European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00008.25T.0522.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin war eine langjährige Franchisenehmerin der Beklagten. Nach der Auflösung des Franchisevertrags machte sie einen Ausgleichsanspruch in Analogie zu § 24 HVertrG geltend.
Rechtliche Beurteilung
[2] Das Berufungsgericht bestätigte das das Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichts. Die Rechtsstellung der Klägerin sei der eines Handelsvertreters nicht derart angenähert gewesen, dass § 24 HVertrG analog anzuwenden sei. Die Revision sei wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Beurteilung nicht zulässig.
Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) auf:
[3] 1.1. Die Rechtsprechung lässt eine Einschränkung der Klage im Rechtsmittelverfahren unter denselben Voraussetzungen wie im erstinstanzlichen Verfahren zu, solange eine Zurücknahme der Klage zulässig ist (RS0039644). Im Umfang einer zulässigen Klageeinschränkung im Rechtsmittelverfahren hat das Rechtsmittelgericht die Entscheidung(en) der Vorinstanz(en) für wirkungslos zu erklären (vgl zB 4 Ob 66/19p; 7 Ob 14/20i; 6 Ob 209/20h).
[4] 1.2. Nach der klaren Regelung des § 483 Abs 3 ZPO kann die Klage im Berufungsverfahren zurückgenommen werden, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (vgl RS0081567). Eine Klageeinschränkung im Berufungsverfahren setzt daher voraus, dass die Klage insoweit (noch) Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.
[5] 1.3. Das Erstgericht wies das auf die Zahlung von 511.571,82 EUR sA gerichtete Klagebegehren ab. Die Klägerin erklärte in ihrer Berufung ausdrücklich, das Ersturteil nur im Umfang der Abweisung von 461.521,20 EUR sA anzufechten, und bezifferte – damit im Einklang – ihr Berufungsinteresse mit 461.521,20 EUR sA. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, das Mehrbegehren von 50.050,62 EUR sA, um das die Klägerin das Klagebegehren in der Berufung ausdrücklich einschränken wollte, sei nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen, sondern vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen worden, ist vor diesem Hintergrund vertretbar. Daher wirft auch das von der Klägerin – als Nichtigkeit – monierte Unterbleiben eines Ausspruchs, dass das Ersturteil im Umfang der Klageeinschränkung wirkungslos sei, keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[6] 2. Das Vorbringen der Klägerin, das Berufungsgericht habe ihre Handelsspanne als „gewichtiges Argument“ gegen die analoge Anwendung des § 24 HVertrG gewertet, ist falsch: Das Berufungsgericht hat zahlreiche konkrete Umstände des vorliegenden Falls angeführt, die für und gegen eine Analogie zu § 24 HVertrG sprechen, und unter Abwägung dieser Umstände eine Analogie zu § 24 HVertrG verneint. Die Handelsspanne der Klägerin hat das Berufungsgericht – in diesem Zusammenhang – nicht erwähnt. Seine Entscheidung steht damit im Einklang mit dem in der Revision vertretenen Standpunkt, dass die analoge Anwendung des § 24 HVertrG nicht von der Handelsspanne abhänge. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Handelsspanne in die Prüfung der analogen Anwendbarkeit des § 24 HVertrG einzubeziehen oder (erst) bei der Bemessung des (dem Grunde nach bejahten) Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen ist, wäre vor diesem Hintergrund bloß theoretischer Natur und begründet schon deshalb keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (vgl RS0111271).
[7] 3.1. Nach der Rechtsprechung sind die für und gegen die analoge Anwendung des § 24 HVertrG sprechenden Umstände im Sinn eines beweglichen Systems gegeneinander abzuwägen (vgl RS0018335 [T9]). Der Umstand, dass es keine Vorgaben für die Preisbildung gibt, spricht dabei gegen die Analogie zu § 24 HVertrG (vgl 3 Ob 10/98m; 1 Ob 238/02k; 2 Ob 211/04z; 3 Ob 44/09f; 1 Ob 10/09s; 7 Ob 255/09i [7 Ob 256/09m]; 4 Ob 193/13f). Hier steht fest, dass die Beklagte nur unverbindliche Preisempfehlungen abgegeben hat (von denen die Klägerin auch im weit überwiegenden Teil der Vertragslaufzeit abgewichen ist). Dass das Berufungsgericht diesen Umstand im Rahmen der Abwägung als gegen die Analogie zu § 24 HVertrG sprechend gewertet hat, steht mit der Rechtsprechung im Einklang.
[8] 3.2. Die außerordentliche Revision bietet keinen Anlass für eine Überprüfung der Rechtsprechung:
[9] 3.2.1. Die Klägerin räumt selbst ein, dass Handelsvertreter – „die eben als Vertreter tätig werden“ – im Namen des Unternehmers und zu dessen Preisen kontrahieren (vgl auch § 1 Abs 1, § 2 Abs 1 HVertrG). Nach der Rechtsprechung ist § 24 HVertrG auf das Dauerschuldverhältnis eines Vertragshändlers (oder – wie hier – eines Franchisenehmers) analog anzuwenden, wenn es so sehr den Wesensmerkmalen eines Handelsvertretervertrags angenähert war, dass dessen Elemente überwiegen (RS0062580). Gibt es aber keine Vorgaben für die Preisbildung, unterscheidet sich das Dauerschuldverhältnis – unabhängig vom Grund dafür – in diesem Punkt von einem Handelsvertretervertrag. Es mag sein, dass auch Handelsvertreter, denen der Unternehmer die Preisbildung vorgibt, die Höhe des vom Kunden zu entrichtenden Entgelts beeinflussen können, etwa indem sie einen Teil ihrer Provision als „Rabatt“ an den Kunden weitergeben. Das ändert aber nichts daran, dass sie gegenüber dem Unternehmer an dessen Preisbildungsvorgaben gebunden sind.
[10] 3.2.2. Die von der Klägerin ins Treffen geführten Art 2 Abs 1 und Art 4 lit a VO (EG) 2790/1999 (in Kraft seit 1. 1. 2000, Art 13 leg cit), VO (EU) 330/2010 (in Kraft seit 1. 6. 2010, Art 9 leg cit) und VO (EU) 2022/720 (in Kraft seit 1. 6. 2022, Art 11 leg cit), jeweils iVm Art 81 Abs 1 lit a und Abs 3 EGV oder Art 101 Abs 1 lit a und Abs 3 AEUV, standen und stehen schon nach ihrem klaren Wortlaut nicht jeder vertikalen Vereinbarung entgegen, die die Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers bezweckt, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen. Vielmehr ließen und lassen sie die Festsetzung von Höchstpreisen zu, sofern sich diese nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eines der beteiligten Unternehmen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken.
[11] 4. Weitere erhebliche Rechtsfragen macht die außerordentliche Revision nicht geltend. Die Klägerin behauptet insbesondere nicht, dass dem Berufungsgericht bei der Abwägung eine auch im Einzelfall aufzugreifende auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen, ohne dass eine weitere Begründung erforderlich wäre (§ 510 Abs 3 ZPO).
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