European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00591.76.1116.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.447,84 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind 699,84 S an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist die eheliche Tochter, die Beklagte die uneheliche Tochter des am * 1973 verstorbenen Landwirtes S*. Dieser hatte mit Übergabsvertrag vom 22. Juli 1967 seine Liegenschaft EZ. *, KG. *, der Beklagten übergeben.
Mit der vorliegenden, am 20. Februar 1975 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung eines Betrages von 470.575 S samt Anhang zur Ergänzung ihres Pflichtteiles aus dem ausdrücklich genannten Rechtsgrund des § 785 ABGB. Dieser Betrag sei die Hälfte der Differenz, die sich zwischen dem Verkehrswert der Liegenschaft im Zeitpunkt ihrer Übergabe an die Beklagte (1,250.250 S) und den von der Beklagten vertragsgemäß übernommenen Belastungen (309.100 S) als reine Schenkung in der Höhe von 941.150 S ergebe.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung mit der Begründung, der Übergabsvertrag enthalte insbesondere im Hinblick auf offene Entgeltforderungen der Beklagten und ihres inzwischen verstorbenen Ehegatten gegenüber dem Erblasser sowie mit Rücksicht auf vor der Übergabe vorgenommene Investitionen keine unentgeltlichen Elemente. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung der ihr aus dem Übergabsvertrag und aus dem Nachlaß zustehenden Ansprüche mehr erhalten als sie als Pflichtteilsanspruch geltend machen könnte. Sollte jedoch eine Schenkung vorliegen, habe diese gemäß dem § 785 Abs. 2 ABGB infolge Ablaufes der zweijährigen Frist bei Ermittlung des Pflichtteilsanspruches unberücksichtigt zu bleiben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf der Grundlage des eingangs angeführten unbestrittenen Sachverhaltes aus dem zuletzt genannten Grunde des § 785 Abs. 2 ABGB ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und vertrat entgegen der in der Berufung der Klägerin vorgetragenen Meinung die Ansicht, die Beklagte sei als uneheliche Tochter des Erblassers neben dessen ehelichen Tochter, der Klägerin, keine pflichtteilsberechtigte Person im Sinne der oben zitierten Gesetzesstelle. Nur Schenkungen an konkret Pflichtteilsberechtigte und nicht an bloß abstrakt Pflichtteilsberechtigte, die im konkreten Fall zur gesetzlichen Erbfolge nicht berufen sind, blieben für den Fall, daß sie mehr als zwei Jahre vor dem Tode des Erblassers gemacht worden seien, nach dieser Vorschrift unberücksichtigt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidung der Untergerichte im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision den Erfolg zu versagen.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin hält in den Rechtsmittelausführungen an ihrer Auffassung fest, das uneheliche Kind sei auch neben einem (pflichtteilsberechtigten) ehelichen Kind als Pflichtteilsberechtigter im Sinne des § 785 Abs. 2 ABGB aufzufassen, sodaß ihm der Einwand, die vom verstorbenen Vater erhaltene Schenkung sei mehr als zwei Jahre vor dessen Tod gemacht worden, verwehrt sei.
Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Gemäß dem § 785 Abs. 1 ABGB sind auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes bei Berechnung des Nachlasses die Schenkungen in Anschlag zu bringen, die der Erblasser unter Lebenden gemacht hat. Hiebei bleiben unter anderem solche Schenkungen unberücksichtigt, die mehr als zwei Jahre vor dem Tode des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht wurden (Abs. 2).
Entscheidend ist daher im gegenständlichen Fall, ob die Beklagte als pflichtteilsberechtigte Person im Sinne des § 785 Abs. 2 ABGB anzusehen ist. Dies wäre dann der Fall, wenn darunter jene Personen zu verstehen wären, die ganz allgemein (abstrakt) als Pflichtteilsberechtigte überhaupt in Betracht kommen können. Wie der Oberste Gerichtshof aber bereits mit ausführlicher Begründung dargelegt hat (EvBl 1975/2 mit Literaturangaben), sind unter den pflichtteilsberechtigten Personen dieser Gesetzesstelle nur jene Personen zu verstehen, die im konkreten Fall tatsächlich pflichtteilsberechtigt (Noterben) sind, ohne Rücksicht darauf, ob sie an sich bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, die im konkreten Fall jedoch fehlen, als Noterben in Betracht kommen könnten. Aus dem § 764 ABGB ergibt sich ausdrücklich, daß nur jene Personen Noterben sind, die einen Pflichtteil zu fordern berechtigt sind. Gemäß dem § 765 ABGB beträgt der Pflichtteil die Hälfte dessen, was dem Kind nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre. Wenn eine unter bestimmten Voraussetzungen als Noterbe an sich in Betracht kommende Person nicht gesetzlicher Erbe ist, dann ist sie eben auch keine pflichtteilsberechtigte Person. Die von der Revisionswerberin unter Berufung auf Weiß in Klang 2, III, 916, vorgenommene Unterscheidung in abstrakte und konkrete Pflichtteilsberechtigte sowie die daraus abgeleitete Auffassung, im § 785 Abs. 2 ABGB seien die abstrakt Pflichtteilsberechtigten gemeint, findet weder in der herrschenden Lehre noch im Gesetz selbst eine Stütze. Die Revisionsausführungen sind gleichfalls nicht geeignet, die herrschende Auffassung zu erschüttern.
Da somit die Beklagte keine pflichtteilsberechtigte Person ist und da zwischen der im Jahr 1967 erfolgten Übergabe der Liegenschaft und dem im Jahr 1973 eingetretenen Tode des Erblassers ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren verstrichen ist, kann die von der Klägerin behauptete Schenkung bei Berechnung des Nachlasses nicht in Anschlag gebracht werden. Der daraus abgeleitete Klagsanspruch besteht daher nicht zu Recht.
Da die Entscheidungen der Untergerichte rechtsrichtig sind, mußte die Revision erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.
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