OGH 4Ob399/76

OGH4Ob399/7611.1.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, Kaufmann und Inhaber der Firma M*, vertreten durch Dr. Kurt Sailer, Rechtsanwalt in Ried/I., wider die beklagten Parteien K* und B*, Kaufleute und Inhaber des Einkaufszentrums F*, vertreten durch Dr. Waldemar Wängler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3. November 1976, GZ. 1 R 138/76-12, womit das Urteil des Kreisgerichtes Ried/I. vom 27. September 1976, GZ 1 b Cg 128/76-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00399.76.0111.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Es wird dem Rekurs Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Rekurskosten sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

 

Begründung:

Die klagende Partei behauptete in ihrer Klage, die Beklagten seien Inhaber des Einkaufszentrums F* in O*, in dem sie u.a. Dekorstoffe, Steppdecken, Bettwäsche, Bettwaren, Stoffe und dgl. feilbieten. Der Kläger sei ebenfalls Inhaber eines Unternehmens in R*, in dem er dieselben Waren vertreibe.

Die Beklagten hätten im Juni 1976 einen Werbeprospekt an Haushalte verteilen lassen, in dem sie auf ihre Waren verwiesen und u.a. erklärten:

„F* ist vielseitiger, größer und leistungsfähiger als jede andere I* Einkaufsstätte“.

Diese vergleichende Werbung sei unwahr und überdies auch deshalb sittenwidrig, weil sie eine Herabsetzung der anderen I* Unternehmen dieser Branche und damit auch des klägerischen Unternehmens darstelle. In der Klage wurden auch Beweise für die Unwahrheit der Werbung der Beklagten angeboten; es wurde die Verurteilung auf Unterlassung derartiger Werbung und Veröffentlichung des Urteils beantragt.

Die Beklagten gaben das Wettbewerbsverhältnis, die Herausgabe und den beanstandeten Inhalt des Werbeprospekts zu; sie meinten aber, eine solche vergleichende Werbung sei nur dann wettbewerbswidrig, wenn sie unwahr sei. Eine Unwahrheit sei jedoch in Bezug auf die Vielseitigkeit, Größe und Leistungsfähigkeit ihres Unternehmens nicht gegeben, wofür sie auch Beweise anboten. Eine Herabsetzung von Konkurrenzunternehmen sei im beanstandeten Werbespruch überhaupt nicht enthalten.

Das Erstgericht gab ohne Beweisaufnahme der Klage statt, untersagte den Beklagten die Benützung des vorgenannten Werbespruches und erkannte auch auf Veröffentlichung des Urteils in den O.Ö. Nachrichten und der Rieder Volkszeitung. Es war der Auffassung, daß die Ankündigung „F* ist vielseitiger, größer und leistungsfähiger als jede andere I* Einkaufsstätte“ gegen § 1 UWG verstoße. Durch diese Ankündigung seien die Leistungen aller I* Unternehmer, die mit den von den Beklagten angepriesenen Waren handelten, allgemein und pauschal herabgesetzt worden, ohne daß dem angesprochenen Publikum alle jene Umstände mitgeteilt worden wären, die es in die Lage versetzten, sich selbst ein Urteil über die Vorzüge der angebotenen Leistungen gegenüber denen der Mitbewerber zu bilden. Die Anführung der Preise genüge dieser Aufklärungspflicht des Werbenden bei Behauptung einer Spitzenstellung nicht, weil Anhaltspunkte über die Qualität der angepriesenen Erzeugnisse fehlten. Daß eine Herabsetzung der Leistungen der Mitbewerber erfolgt sei, werde besonders klar durch die im Werbeblatt der Beklagten angeführten Äußerung eines Kunden „wenn es den F* in O* nicht gäbe, müßte ich nach L* einkaufen fahren“; dadurch werde zum Ausdruck gebracht, daß im I* nur bei den Beklagten, nicht aber auch bei anderen Unternehmungen eingekauft werden könne. Da sich die Ankündigung auf eine leicht überschaubare Gruppe von Mitbewerbern, nämlich die im I* gelegenen Einkaufsstätten, die Waren der angeführten Art vertreiben, bezogen habe, sei sie ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG, sodaß der Unterlassunganspruch der klagenden Partei schon aus diesem Grunde berechtigt sei.

