OGH 4Ob55/25d

OGH4Ob55/25d22.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch Dr. Gottfried Thiery, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch Dr. Helmut Fetz und andere Rechtsanwälte in Leoben, wegen 3.876.093,24 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 5. Juni 2024, GZ 7 R 8/24m-84, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00055.25D.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurswird gemäß

§ 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt Schadenersatz von der Beklagten wegen behaupteten Prozessbetrugs in einem Schiedsverfahren (und damit in Zusammenhang stehenden verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Verfahren) betreffend die Übertragung zweier Liegenschaften.

[2] In Vorverfahren hatte der Oberste Gerichtshof bereits einen Schiedsrichter bestellt (18 ONc 3/19i) und eine Aufhebungsklage gegen den Schiedsspruch zurückgewiesen (18 OCg 1/23f).

[3] Das Erstgericht wies die Klage über Einrede der Beklagten wegen sachlicher Unzuständigkeit und entschiedener Sache zurück.

[4] Das Rekursgericht verwarf einen Rekurs der Klägerin, soweit diese damit eine Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend machte, gab ihm im Übrigen nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zu. Es vertrat die Ansicht, dass auch für die nunmehrige Schadenersatzklage ein Schiedsgericht zuständig sei, weil der ursprüngliche Liegenschaftskaufvertrag zwischen der Klägerin und der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten eine Vereinbarung enthalte, wonach „alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag einschließlich der Frage seines gültigen Zustandekommens, seiner Erfüllung und Beendigung sowie seiner vor- und nachvertraglichen Wirkungen“ von einem Schiedsgericht zu entscheiden seien, und zwar „sowohl für Ansprüche auf vertraglicher, als auch auf gesetzlicher Grundlage“.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen.

[6] 1. Welche Streitigkeiten von einer Schiedsvereinbarung umfasst sind, ist aufgrund ihres – nach dem Parteiwillen auszulegenden – Inhalts zu ermitteln. Liegt – wie im Anlassfall – kein feststellbarer übereinstimmender Parteiwille vor, so ist der Text der das Schiedsgericht betreffenden Vertragsbestimmung vernünftig und den Zweck der Vereinbarung begünstigend auszulegen. Schiedsklauseln sind dabei ausdehnend auszulegen. Die weite Auslegung entspricht der typischen Intention der Parteien, alle aus dem betreffenden Rechtsverhältnis folgenden Streitigkeiten der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen und eine Aufspaltung der Zuständigkeiten zu vermeiden. Lässt der Wortlaut der Erklärung zwei gleichwertige Auslegungsergebnisse zu, so gebührt daher jener Auslegung der Vorzug, die die Anwendbarkeit des Schiedsvertrags favorisiert (vgl 18 OCg 6/20m [Ansprüche aus einem behaupteten Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung]; RS0018023, RS0045337, RS0044997, RS0045045). Das Ergebnis der Auslegung eines Schiedsvertrags ist einzelfallbezogen und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage, sofern keine unvertretbare Auslegung vorliegt (RS0045045 [T7]).

[7] 2. Soweit die Klägerin in ihrem Revisionsrekurs weiterhin die Ansicht vertritt, dass die Schiedsklausel ausschließlich aus dem Kaufvertrag resultierende vertragliche Ansprüche erfasse, ist ihr mit dem Rekursgericht deren Wortlaut entgegenzuhalten, wonach auch bloß im Zusammenhang stehende, gesetzliche Ansprüche der Schiedsgerichtsbarkeit zugewiesen werden sollen.

[8] Ein vom Wortlaut abweichender Parteiwillen wäre von der Klägerin in erster Instanz zu behaupten und beweisen gewesen (vgl RS0017834), sodass insoweit auch keine sekundären Feststellungsmängel vorliegen (vgl RS0053317). Das Vorbringen der Klägerin, sie habe sicher nicht vereinbart, täuschendes und sittenwidriges Handeln iSd § 178 ZPO, § 879 ABGB und §§ 146, 147 StGB in Kauf zu nehmen, geht an der hier einzig relevanten Frage vorbei, wer über den behaupteten Schadenersatzanspruch wegen Prozessbetrugs zu entscheiden hat. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass aufgrund der weiten Formulierung der konkreten Klausel und ihres Zwecks nicht nur Ansprüche aus dem Kaufvertrag, sondern auch deliktische Schadenersatzansprüche, die aus einem Betrug der Beklagten bei der Um- und Durchsetzung dieses Vertrags resultieren sollen, in die Schiedsgerichtsbarkeit fallen, ist keineswegs unvertretbar.

[9] 3. Die weitere Beurteilung des Rekursgerichts, dass im Hinblick auf § 261 Abs 2 ZPO (idF BGBl I Nr 94/2015) und die Aufträge des Erstgerichts weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in erster Instanz, noch des Unmittelbarkeitsgrundsatzes oder eine Überraschungsentscheidung vorlag, kann in dritter Instanz nicht mehr angefochten werden (vgl RS0042981, RS0042925, RS0042963 uvm). Die insoweit behaupteten Mängel des zweitinstanzlichen Verfahrens wurden geprüft und liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO). Die angeblich unrichtige Darstellung von Vorbringen durch die Vorinstanzen begründet nicht einmal eine Aktenwidrigkeit (vgl RS0043402), geschweige denn die ins Treffen geführte Nichtigkeit.

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