European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00065.76.0713.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.239,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 120,— an Barauslagen und S 82,94 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin behauptet in der Klage, sie sei vom Beklagten am 26. Mai 1975 ungerechtfertigt entlassen worden. Auf Grund des Kollektivvertrages für die Damenoberbekleidungsindustrie und des Arbeiterurlaubsgesetzes stehe ihr aus diesem Rechtsgrund ein Betrag von insgesamt S 5.899,89 brutto samt Anhang zu. Sie habe während ihres am 24. September 1974 begonnenen Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub konsumiert und habe keine Urlaubsabfindung erhalten.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und brachte vor, die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis am 26. Mai 1975 mit den durch das anschließende Verlassen des Betriebes in die Tat umgesetzten Worten: „Dann gehe ich halt“ durch ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt selbst beendet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm die vom Beklagten behaupteten Worte der Klägerin als erwiesen an und zog daraus den rechtlichen Schluß auf einen ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGerG neu durch und traf folgende wesentliche Feststellungen:
Die Klägerin ist gelernte Damenschneiderin. Auf Grund ihres Gesundheitszustandes sollte sie abwechselnd sitzend und stehend arbeiten. Sie ersuchte daher im März 1975 die Werkstättenleiterin A* W*, fallweise bügeln zu dürfen. W* lehnte diesen Wunsch zunächst mit dem Bemerken ab, die Klägerin sei eine gelernte Kraft. Erst in der Woche vor dem 26. Mai 1975 wurde die Klägerin für diese Woche zum Bügeln abgestellt. Sie hatte ein ärztliches Zeugnis nicht vorgelegt, doch war der Beklagte über ihren Gesundheitszustand informiert.
Am 26. Mai 1975 verrichtete die Klägerin bis 9 Uhr Stepparbeiten mit der Maschine. Als sie nach Beendigung dieser Arbeit die Werkstättenleiterin fragte, was sie nun tun solle, gab ihr diese den Auftrag zu bügeln. Die Klägerin lehnte dies mit dem Bemerken ab, das sei eine Hilfsarbeit. Sie wandte sich hierauf an den Beklagten und teilte diesem mit, sie wolle nicht mehr bügeln, sie sei keine Hilfsarbeiterin. Der Beklagte wußte, daß die Klägerin in der vergangenen Woche gebügelt hatte, doch war ihm das Ausmaß dieser Arbeit nicht bekannt. Er stellte ihr nun zur Auswahl, entweder zu bügeln oder an der Maschine im Sitzen zu arbeiten. Die Klägerin geriet daraufhin in Erregung und sagte zum Beklagten: „Wenn das so ist, dann gehe ich.“ Mit diesen Worten verließ sie das Arbeitszimmer des Beklagten. Sie kam dann in Straßenkleidung wieder zurück und verlangte einen Krankenschein. Der Beklagte zögerte zuerst, weil er nicht wußte, ob die Klägerin noch das Recht dazu habe, ließ aber dann dennoch Krankenscheine ausstellen. Die Klägerin verließ anschließend den Betrieb.
Am 28. Mai 1975 meldete A* W* die Klägerin mit 26. Mai 1975 bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse ab. Sie gab als Grund der Abmeldung „fristlose Kündigung des Arbeitnehmers“ an. Die Klägerin begab sich noch am 26. Mai 1975 zu einem Arzt, der sie krank schrieb. Dann ersuchte sie eine Bekannte, dem Beklagten telefonisch ihren Krankenstand zu melden. A* W*, die den Anruf entgegennahm, erwiderte auf die Krankmeldung, dies gehe den Betrieb nichts mehr an, weil die Klägerin „ihre Arbeitsstätte fristlos entlassen habe“.
In rechtlicher Hinsicht nahm das Berufungsgericht an, der Äußerung der Klägerin, „Wenn das so ist, dann gehe ich“, könne – objektiv betrachtet – ein Austrittswille oder überhaupt eine Auflösungsabsicht nicht entnommen werden. Die Ausfolgung der Krankenscheine zeige, daß auch der Beklagte diese Worte der Klägerin nicht als Auflösungserklärung aufgefaßt habe. Aus der Abmeldung der Klägerin durch den Beklagten bei der Krankenkasse und aus der telefonischen Äußerung der Werkstättenleiterin, den Betrieb gehe die Krankmeldung nichts mehr an, sei abzuleiten, daß der Beklagte das Arbeitsverhältnis seinerseits vorzeitig aufgelöst habe. Der auf die vorzeitige Auflösung durch den Beklagten gestützte Klagsanspruch bestehe daher mangels eines diese Auflösung rechtfertigenden Grundes zu Recht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles gerichteten Abänderungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Beklagte hält in seinen Rechtsmittelausführungen an seiner Auffassung fest, aus der festgestellten Äußerung der Klägerin und aus ihrem damit in Zusammenhang stehenden Verhalten sei rechtlich zu folgern, daß sie das Arbeitsverhältnis durch vorzeitigen Austritt aufgelöst habe.
Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Bei der rechtlichen Beurteilung des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhaltes, an den der Oberste Gerichtshof gebunden ist, muß davon ausgegangen werden, daß die Klägerin den Klagsanspruch auf eine ungerechtfertigte Entlassung stützt. Die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und auf aliquote Sonderzahlungen setzen eine ungerechtfertigte Entlassung voraus. Hingegen besteht der Anspruch auf Urlaubsabfindung selbst für den Fall einer gerechtfertigten Entlassung, nicht aber auch für den Fall eines ungerechtfertigten vorzeitigen Austrittes zu Recht (§ 9 ArbUrlG).
Prüft man die Feststellungen in der Richtung des (ausdrücklichen oder konkludenten) Ausspruches einer Entlassung, so muß hier vorerst untersucht werden, ob das Arbeitsverhältnis von der Klägerin vorzeitig aufgelöst wurde, wie der Beklagte behauptet. Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Beurteilung der von der Klägerin an den Beklagten gerichteten Worte und ihres damit in Zusammenhang stehenden Verhaltens ab. Grundsätzlich erfolgt die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses in der Form eines vorzeitigen Austrittes des Arbeitnehmers durch Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung die auf die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen gerichtet ist. Die Erklärung ist dem Empfänger gegenüber bestimmt, deutlich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise abzugeben (Arb 9258, 4164; Martinek-Schwarz2 369; Floretta in Floretta-Spielbüchler-Straßer, Arbeitsrecht I, 204 ff). Sie ist nicht an eine bestimmte Form gebunden und kann daher schriftlich, mündlich oder konkludent (§ 863 ABGB) erfolgen. Die Erklärung muß den Arbeitgeber als Erklärungsempfänger zweifelsfrei erkennen lassen, daß der erklärende Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist vorzeitig auflöst (Arb 9258; vgl auch Kuderna, Entlassungsrecht, 10 ff, hinsichtlich der Entlassungserklärung).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes treffen aber diese Voraussetzungen, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, auf den vorliegenden Fall zu. Dem Berufungsgericht ist wohl in seiner Auffassung zuzustimmen, daß die Äußerung der Klägerin „Wenn das so ist, dann gehe ich“ nicht isoliert zu betrachten, sondern die Gesamtsituation zu beurteilen ist. Das Berufungsgericht verkennt jedoch, daß dies nicht für jenes Verhalten der Klägerin gilt, das der bereits erfolgten Auflösung des Arbeitsverhältnisses nachfolgt. Zu der für die Beurteilung maßgebenden Gesamtsituation gehört die zunächst der Werkstättenleiterin gegenüber erfolgte Weigerung der Klägerin, ab 9 Uhr Bügelarbeiten zu verrichten. Die von der Klägerin ausschließlich hiefür vorgebrachte Begründung, das seien Hilfsarbeiten, ist umso unverständlicher, als sie doch einige Zeit vorher die Werkstättenleiterin im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand ersucht hatte, fallweise Bügelarbeiten verrichten zu dürfen. In der vorangegangenen Woche hat sie diese Bügelarbeiten auch tatsächlich verrichtet. Unmittelbar nach dieser Ablehnung hat sich die Klägerin auch dem Beklagten gegenüber geweigert, derartige Arbeiten zu verrichten und hat als Begründung hiefür nur angegeben, sie sei keine Hilfsarbeiterin. Als der Beklagte der Klägerin hierauf in einer mit den Gesetzen der Logik durchaus übereinstimmenden Weise die Alternative stellte, entweder zu bügeln oder an der Maschine (im Sitzen) zu arbeiten, gebrauchte die Klägerin die oben erwähnten Worte und verließ das Arbeitszimmer des Beklagten, ohne an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. (Letzteres ergibt sich aus dem Umstand, daß sie kurz darauf umgezogen, nämlich in Straßenkleidung, zum Beklagten zurückkehrte.) Zur Beurteilung der erwähnten Äußerung der Klägerin ist ihr Verhalten in dem eben umrissenen Umfang zu berücksichtigen, denn nur dieses Verhalten konnte der Beklagte als Erklärungsempfänger zur Aus1egung dieser Erklärung heranziehen. Daraus ergibt sich, daß die Klägerin eine Arbeitsverweigerung und eine dadurch ausgelöste Debatte mit der mehrfach erwähnten Äußerung beendete, die sie unmittelbar darauf in die Tat umsetzte, indem sie das Zimmer verließ, ohne an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Diesem Gesamtverhalten kann entnommen werden, daß die Klägerin beide allein in Betracht kommenden, ihr vom Beklagten gestellten Alternativen, entweder zu bügeln, oder an der Maschine zu arbeiten, ablehnte. Das Gesamtverhalten ließ den Beklagten ferner zweifelsfrei erkennen, daß die Klägerin das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist unter Angabe eines Grundes („Wenn das so ist ......