European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00067.76.0907.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 858,47 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind 63,59 S an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist Hausbesorgerin in dem den Klägern gehörigen Haus in *, und bewohnt die im Parterre rechts gelegene Hausbesorgerdienstwohnung.
Mit der vorliegenden Aufkündigung kündigen die Kläger das mit der Beklagten bestehende Hausbesorgerdienstverhältnis samt Dienstwohnung zum 30. September 1975 gerichtlich auf. Zur Begründung führen sie aus, die Tätigkeit der Beklagten bestehe lediglich in dem Kehren der Stiege und eines Vorraumes sowie im Reinigen des Gehsteiges. Der Erstkläger betreibe in *, ein Druckereiunternehmen. Die Reinigung des streitgegenständlichen Hauses werde in Zukunft von den in diesem Unternehmen beschäftigten Hilfskräften vorgenommen, so daß ein Hausbesorger für die Verrichtung der nur geringfügigen Tätigkeit nicht notwendig sei. Der Hausbesorgerposten der Beklagten werde daher aufgelassen.
Die Beklagte bestritt in ihren Einwendungen das Vorbringen der Kläger und beantragte die Aufhebung der Kündigung. Sie brachte vor, seit 1943 als Hausbesorgerin in diesem Haus tätig zu sein. Ihre Arbeit bestehe in der Reinigung des Stiegenhauses, des Hofes, zweier Gänge und des Gehsteiges. Zur Durchführung dieser Arbeiten sei weiterhin ein Hausbesorger erforderlich. Die Kläger beschäftigten keine Hilfskräfte, die in der Lage und gewillt seien, die Hausbesorgerarbeiten zu verrichten. Überdies sei eine zumindest häufige Anwesenheit des Hausbesorgers im Haus erforderlich. Die Haustorsperre und die Einschaltung des Stiegenhauslichtes könne nur von einem im Haus wohnenden Hausbesorger wahrgenommen werden. Die Kündigung verfolge offenbar den Zweck, die Hausbesorgerwohnung mit zwei freigewordenen, angrenzenden Bestandobjekten zu einer gemeinsamen Verwertung zusammenzulegen.
Das Erstgericht hob die Kündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es legte seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:
Im Parterre des gegenständlichen Hauses befinden sich die aus einem Raum bestehende, 33 m2 große Dienstwohnung der Beklagten sowie zwei weitere leerstehende Räume. Im ersten Stock befinden sich Geschäftsräume sowie eine Mietwohnung und in der Mansarde eine Mietwohnung sowie ein Geschäftslokal im Anbau. Der Keller besteht aus einem großen Raum. Zwei Wohnungen und ein Geschäftslokal sind derzeit vermietet.
Die Beklagte ist seit dem Jahre 1943 Hausbesorgerin dieses Hauses. Als alle Bestandobjekte noch vermietet waren, betrug der wöchentliche Arbeitsaufwand der Beklagten für die Hausbesorgerarbeiten etwa fünf Stunden. Derzeit beträgt er etwa zwei bis drei Stunden. Die Beklagte erhält einschließlich der Materialkosten, eines Lichtpauschales und eines Klosettputzgeldes ein Hausbesorgerentgelt von monatlich 553 S. Die Kläger beabsichtigen, die Hausbesorgerarbeiten in Hinkunft durch eine im Druckereiunternehmen des Erstklägers beschäftigte Hilfskraft oder durch eine andere Person, allenfalls gegen Zahlung eines Stundenlohnes, durchführen zu lassen, ohne daß an eine bestimmte Person derzeit gedacht ist.
