European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00049.76.0615.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.229,60 (einschließlich S 480,— Barauslagen und S 129,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war ab 23. 6. 1975 bei der beklagten Partei als Angestellter beschäftigt. Es war ein Probemonat und anschließend ein auf zwei weitere Monate befristetes Dienstverhältnis vereinbart. Am 23. 7. 1975 wurde das Dienstverhältnis von der beklagten Partei mit sofortiger Wirkung gelöst. Der Kläger begehrt die Bezahlung seiner Bezüge vom 1. bis 23. 7. 1975 und für weitere zwei Monate (abzüglich einer geleisteten Teilzahlung), da die Lösung des Dienstverhältnisses durch die beklagte Partei erst nach Ablauf des Probemonates erfolgt sei und ein Grund für eine vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses nicht gegeben sei.
Die beklagte Partei brachte dagegen vor, daß sie das Dienstverhältnis nicht aufgelöst habe. Die Beklagte habe nur das Dienstverhältnis auflösen wollen, nach Aufklärung des Irrtums über den Ablauf des Probemonates aber eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses angestrebt. Zu diesem Vorschlag habe sich der Kläger Bedenkzeit vorbehalten. In der Folge sei er nicht mehr zur Arbeit erschienen, sodaß seine stillschweigende Zustimmung zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses anzunehmen sei. Überdies habe der Kläger durch unrichtige Erstellung eines Anbotes der beklagten Partei einen Schaden in der Höhe von S 60.000,— zugefügt; dieser Schadenersatzanspruch werde als Gegenforderung geltend gemacht.
Das Erstgericht sprach aus, daß die (restliche) Klagsforderung zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Es begründete dies im wesentlichen damit, daß die Auflösungserklärung der beklagten Partei vom 23. 7. 1975 erst nach Beendigung des Probemonates erfolgt und ein wichtiger Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses nicht vorgelegen sei. Der Kläger habe daher Anspruch auf das Entgelt bis zum vereinbarten Endzeitpunkt des Dienstverhältnisses. Er sei nicht verpflichtet gewesen, der nach der Auflösungserklärung erfolgten Aufforderung der beklagten Partei zur Arbeitsleistung Folge zu leisten. Hinsichtlich der Gegenforderung stehe noch nicht fest, ob der behauptete Schade der beklagten Partei überhaupt eingetreten sei, da noch die Möglichkeit bestehe, daß der Auftraggeber das Entgelt zahle, auf das die beklagte Partei tatsächlich Anspruch habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es stellte nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGerGes fest:
Der Geschäftsführer der beklagten Partei, Ing. W* P*, sagte am 23. 7. 1975, als er um ca. 13.00 Uhr den Kläger traf, die beklagte Partei wolle das Dienstverhältnis innerhalb der Probezeit lösen. Der Kläger machte ihn darauf aufmerksam, daß der Probemonat bereits mit 22. 7. 1975 abgelaufen sei. Ing. W* P* erwiderte sinngemäß, der Kläger möge wegen der paar Stunden doch keine Schwierigkeiten machen. Um ca. 15.00 Uhr des gleichen Tages erhielt der Kläger das von Ing. W* P* bereits am Vormittag diktierte Schreiben der beklagten Partei, welches folgenden Inhalt hatte:
„Betrifft: Auflösung des Dienstverhältnisses
Sehr geehrter Herr W*!
Wir möchten das Dienstverhältnis, auf der Basis der mündlichen Vereinbarung mit sofortiger Wirkung auflösen und ersuchen Sie, alle betrieblichen Unterlagen Herrn W* zu übergeben.
