II. Die Klägerin ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerks „*“, die Beklagte jene der Webseite www.*.at. Bei letzterer handelt es sich um den Internetauftritt der Tageszeitungen „*“ und „*“, deren Medieninhaberin die Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten ist. Die Streitteile stehen sohin in einem Wettbewerb um Leser und Anzeigenkunden. Geschäftsführer der Beklagten und Herausgeber der Tageszeitungen ist * (idF: Herausgeber).

[3] Im Jahr 2019 beschuldigte eine damalige Moderatorin des TV-Senders der Mediengruppe der Beklagten, die nachfolgend zur Gruppe der Klägerin wechselte, den Herausgeber öffentlich der sexuellen Belästigung, woraufhin es zu mehreren Gerichtsverfahren kam. Über die wechselseitigen Vorwürfe und Verfahren wurde von den Medien regelmäßig berichtet, insbesondere von jenen der Streitteile.

[4] So schrieb die Klägerin am 29. 4. 2021 unter der Überschrift „Von Nutten und Versprechern“ etwa über einen arbeitsrechtlichen Prozess und mutmaßte, ob der Herausgeber der Medien der Beklagten womöglich ein „Mini-Weinstein“ sei.

[5] Am 27. 5. 2021 veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Webseite unter dem Titel „Alle Zeugen für [den Herausgeber]“ einen Artikel über eine Verhandlung in einem Verfahren, in dem ihr Herausgeber die Moderatorin auf Unterlassung geklagt hatte. Der Artikel beschäftigte sich mit verschiedenen Beweisergebnissen, die den Herausgeber entlasten bzw die Moderatorin belasten, und enthält auch ein kurzes Interview mit dessen Rechtsvertreterin. Dazwischen heißt es resümierend: „Damit entpuppt sich diese Causa immer mehr als bösartige 'Schmutzkübel-Kampagne' der Konkurrenz - umso mehr, als die TV-Lady, die ihre Vorwürfe offenbar erfunden hat, von [Klägerin]-Anwalt * vertreten wird, der derzeit mehr als 30 UWG-Prozesse führt, um im Auftrag der [Klägerin] den Erfolg von [der Gruppe der Beklagten] zu stoppen.“

[6] Mit ihrer Klage vom 12. 6. 2023 begehrt die Klägerin 10.000 EUR sA als immateriellen Schadenersatz gemäß § 16 Abs 2 UWG (aF) wegen wahrheitswidriger und kreditschädigender Behauptungen iSd § 7 UWG.

[7] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht ging unter Verweis auf § 5 ABGB von einer Anwendbarkeit von § 16 Abs 2 UWG idF BGBl I Nr 448/1984 aus (sohin vor dem MoRUG II, BGBl I Nr 110/2022), verneinte jedoch die von der Rechtsprechung bislang geforderte „schwere Kränkung“. Die Revision ließ es zur Klarstellung zu, welche Beeinträchtigung die Untergrenze für einen Schadenersatzanspruch nach § 16 Abs 2 UWG (aF) darstelle.

[8] Die Klägerin strebt mit ihrer Revision eine Klagsstattgebung, hilfsweise eine Rückverweisung der Rechtssache an, die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision der Klägerin ist – ungeachtet des, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen.

[10] 1. § 7 Abs 1 UWG gewährt dem durch die Behauptung oder Verbreitung herabsetzender Tatsachen Verletzten einen Schadenersatzanspruch, sofern diese Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Das Gesetz normiert hier eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast, also gegebenenfalls auch eine Haftung bei gutem Glauben (RS0079042, RS0078856).

[11] Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Behauptung ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere aber von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang abhängt. Bei der Beurteilung kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck sowie auf das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers an (vgl RS0031883 [insb T6, T28]). Ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und wirft demnach keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0107768).

[12] 2. Auch ob die Voraussetzungen für den Zuspruch immateriellen Schadenersatzes vorliegen, richtet sich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls und bildet – abgesehen vom Fall einer gravierenden Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0077369 [T11] zu § 87 Abs 2 UrhG; RS0040378 [T1]; 4 Ob 106/22z).

[13] Ein Zuspruch gemäß § 16 Abs 2 UWG (aF) ist nach ständiger Rechtsprechung nur gerechtfertigt, wenn eine Vergütung für erlittene Kränkung oder andere persönliche Nachteile in den besonderen Umständen des Falls begründet ist (RS0079690). Diese Bestimmung eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, neben dem unmittelbar in Geld abzuschätzenden Vermögensschaden auch auf immaterielle Nachteile Rücksicht zu nehmen; sie hat aber nur solche Beeinträchtigungen des seelischen oder körperlichen Wohlbefindens im Auge, die den mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen, natürlichen Ärger übersteigen (RS0079679 [T2]).