Über Berufung der Beklagten hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug diesem neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß die beanstandete Ankündigung der Beklagten eine sogenannte Komperativwerbung darstelle, die zulässig sei, wenn sie wahr und nicht irreführend sei, und nicht der Herabsetzung bestimmter Konkurrenzunternehmen diene oder wenigstens diesen gegenüber nicht aggressiv wirke. Die beanstandete Ankündigung der Beklagten sei durch Hervorhebung und Anpreisung des eigenen Unternehmens erfolgt, um den hohen Standard der eigenen Leistungen, nicht aber den minderen Standard der Mitbewerber des Bezirkes zu betonen. Es sei daher keine sittenwidrige Herabsetzung der Unternehmen der Mitbewerber. Es handle sich bei dieser Ankündigung aber auch nicht bloß um ein subjektives Werturteil, sondern um Tatsachenbehauptungen, die Anspruch darauf erheben, ernst genommen zu werden, und einer objektiven Überprüfung zugänglich sind. Es müßten daher die von beiden Seiten zur Frage der Richtigkeit der Ankündigung aufgestellten Behauptungen geprüft werden. Hiebei sei zu beachten, daß bei Inanspruchnahme einer Spitzenstellung den Werbenden, also die Beklagten, die Beweislast für die Richtigkeit der Werbung treffe.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, diesen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung im Sinne einer Bestätigung des Urteiles des Erstgerichtes aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Der Kläger vertritt zunächst richtig den Standpunkt, daß die Beurteilung der Wirkung einer Werbeankündigung auf die angesprochenen Verkehrskreise eine Rechtsfrage ist, wenn wie im vorliegenden Fall die Erfahrungssätze des täglichen Lebens dazu genügen (ÖBl 1974 82, 1972 14, 1970 22, 1969 64, 4 Ob 329/75, 4 Ob 325/76, 4 Ob 328/76 u.a.). Die Untergerichte haben in der beanstandeten Ankündigung „F* in vielseitiger, größer und leistungsfähiger als jede andere I* Einkaufsstätte“ zu Recht eine vergleichende Werbung gesehen, weil die Beklagten damit auf die Leistungen ihrer Mitbewerber Bezug nehmen und sie mit dem eigenen Angebot, das dieser Leistungen der Mitbewerber gegenübergestellt wird, verbleiben. Eine vergleichende Werbung ist primär nach § 2 UWG zu beurteilen und darnach wettbewerbsrechtlich nur dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behaupteten Umstände nicht den Tatsachen entsprechen oder die Ankündigung sonst zur Irreführung geeignet ist (ÖBl 1975, 146, SZ 31/64 u.a.). Bei der Behauptung der Beklagten „F* ist vielseitiger, größer und leistungsfähiger als jede andere I* Einkaufsstätte“ handelt es sich um eine Ankündigung, die zwar einen „Tatsachenkern“ im Sinne einer Aussage über das Unternehmen und die Leistungen der Beklagten enthält, bei der aber die wesentlichen Umstände, welche das angesprochene Publikum in die Lage versetzten, sich selbst ein Urteil über die Vorzüge der angebotenen Leistungen gegenüber jenen der Mitbewerber zu bilden, nicht angegeben werden. Es werden vielmehr schlagwortartige Behauptungen aufgestellt („vielseitiger“, „leistungsfähiger“), die einer Nachprüfung durch das angesprochene Publikum praktisch entzogen sind. Die gebrauchte Formulierung läßt deutlich erkennen, daß die Beklagten nicht objektive Tatsachen mitteilen wollen, um das angesprochene Publikum über die Güte des eigenen Angebotes zu informieren, sondern zum Ausdruck bringen wollen, daß die Angebote der Mitbewerber im I* ganz allgemein minderwertig sind und die Kunden aus Gründen, die nicht in überprüfbarer Weise angegeben werden, bei den Beklagten günstiger einkaufen. Damit wird auch das Angebot der Mitbewerber in einer allgemeinen und vom angesprochenen Publikum nicht überprüfbaren Weise abgewertet. Die Beklagten haben sich somit nicht mit der Herausstellung der Vorzüge des eigenen Angebotes begnügt; ihre Werbung enthielt vielmehr einen nicht zu übersehenden Hinweis auf eine angebliche und nicht überprüfbare Minderwertigkeit des Angebotes der Mitbewerber, der als wettbewerbswidrig angesehen werden muß. Die beanstandete Ankündigung ist daher ohne Rücksicht auf die vom Erstgericht auch herangezogene, im Werbeblatt an anderer Stelle erhaltene, „Kundenäußerung“ („wenns den F* in O* nicht gäbe, müßte ich nach L* zum Einkäufen fahren“), die in der Klage nur erwähnt, aber nicht zum Gegenstand des Klagebegehrens gemacht wurde, sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG (ÖBl 1975 146 mit weiteren Nachweisen).

Daraus folgt aber, daß das Unterlassungsbegehren gerechtfertigt ist, ohne daß es der vom Berufungsgericht angeordneten Verfahrensergänzung zur Überprüfung, ob die beanstandeten Behauptungen der Tatsachen entsprechen, bedarf. Die Rechtssache ist daher spruchfrei im Sinne einer Bestätigung des Urteiles des Erstgerichtes. Es war somit dem Rekurs des Klägers Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

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