Aus diesen Feststellungen zog das Erstgericht den rechtlichen Schluß, die Kläger würden nur einen Wechsel in der Person des Hausbesorgers herbeiführen, der einer Auflassung des Hausbesorgerpostens im Sinne des § 18 Abs 6 lit d HBG nicht gleichzuhalten sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt. Es führte die Verhandlung gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGerG neu durch, gelangte zu den gleichen Feststellungen wie das Erstgericht, traf aber noch folgende zusätzliche Feststellungen:
Die seit Oktober 1971 (richtig: November 1975) im Bezug einer Pension stehende Beklagte verrichtet über Auftrag der Kläger seit Oktober 1975 keine Hausbesorgerarbeiten mehr. Die Reinigung des Gehsteiges und des Stiegenhauses wurde in der Zeit vom Oktober 1975 bis 31. Dezember 1975 von der nicht im Haus wohnenden Frau R* gegen Entgelt besorgt. Am 1. Jänner 1976 zog der Zweitkläger in die im ersten Stock gelegenen Räume ein und beschäftigt seit dieser Zeit Frau R* als Aufräumerin. Die Reinigungsarbeiten werden seither von den Mietern in einem bestimmten Turnus durchgeführt, an dem auch Frau R* für den Zweitkläger in Abständen von etwa drei Wochen teilnimmt. Die Haustorsperre wird von einer Mietpartei unentgeltlich durchgeführt, doch mußte die Beklagte mehrmals das Haustor auf- oder zusperren, weil jene Mietpartei dies unterlassen hat. Seit 1. Jänner 1976 wird von den Mietern kein Hausbesorgerentgelt eingehoben. Im Haus befindet sich ein Dreiminutenlichtschalter.
In rechtlicher Hinsicht teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichtes, wonach infolge der entgeltlichen Verrichtung der Hausbesorgerarbeit durch eine andere Person bloß ein Wechsel in der Person des Hausbesorgers vorliege. Darin könne jedoch eine Auflösung des Hausbesorgerpostens nicht erblickt werden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Kläger mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Rechtswirksamerklärung der Aufkündigung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Vorwegzunehmen ist, daß die Revision im gesamten Umfang zulässig ist, weil Streitigkeiten aus der Kündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses nicht den Vorschriften des § 502 Abs 4 ZPO unterliegen (Fasching IV, 284; Arb 9210 u.a.).
Einen Verfahrensmangel erblicken die Kläger in der Unterlassung der Vernehmung von vier Zeugen durch das Berufungsgericht. Diese Zeugen seien von den Klägern zum Beweis dafür angeboten worden, daß die Hausbesorgerarbeiten so geringfügig seien, daß ein Hausbesorger nicht mehr erforderlich sei; ferner daß die beiden im Haus noch wohnenden Mietparteien sich darüber beschwert hätten, ein Reinigungsgeld zu zahlen, weil doch ein Hausbesorger nicht notwendig sei, daß außer dem Reinigen des Stiegenhauses und des Gehsteiges keine weiteren Hausbesorgerarbeiten zu verrichten seien, daß F* J* sich erbötig gemacht habe, die Haustorsperre kostenlos durchzuführen und daß schließlich das Stiegenlicht trotz der Tätigkeit der Beklagten unnötig in Funktion gesetzt worden sei und einmal während der ganzen Nacht gebrannt habe.
Die Unterlassung der Vernehmung dieser Zeugen begründet jedoch keinen Verfahrensmangel. Eine Beschwerdeführung von Mietparteien über die Zahlung des Reinigungsgeldes und über die Beschäftigung eines Hausbesorgers ist nicht geeignet, als Sachverhaltsgrundlage für die Beurteilung der allein prozeßentscheidenden Frage zu dienen, ob der Hausbesorgerposten aufgelassen wird, zumal die Kläger in diesem Vorbringen selbst zugeben, daß das Stiegenhaus und der Gehsteig weiterhin gereinigt werden müssen. Rechtlich bedeutungslos ist auch das Anbot einer Mietpartei, die Haustorsperre an Stelle der Beklagten durchzuführen, zumal ohnehin festgestellt wurde, daß die Haustorsperre von dieser Mietpartei unentgeltlich, allerdings lückenhaft, durchgeführt wird. Welche Bedeutung die Einschaltung des Stiegenlichtes, „trotz der Tätigkeit der Beklagten“, für die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Kündigungsgrundes nach Meinung der Kläger besitzen soll, muß ebenso unverständlich bleiben wie die weitere Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe keine Beweise über das in der Berufung enthaltene Vorbringen der Kläger aufgenommen, die Beklagte habe infolge eines Irrtums der Hausverwalterin ein „viel zu hohes Reinigungsgeld“ erhalten. Sollten die Kläger der Beklagten eine mangelhafte Einschaltung des Stiegenlichtes zum Vorwurf machen wollen, dann erübrigt sich eine Beweisaufnahme darüber, weil ein solches etwaiges Fehlverhalten für den allein geltend gemachten Kündigungsgrund der Auflassung des Hausbesorgerpostens belanglos ist. Das Vorliegen anderer Kündigungsgründe als des in der Kündigung geltend gemachten ist jedoch nicht zu untersuchen (§ 22 Abs 1 HBG). Der Verfahrensrüge fehlt daher jede Berechtigung.