[14] Juristischen Personen ist nach § 16 Abs 2 UWG (aF) eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen, wenn mit einem – ernstlich beeinträchtigenden – Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dabei können auch die damit verbundenen, nicht bezifferbaren Vermögensschäden berücksichtigt werden. In jedem Fall muss es sich aber – im Interesse der Gleichbehandlung mit physischen Personen – um eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der juristischen Person handeln (RS0090635; vgl auch RS0090633, RS0090640).

[15] Zwar kann sich schon aus der konkreten Behauptung im Einzelfall eine empfindliche Kränkung ergeben, grundsätzlich ist es aber Sache des Klägers darzulegen, welche Nachteile persönlicher Art entstanden sind und worin die besondere Kränkung liegt (vgl RS0078172 [insb T2, T3] zu § 87 Abs 2 UrhG).

[16] Eine abstrakte „Untergrenze“, ab der jedenfalls immaterieller Schadenersatz zustünde und wie sie das Berufungsgericht in seinem Zulassungsausspruch vor Augen hat, kann sohin nicht gezogen werden; vielmehr handelt es sich dabei stets um eine Einzelfallentscheidung.

[17] 3. Entgegen den Revisionsausführungen der Klägerin ist das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung zu § 16 Abs 2 UWG (aF) – die temporale Anwendbarkeit unterstellt – auch nicht abgewichen. Es berücksichtigte ebenso die Entscheidung 4 Ob 25/13z, in der der dort klagenden Medieninhaberin eine Entschädigung von 10.000 EUR zuerkannt wurde, weil die dort beklagte Medieninhaberin ihr in einem Artikel (zu Unrecht) bewusste Falschberichterstattung vorgeworfen hatte – dies allerdings expressis verbis und schon in der Überschrift. Einen derartig schwerwiegenden Vorwurf verneinte das Berufungsgericht hier; eine „[bösartige] Schmutzküberl-Kampagne“ werde nach dem allgemeinen Verständnis mit unlauteren, unfairen Mitteln geführt, etwa durch eine möglichst negative Berichterstattung, bedeute aber nicht zwingend, dass dabei Unwahrheiten verbreitet würden.

[18] Sowohl diese Auslegung des Artikels in seiner Gesamtheit, als auch die Verneinung einer erheblichen Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin bewegt sich im Rahmen des den Gerichten im Einzelfall notwendiger Weise zukommenden Beurteilungsspielraums.

[19] Die Klägerin führt in ihrer Revision Passagen aus dem Artikel ins Treffen, laut denen ein „Missbrauch der MeToo-Bewegung“ vorliege und die Moderatorin ihre Vorwürfe „offenbar erfunden“ habe. Es ist aber zumindest vertretbar, den Grundtenor des Artikels dahin zu verstehen, dass lediglich der Moderatorin (die nur zwei Mal und ohne nähere Erklärung als „[Klägerin]-TV-Moderatorin“ bzw „[Klägerin]-Lady“ bezeichnet wird) ein solcher Missbrauch wegen einer nicht gewährten Gehaltserhöhung vorgeworfen wird, der Klägerin (sowie allenfalls anderer „Konkurrenz“) aber keine gezielte und wissentliche Beteiligung an unwahren Vorwürfen, sondern („nur“) ein „bösartiges“ Ausnützen, Hochstilisieren und Befeuern der „Causa“.

[20] Nicht zuletzt angesichts der Vehemenz und des Tons der regelmäßig zwischen den beiden Gruppen medial ausgetragenen Streitigkeiten ist es ebenso vertretbar, diesen Vorwurf im Einzelfall nicht als schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin zu verstehen. Dass durch die Behauptungen zur Involvierung der Klägerin in die Streitigkeiten zwischen dem Herausgeber und der Moderatorin die Glaubwürdigkeit und Seriosität der Klägerin und ihrer Berichterstattung insgesamt und ganz grundlegend in Zweifel gezogen und die Leser sowie Anzeigenkunden jegliches Vertrauen verlieren würden, wie zu 4 Ob 25/13z argumentiert, liegt hier keineswegs auf der Hand.

[21] Auch dass in einem Parallelverfahren gegen die Medieninhaberin der Tageszeitung aufgrund eines inhaltsgleichen Artikels der Klägerin in zweiter Instanz bereits Schadenersatz nach § 16 Abs 2 UWG rechtskräftig zugesprochen wurde, begründet per se weder eine Unvertretbarkeit der hier zu beurteilenden Entscheidung, noch eine uneinheitliche Rechtsprechung iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0116241).

[22] Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

[23] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Kosten für den Antrag auf Änderung der Parteienbezeichnung wurden nicht verzeichnet.

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