Die Gehaltsabrechnung für die Probezeit erfolgt nach Bekanntgabe der Trennungen. Eine Akontierung kann heute vorgenommen werden.“
Danach wurde zwischen den Streitteilen wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses lediglich je ein Brief gewechselt. Mit Schreiben vom 29. 7. 1975 bestätigte der Kläger der beklagten Partei, daß er nach dem persönlichen Gespräch am 23. 7. 1975 die schriftliche Mitteilung erhalten habe, daß die beklagte Partei das Dienstverhältnis sofort lösen wolle; er teilte darin unter anderem mit, das Diktiergerät und die Gehaltsunterlagen zurückgegeben und infolge der unterbliebenen Lösung des Dienstverhältnisses innerhalb der Probezeit Anspruch auf Gehalt einschließlich anteiliger Sonderzahlungen für die vereinbarte Dienstdauer von 2 Monaten zu haben. Die beklagte Partei forderte mit Schreiben vom 31. 7. 1975 den Kläger auf, unverzüglich den Dienst wieder anzutreten, um das befristete Dienstverhältnis abzuleisten; die beklagte Partei habe zum Ausdruck gebracht, das Dienstverhältnis innerhalb der Probezeit beendigen zu wollen und der Kläger habe nach seinem Hinweis, daß die Probezeit um einige Stunden abgelaufen sei, sich Bedenkzeit ausbedungen, ob er die Beendigung des Dienstverhältnisses als innerhalb der Probezeit ausgesprochen akzeptieren könne.
Der Kläger hatte einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses nicht zugestimmt, insbesondere nicht beim Gespräch am 23. 7. 1975 eine diesbezügliche Erklärung abgegeben. Die Höhe der Klagsforderung blieb unbekämpft. Die beklagte Partei erklärte auch, aus der unrichtigen Anboterstellung durch den Kläger keinen Schaden erlitten zu haben.
Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, daß das am 23. 6. 1975 begonnene Probedienstverhältnis von einem Monat mit Ende des 22. 7. 1975 beendet gewesen und die am 23. 7. 1975 abgegebene Auflösungserklärung der beklagten Partei daher nicht mehr während des Probedienstverhältnisses erfolgt sei. Diese Auflösungserklärung habe daher zur Folge gehabt, daß das Dienstverhältnis mit diesem Zeitpunkt aufgelöst und der Kläger von der Verpflichtung zur Dienstleistung befreit worden sei, ihm aber ein Anspruch auf das Entgelt für die Dauer der „Kündigungsfrist“ zustehe. Der Kläger habe das Schreiben der beklagten Partei, das er am 23. 7. 1975 zwei Stunden nach der mündlichen Unterredung mit Ing. P* erhielt, dahin verstehen müssen, daß die beklagte Partei das Dienstverhältnis ungeachtet des Inhaltes der mündlichen Unterredung auflöse. Für die Annahme einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses fehle jeder Anhaltspunkt.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die beklagte Partei macht im wesentlichen geltend, daß bei der Unterredung zwischen dem Kläger und Ing. P* dieser keine Auflösungserklärung abgegeben, sondern nur den Vorschlag gemacht habe, das Dienstverhältnis mit Ablauf des Probemonates als beendet anzusehen. Da sich der Kläger dazu Bedenkzeit vorbehalten habe, sei er nach Treu und Glauben nach Erhalt des Schreibens der beklagten Partei verpflichtet gewesen, rückzufragen, ob damit seine noch ausständige Antwort auf den mündlich gemachten Vorschlag gegenstandslos sei, weil er insbesondere wegen der Bezugnahme auf eine mündliche Vereinbarung Zweifel haben mußte, wie es sich um dieses Schreiben verhielt und er habe erkennen können, daß die beklagte Partei mißverständlich eine Zustimmung des Klägers zur Auflösung des Dienstverhältnisses annehme. Außerdem enthalte das Schreiben der beklagten Partei überhaupt keine Auflösungserklärung, sondern nur den Wunsch, das Dienstverhältnis als innerhalb des Probemonates aufgelöst zu betrachten. Der Kläger sei daher auch verpflichtet gewesen, der Aufforderung, den Dienst wieder anzutreten, nachzukommen.
Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden.