“) vorzeitig auflöste. Ob sie eine solche Auflösungsabsicht tatsächlich hatte, kann dahingestellt bleiben, weil es allein darauf ankommt, wie die Erklärung vom Arbeitgeber unter Berücksichtigung der – oben umschriebenen – Gesamtsituation verstanden werden konnte. Daß dies nur im Sinne einer Auflösungserklärung geschehen konnte, wurde bereits dargelegt. Hätte die Klägerin die Absicht gehabt, den Betrieb nur zum Zwecke eines Arztbesuches zu verlassen und nicht vorzeitig auszutreten, dann hätte sie dies in einer für den Beklagten erkennbaren Weise sofort zum Ausdruck bringen müssen. Abgesehen davon, daß eine derartige Feststellung nicht getroffen wurde, wäre ein derartiger allfälliger innerer, für den Beklagten nicht erkennbarer Vorbehalt rechtlich bedeutungslos (§§ 869, 876 ABGB). Das dem oben umschriebenen Verhalten der Klägerin nachfolgende Verhalten, nämlich das Verlangen eines Krankenscheines, ist für die Beurteilung ihrer Willenserklärung belanglos, weil in diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis bereits durch die Erklärung der Klägerin aufgelöst war. Im übrigen könnte dieses kommentarlose Verlangen der Klägerin angesichts der eindeutigen vorangegangenen Gesamtsituation eine abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen. Die telefonische Mitteilung über den Krankenstand der Klägerin erfolgte erst geraume Zeit nach der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses und ist daher gleichfalls für die Auslegung der Willenserklärung der Klägerin nicht heranzuziehen.
Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß das Arbeitsverhältnis von der Klägerin durch die Erklärung des vorzeitigen Austrittes aufgelöst wurde. Da sie nicht behauptet hat, daß dieser Austritt aus berechtigten Gründen erfolgt sei, sondern den Klagsanspruch allein auf eine – nicht erfolgte –ungerechtfertigte Entlassung gestützt hat, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob der Klagsanspruch aus dem Grunde eines gerechtfertigten vorzeitigen Austrittes zu Recht besteht. Im übrigen wäre für die Klägerin auch unter diesem Aspekt nichts gewonnen, weil sie die von ihr ursprünglich erbetenen Bügelarbeiten zuletzt ohne Hinweis auf ihren Gesundheitszustand oder auf das Ausmaß dieser Arbeiten schlechthin abgelehnt hat und sich auch geweigert hat, Arbeiten an der Maschine im Sitzen zu verrichten, sodaß ein Austrittsgrund nicht vorläge.
Das Klagebegehren wäre aber selbst dann nicht berechtigt, wenn ein vorzeitiger Austritt der Klägerin nicht angenommen werden könnte, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes der Beklagte eine Entlassung, worauf sich der Klagsanspruch allein gründet, nicht vorgenommen hat. Die Abmeldung von der Krankenkasse erfolgte, wie sich aus ihrem Inhalt ergibt, unter der Annahme eines bereits vollzogenen vorzeitigen Austrittes der Klägerin und wäre überdies für sich allein nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis zu beenden, weil sie weder einen Auflösungswillen zweifelsfrei erkennen läßt, noch einen solchen dem Arbeitnehmer gegenüber zum Ausdruck bringt (Adler-Höller in Klang2 V, 340 FN 29; Kuderna a.a.O. 12; Arb 5877). Ebenso wenig kann in der einer dritten Person gegenüber in einem Telefongespräch erfolgten Äußerung der Werkstättenleiterin W*, die Krankenstandsmeldung gehe den Betrieb nichts mehr an, weil die Klägerin ihre Arbeitsstätte „fristlos entlassen habe“ (gemeint ganz offensichtlich: verlassen habe), eine auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärung erblickt werden. Diese Äußerung ist vielmehr nur eine gleichfalls auf der Annahme eines vorangegangenen vorzeitigen Austrittes der Klägerin beruhende Wissenserklärung.
Da somit bei richtiger rechtlicher Beurteilung das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt der Klägerin aufgelöst wurde, fehlt dem Klagebegehren die rechtliche Grundlage. Das von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgehende Urteil des Berufungsgerichtes war daher im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet. Im Berufungsverfahren hat die beklagte Partei keine Kosten verzeichnet.
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