OGH 4Ob536/76

OGH4Ob536/7627.4.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei J*, Geschäftsmann, *, vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 68.490,-- samt Anhang, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 14. Jänner 1976, GZ. 9 R 1/76-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 25. November 1975, GZ. 8 Cg 422/75-9, aufgehoben und der Wiedereinsetzungsantrag der beklagten Partei zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00536.76.0427.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung über den Rekurs der beklagten Partei aufgetragen.

 

Begründung:

Bei der am 24. Juli 1975 stattgefundenen ersten Tagsatzung erging gegen die erst-, zweit- und drittbeklagten Parteien ein Versäumungsurteil. Dem persönlich erschienenen Viertbeklagten (in der Folge Beklagter genannt) wurde vom Erstgericht eine Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung im Ausmaß von einer Woche erteilt. Der Beklagte gab den die Klagebeantwortung enthaltenden Schriftsatz am 2. September 1975 zur Post und brachte, nachdem er vom Erstgericht infolge des unleserlichen Stampiglienaufdruckes zur Vorlage des Postaufgabescheines aufgefordert worden war und diesen auch vorgelegt hatte, am 15. September 1975 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung ein. In diesem Schriftsatz vertrat er die Auffassung, die ihm erteilte einwöchige Frist habe infolge der Gerichtsferien am 26. August 1975 zu laufen begonnen und habe am 1. September 1975 geendet, sodaß die am 2. September 1975 zur Post gegebene Klagebeantwortung verspätet eingebracht worden sei.

Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag mangels Vorliegens des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes ab. Es ging in seiner Entscheidung davon aus, daß die Klagebeantwortung nach Fristablauf erstattet worden sei.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück. Es vertrat die Auffassung, daß der Beklagte die Klagebeantwortung am 2. September 1975 rechtzeitig eingebracht habe, sodaß Säumnisfolgen nicht eingetreten seien. Eine nach Wochen bestimmte Frist ende gemäß dem § 125 Abs. 2 ZPO mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tage entspreche, an welchem die Frist begonnen habe. Da der erste Tag der Frist ein Dienstag (26. August 1975) gewesen sei, ende die Frist somit Dienstag, den 2. September 1975. Daraus ergebe sich jedoch das Fehlen eines Rechtsschutzinteresses an der Durchführung eines Wiedereinsetzungsverfahrens und in weiterer Folge die Notwendigkeit, den angefochtenen Beschluß ersatzlos aufzuheben und den unzulässigen Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten, mit welchem er eine stattgebende Sachentscheidung über seinen Wiedereinsetzungsantrag anstrebt. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Ein vom Rekursgericht im Wiedereinsetzungsverfahren in Stattgebung eines Rekurses gefaßter Aufhebungsbeschluß ist im Rahmen des § 57 ZPO anfechtbar. Enthält er einen Rechtskraftvorbehalt, dann ist der Revisionsrekurs zulässig. Das gleiche gilt für den Fall, daß sich der Aufhebungsbeschluß inhaltlich als ein abändernder Beschluß darstellt (Fasching II, 750). Eine abändernde Entscheidung liegt vor, wenn in der Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses zugleich auch eine abschließende Entscheidung über die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Entscheidung erster Instanz bzw. über eine in dieser Entscheidung aufgeworfene und für die Entscheidung ausschlaggebende Frage liegt (Fasching IV, 422; 7 Ob 172/75; Arb. 9322; JBl 1974, 101 u.v.a.). Diese Voraussetzungen liegen im Gegenstand vor, weil über die Frage der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages vom Rekursgericht in abschließender Weise und in einem der Auffassung des Erstgerichtes entgegengesetzten Sinn entschieden worden ist.

Der Revisionsrekurs ist aber auch nicht etwa wegen mangelnder Beschwer des Rechtsmittelwerbers unzulässig, weil dieser durch die Zurückweisung seines Antrages in seinem auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gerichteten Rechtsschutzbegehren jedenfalls vermeintlich beeinträchtigt wird (4 Ob 615/75; EvBl 1971/152; 3 Ob 82/74 u.a.).

In der Sache selbst kann die Auffassung des Rekursgerichtes über die Rechtzeitigkeit der Klagebeantwortung nicht geteilt werden. Der Klage liegt eine Mietzinsforderung aus der Vermietung eines Kraftfahrzeuges zugrunde. Mangels Zutreffens der Voraussetzung des § 224 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO (die Rechtssache wurde nicht zur Ferialsache erklärt), wurde gemäß dem § 225 Abs. 1 ZPO die für die Klagebeantwortung erteilte Frist um den bei ihrem Beginn noch übrigen Teil der Gerichtsferien verlängert. Da diese gemäß dem § 27 Abs. 1 Geo am 15. Juli beginnen und bis einschließlich 25. August dauern, hat die erwähnte Frist am 26. August 1975 zu laufen begonnen (vgl. Fasching II, 1026 f.; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, 117; Neumann, Kommentar4, I, 859; Petschek-Stagel, Der österreichische Zivilprozeß, 192, 200; Pollak, System2, I, 427; Sperl, Lehrbuch I, 252, 261 f.; Wolff, Grundriß des Österreichischen Zivilprozeßrechts2, 224; SZ 45/77; 5 Ob 220/71).

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes endete die vom Erstgericht mit einer Woche bestimmte Frist jedoch nicht am 2. September 1975, sondern schon am 1. September 1975. Die Vorschrift des § 125 Abs. 2 ZPO über die Berechnung von nach Wochen bestimmten Fristen geht von dem Normalfall aus, daß der Tag, an dem die Frist erteilt wird, der betreffenden Partei nicht mehr zur Gänze zur Verfügung steht und daher analog der Vorschrift des § 125 Abs. 1 ZPO über die Berechnung einer nach Tagen bestimmten Frist nicht mitzurechnen ist. Wenn jedoch, wie im vorliegenden Fall, der Lauf der Frist um 0 Uhr des ersten Tages beginnt und der Tag, an dem die Frist erteilt wird, infolge der durch die Gerichtsferien bewirkten Hemmung der Frist ohnehin nicht mitzählt, dann endet der Lauf der Frist von einer Woche mit Ablauf des siebenten – der Partei voll zur Verfügung stehenden  Tages. Nur diese Art der Berechnung verhindert, daß eine Frist von sieben Tagen und eine solche von einer Woche an zwei verschiedenen Tagen enden, wie dies bei der vom Rekursgericht vorgenommenen Berechnung der Fall wäre. Für eine solche unterschiedliche Berechnung und Dauer der Fristen bieten jedoch die Bestimmungen des § 125 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO keine Handhabe.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung über den Rekurs des Beklagten aufzutragen.

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