Unbestritten ist die Auffassung, daß das zwischen den Streitteilen vereinbarte Probedienstverhältnis von einem Monat, das am 23. 6. 1975 begonnen hatte, mit Ablauf des 22. 7. 1975 endete und daher eine jederzeitige Auflösung ohne Vorliegen eines Grundes am 23. 7. 1975 nicht mehr zulässig war. Dies entspricht auch der Bestimmung des § 19 Abs 2 Angestelltengesetz, wonach ein Dienstverhältnis auf Probe höchstens für die Dauer eines Monates vereinbart und nur „während“ dieser Zeit jederzeit gelöst werden kann (Martinek-Schwarz Angestelltengesetz3 323 f). Daß ein wichtiger Grund für eine sofortige Lösung des am 23. 7. 1975 bereits begonnenen, mit zwei Monaten befristeten, Dienstverhältnisses vorgelegen wäre, wird nicht einmal behauptet. Die Erklärung der beklagten Partei hatte daher die Folgen, einer grundlosen Entlassung (Martinek-Schwarz a.a.O. 327). Das Schreiben der beklagten Partei vom 23. 7. 1975 war nämlich entgegen der Auffassung der Revision, unmißverständlich als Auflösungserklärung aufzufassen. Es wird darin nicht nur ausdrücklich erklärt, daß die beklagte Partei das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung auflösen wolle, sondern der Kläger auch ersucht, „alle betrieblichen Unterlagen ... zu übergeben“ und die Gehaltsabrechnung „für die Probezeit“ angekündigt. In diesem Schreiben kommt somit objektiv der Wille des Dienstgebers, das Dienstverhältnis ohne Rücksicht auf die Dauer des vereinbarten befristeten Dienstverhältnisses sofort lösen zu wollen, eindeutig zum Ausdruck. Gerade der Umstand, daß der Kläger dieses Schreiben etwa zwei Stunden nach einer mündlichen Unterredung erhielt, in deren Verlauf ihm mitgeteilt worden war, daß die beklagte Partei das Dienstverhältnis innerhalb der Probezeit lösen wolle, und ihm auf den Einwand, daß die Probezeit abgelaufen sei, erklärt worden war, der Kläger möge „wegen der paar Stunden“ keine Schwierigkeiten machen, mußte beim Kläger die Auffassung erwecken, die beklagte Partei wolle trotz der Aufklärung über den Irrtum hinsichtlich der Dauer der Probezeit wegen der geringen und daher anscheinend ihrer Meinung nach nicht erheblichen Überschreitung des Zeitraumes, während dessen eine Auflösung möglich war, auf einer sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses bestehen. Damit mußte der Kläger aber den Inhalt der mündlichen Unterredung, insbesondere seine Erklärung, er wolle sich Bedenkzeit nehmen, als hinfällig ansehen, da der Inhalt des Schreibens der beklagten Partei für die Annahme, die Auflösungserklärung werde nur bedingt oder unter einem sonstigen Vorbehalt abgegeben, keinen Anhaltspunkt gab. Darauf, wann das Schreiben bei der beklagten Partei geschrieben wurde, kommt es nicht an, weil dieser Zeitpunkt dem Kläger weder bekannt noch erkennbar war; wesentlich ist vielmehr, daß ihm das Schreiben erst nach der mündlichen Unterredung übermittelt wurde.
Die Frage, ob der Kläger zu einer Aufklärung des Irrtums der beklagten Partei über die Dauer der Probedienstzeit verpflichtet war, stellt sich nicht, weil der Kläger den Geschäftsführer der beklagten Partei ohnehin darauf hinwies, daß die Probezeit schon abgelaufen ist. Das Schreiben der beklagten Partei wurde daher mit Recht als eine Erklärung beurteilt, mit der das Dienstverhältnis aufgelöst wurde. Daß die beklagte Partei darin die Übergabe der betrieblichen Unterlagen verlangte und die Gehaltsabrechnung „für die Probezeit“ ankündigte, konnte zwanglos nur dahin verstanden werden, daß der Kläger von einer weiteren Beschäftigung und von weiterem Entgelt ab Erhalt dieses Schreibens ausgeschlossen werde.