Eine Aktenwidrigkeit erblickt die Revision in dem angeblichen Argument des Berufungsgerichtes, die Kläger hätten die Kündigung auf eine Auflassung des Hausbesorgerpostens nicht gestützt.
Das Berufungsgericht hat jedoch eine solche Auffassung seiner Entscheidung gar nicht zugrundegelegt. Es hat vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß die Kläger die Kündigung nicht auf den Umstand gestützt haben, daß seit Jänner 1976 die Hausbesorgerarbeiten von den Mietern verrichtet werden. Dies stimmt mit der Aktenlage überein, weil ein solches Vorbringen weder vor dem Erstgericht noch vor dem Berufungsgericht erstattet wurde. Ein solches Verhalten der Mieter wurde erstmals während der Parteienvernehmung des Zweitklägers von diesem angegeben. In der Berufung hatten die Kläger noch vorgebracht, die Hausreinigung werde seit 1. Oktober 1975 von I* R* gegen ein monatliches Entgelt von 300 S durchgeführt. Inwiefern zwischen der Verneinung der Auflassung des Hausbesorgerpostens und den Feststellungen des Berufungsgerichtes über die Verrichtung der Hausbesorgerarbeiten durch andere Personen ein eine Aktenwidrigkeit bildender Widerspruch liegen soll, ist gleichfalls unverständlich. Ob die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen den Schluß rechtfertigen, daß der Hausbesorgerposten nicht aufgelassen wird, ist eine dem Bereich der rechtlichen Beurteilung angehörende Frage und wird im Zusammenhang mit der Rechtsrüge zu erörtern sein. Das gleiche gilt für die im Zusammenhang mit der behaupteten Aktenwidrigkeit geltend gemachten Feststellungsmängel. Eine Aktenwidrigkeit liegt somit ebenfalls nicht vor.
In der Rechtsrüge vertreten die Kläger die Auffassung, es lägen wichtige Gründe für die Auflassung des Hausbesorgerpostens vor. Nach den ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichtes bestehe nämlich seit Oktober 1975 kein Hausbesorgerposten mehr, weil die Hausbesorgerarbeiten nicht mehr von der Beklagten, sondern von den Mietparteien und vom Zweitkläger unentgeltlich durchgeführt werden und ein Reinigungsgeld nicht mehr eingehoben werde. Die Auflassung des Hausbesorgerpostens sei infolge des geringen Umfanges zweckmäßig.
Dieser Auffassung kann jedoch nicht zugestimmt werden. Gemäß dem § 18 Abs 6 HBG kann der Hauseigentümer, wenn dem Hausbesorger eine Dienstwohnung zusteht, nur aus erheblichen Gründen kündigen. Solche Gründe liegen gemäß dem § 18 Abs 6 lit d HBG vor, „wenn der Hausbesorgerposten überhaupt aufgelassen wird“. Die Kläger haben die vorliegende Kündigung auf diesen Kündigungsgrund gestützt. Er ist aber, wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, nur gegeben, wenn der Hauseigentümer wichtige Gründe für die Auflassung des Hausbesorgerpostens nachweist und wenn die ernste Absicht der Auflassung erwiesen wird. Das Erfordernis des Vorliegens wichtiger Gründe ergibt sich aus dem § 18 Abs 6 Satz 1 HBG, wonach das Kündigungsrecht an das Vorliegen wichtiger Gründe geknüpft wird. Die Auflassung des Hausbesorgerpostens darf daher nicht zum Schein erfolgen, etwa um einem Hausbesorger, gegen den andere Kündigungsgründe nicht zu Gebote stehen, auf diese Weise kündigen zu können; sie liegt auch nicht im Belieben des Hauseigentümers. Dieser muß vielmehr wichtige Gründe für die Auflassung behaupten und beweisen. Als solche kommen insbesondere Gründe der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der Auflassung in Betracht, die eine Änderung der Verhältnisse herbeigeführt haben. Notwendig ist die Auflassung des Postens und nicht etwa nur ein Wechsel in der Person des Hausbesorgers (Arb 7502, 7460; SZ 16/95; SZ 16/94; SZ 7/251; RZ 1932, 141). Für die Tatbestandsmäßigkeit dieses Kündigungsgrundes ist nicht der Wegfall der Hausbesorgerarbeiten erforderlich. Wenn die Miteigentümer oder die Mietparteien die gesamten Hausbesorgerarbeiten unentgeltlich übernehmen oder wenn diese von deren Bediensteten im Rahmen ihrer sonstigen Beschäftigung verrichtet werden, ist eine Auflassung des Hausbesorgerpostens anzunehmen. Dies gilt hingegen nicht für den Fall, daß diese Arbeiten entgeltlich von den Miteigentümern oder den Mietern bzw. von Hausangestellten oder sonstigen Beauftragten der genannten Personen verrichtet werden (Arb 7502, 4087; ZBl 1938/126; SZ 16/95; SZ 16/94).
