OGH 4Ob65/23x

OGH4Ob65/23x19.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden, sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 14.850 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. November 2022, GZ 2 R 9/23s‑22, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 1. Februar 2023, GZ 57 Cg 74/21t‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00065.23X.1219.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.165,43 EUR (darin enthalten 186,08 EUR an 19%iger Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger leaste 2013 einen gebrauchten Pkw für 60 Monate. Ihn traf keine Verpflichtung, das Fahrzeug danach zu kaufen.

[2] 2015 informierte die beklagte Motorherstellerin den Kläger als Fahrzeughalter, dass sein Leasingfahrzeug vom sogenannten Abgasskandal betroffen war.

[3] 2018 kaufte der Käufer das Leasingfahrzeug.

[4] Der Kläger begehrte 30 % des Kaufpreises als Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten als Motorherstellerin für künftige Schäden. Das Fahrzeug sei wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht typengenehmigungsfähig gewesen. Der Kläger hätte bei Kenntnis der wahren Umstände um den Klagsbetrag weniger bezahlt.

[5] Die Beklagte wendete unter anderem fehlende Schlüssigkeit der Klage ein, weil der Kläger (zunächst) nicht Käufer, sondern Leasingnehmer gewesen sei.

[6] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der Kläger mache keinen Schaden geltend, den er als Leasingnehmer erlitten habe, wie etwa überhöhte Leasingraten. Als er das Fahrzeug ohne rechtliche Verpflichtung dazu gekauft habe, sei er bereits in Kenntnis der Sachlage gewesen.

[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Drittschäden aus dem Abgasskandal bei Leasingfinanzierung fehlen würde.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision des Klägers strebt eine gänzliche Klagsstattgebung an. Sieistungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[9] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn sie vor der Erledigung des Rechtsmittels bereits durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geklärt wurde (RS0112921 [T5]).

[10] Inzwischen liegen mehrere höchstgerichtliche Entscheidungen zur hier zu beurteilenden Fallkonstellation vor, dass ein Leasingnehmer das Fahrzeug später in Kenntnis des Abgasskandals kauft (zB 7 Ob 88/23a; 7 Ob 128/23h; 4 Ob 142/22v). Die Entscheidungen der Vorinstanzen über die Ansprüche des Klägers stehen in Einklang mit dieser Judikatur.

[11] 2. Auch sonst zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[12] 2.1. Insbesondere können die darin zitierten Entscheidungen ihre Zulässigkeit nicht begründen, weil sie zu nicht vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen ergangen sind.

[13] Die Fälle 2 Ob 172/22s und 2 Ob 29/20h haben keinen Zusammenhang mit dem Abgasskandal, sondern betreffen die Ansprüche von Leasingnehmern nach Verkehrsunfällen:

[14] In der Entscheidung 2 Ob 29/20h sprach der zweite Senat einem Leasingnehmer nach einem Verkehrsunfall Verdienstentgang zu, weil er kein Ersatzfahrzeug für seinen zerstörten Lkw beschaffen konnte und weiterhin die Leasingraten tragen musste.

[15] In 2 Ob 172/22s erlitt ein Leasingfahrzeug einen Totalschaden, wodurch der Leasingnehmerin der ihr zustehende Gebrauch des Leasingfahrzeugs endgültig entzogen wurde. Sie konnte daher den Totalschadensbetrag von ihrem Unfallgegner fordern.

[16] Die Entscheidung 8 Ob 22/22a betraf zwar auch ein Leasingfahrzeug mit Abschalteinrichtung, jedoch erwarb die dortige Klägerin das Fahrzeug noch vor Kenntnis des Abgasskandals, indem sie eine Anzahlung leistete, ihren Gebrauchtwagen eintauschte und danach den restlichen Kaufpreis über Leasing finanzierte.

[17] 2.2. Auf die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen zur Bindung an den Typengenehmigungsbescheid, zur Verjährung und zur Sittenwidrigkeit der Schädigung kommt es mangels schlüssigen Klagebegehrens nicht an.

[18] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin.

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