Dem Hinweis, daß die beklagte Partei eine Auflösung des Dienstverhältnisses nicht erklären, sondern nur den Wunsch äußern wollte, das Dienstverhältnis als mit Ende der Probezeit beendet anzusehen, ist entgegenzuhalten, daß die Erklärung der beklagten Partei so zu beurteilen ist, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände bei objektiver Betrachtungsweise verstehen konnte; auf eine davon abweichende subjektive Auffassung des Erklärenden kommt es nicht an (ArbSlg 9259, 9142 u.a.).
Mit Rücksicht auf die Erklärung der beklagten Partei, das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung auflösen zu wollen, war der Kläger auch zu einer weiteren Arbeitsleistung nicht mehr verpflichtet. Die beklagte Partei konnte daher die bereits eingetretenen Folgen ihres Verhaltens nicht mehr durch eine Aufforderung an den Kläger, die Arbeit wieder aufzunehmen, rückgängig machen (ArbSlg 6866, siehe auch Spielbüchler JBl 1970 539).
Ob die Auflösungserklärung sofort, nachdem sie der Kläger erhalten hatte, noch hätte widerrufen oder geändert werden können (siehe dazu ArbSlg 6866, 8470 und Spielbüchler JBl 1968 485), bedarf keiner Erörterung, weil die beklagte Partei erst etwa eine Woche – somit jedenfalls nicht „sofort“ – nachdem der Kläger das Schreiben vom 23. 7. 1975 erhalten hatte, diesen aufforderte, den Dienst wieder anzutreten.
Daraus folgt, daß der Kläger gemäß § 29 Angestelltengesetz Anspruch auf das Entgelt für den Zeitraum hatte, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Zeitablauf, nämlich zwei Monate nach Beendigung des Probemonates, hätte verstreichen müssen. Gegen die Anwendbarkeit des § 29 Angestelltengesetz im vorliegenden Fall bestehen keine Bedenken. Die Einwände gegen die Anwendbarkeit des § 29 Angestelltengesetz im Falle einer zeitwidrigen Kündigung (siehe dazu zuletzt Mayer-Maly ZAS 1975 226 f) sind jedenfalls bei der hier gegebenen Sachlage nicht gerechtfertigt (vgl. dazu Spielbüchler JBl 1968 485, 1970 538 f). Wenn nämlich der Dienstgeber das Dienstverhältnis in der unrichtigen Meinung sofort auflöst, daß ein wichtiger Grund dafür nicht erforderlich sei, weil die Auflösung noch innerhalb der Probezeit erfolge, ist dieselbe Sachlage gegeben, die dann eintritt, wenn der Dienstgeber zu Unrecht annimmt, es liege ein ausreichender Grund für eine vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses vor. In beiden Fällen will der Dienstgeber die sofortige Lösung des Dienstverhältnisses ohne Rücksicht auf eine sonst zu beachtende Zeitdauer. Der Irrtum über die Dauer der Probedienstzeit betrifft nicht die Wirkung der Auflösungserklärung (Beendigung des Dienstverhältnisses), sondern nur den Grund für ihre Abgabe und ist daher ein unbeachtlicher Motivirrtum. Dazu kommt, daß die beklagte Partei in ihrem Schreiben auch die Übergabe aller betrieblichen Unterlagen verlangte und die Gehaltsabrechnung für die Probezeit ankündigte, also auch das Dienstverhältnis tatsächlich mit diesem Zeitpunkt beendet wurde. Es ist daher sachgerecht dieselben Rechtsfolgen eintreten zu lassen, die § 29 Angestelltengesetz für den Fall vorsieht, daß ein Dienstgeber den Angestellten ohne wichtigen Grund vorzeitig entläßt.
Die Untergerichte haben daher zutreffend das Klagebegehren – im noch aufrechten Umfang – als berechtigt erkannt, sodaß der Revision ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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