Prüft man den festgestellten Sachverhalt an Hand dieser Grundsätze, so ist zunächst festzuhalten, daß im Kündigungsstreit, in dem über die Wirksamkeit einer Aufkündigung entschieden wird, der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung für den der Beurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt maßgebend ist. Dieser in Kündigungsstreitigkeiten aus Mietverhältnissen, in welchen die Bestimmungen über den Schutz der Mieter Anwendung finden, entwickelte Grundsatz (MietSlg 23.457, 22.447 u.v.a.), der nur in bestimmten, hier nicht in Betracht kommenden Fällen – im wesentlichen im Interesse des Mieters – eingeschränkt wird, gilt auch für Kündigungsstreitigkeiten aus Hausbesorgerdienstverhältnissen, weil gemäß dem § 22 Abs 1 HBG in den Fällen der gerichtlichen Kündigung die Bestimmungen der §§ 562 bis 564 und 567 bis 575 ZPO über das Verfahren bei Streitigkeiten aus Bestandverträgen sinngemäß anzuwenden sind und weil der Hauseigentümer die Kündigungsgründe in der Kündigung unter Ausschluß der Möglichkeit einer späteren Geltendmachung anzuführen hat. Die Kläger haben jedoch in der Kündigung nicht vorgebracht, daß die Hausbesorgerarbeiten von den Mietern bzw von Frau R* als Bedienstete des während des Verfahrens in das Haus eingezogenen Zweitklägers für diesen unentgeltlich verrichtet werden. Die vom Berufungsgericht lediglich auf Grund der in der Berufungsverhandlung deponierten Parteiangaben des Zweitklägers diesbezüglich getroffenen Feststellungen sind daher aus den oben dargelegten Gründen für die rechtliche Beurteilung nicht heranzuziehen. Umsoweniger liegen Feststellungsmängel vor. In dem allein maßgebenden Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung (12. Juni 1975) hat die Beklagte die Hausbesorgerarbeiten verrichtet und die Kläger haben beabsichtigt, diese Arbeiten von einem im Druckereiunternehmen des Erstklägers beschäftigten Arbeitnehmer, allenfalls gegen Zahlung eines Stundenlohnes, verrichten zu lassen, ohne daß sie an eine bestimmte Person gedacht hätten. Darin ist jedoch, wie die Untergerichte richtig erkannt haben, aus den oben dargelegten Erwägungen nicht eine Auflassung des Hausbesorgerpostens, sondern ein Wechsel in der Person des Hausbesorgers zu erblicken. Dieser Sachverhalt schließt das Vorliegen wichtiger Gründe im dargelegten Sinn, insbesondere auch die Annahme einer Änderung der Verhältnisse, für die das Verbot der Verrichtung der Hausbesorgerarbeiten allerdings nicht ausreichen würde, aus, so daß der geltend gemachte Kündigungsgrund nicht vorliegt.
Da das angefochtene Urteil sohin auch frei von Rechtsirrtum ist, mußte die Revision erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.
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