OGH 4Ob390/76

OGH4Ob390/7630.11.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, *, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien wider die beklagten Parteien 1) prot. Firma K*, Kommanditgesellschaft, *; 2) prot. Firma B* Gesellschaft m.b.H., Komplementär der erstbeklagten Partei, ebendort, 3) Dkfm. K* S*, Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei, ebendort, vertreten durch Dr. Fritz Schönherr, DDr. Walter Barfuß, DDr. Hellwig Torggler und Dr. Christian Hauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 15. September 1976, GZ 2 R 114/76‑13, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 2. April 1976, 18 Cg 69/76‑6, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00390.76.1130.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluß des Rekursgerichtes, der hinsichtlich der Bestätigung des abweislichen Teiles des Beschlusses des Erstgerichtes als unangefochten unberührt bleibt, im übrigen dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes (im vollem Umfang) wiederhergestellt wird.

 

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die klagende Partei belangt die beklagten Parteien wegen des ihrer Ansicht nach in wettbewerbswidriger Form, insbesondere als Koppelungsgeschäft mit Kaffee, erfolgenden Verkaufes des Buches „Oly. Innsbruck '76“ des Pamirverlages. Sie begehrt zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches folgende einstweilige Verfügung: „Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei wider die beklagten Parteien auf Unterlassung wettbewerbsfremder Handlungen wird den beklagten Parteien für die Dauer dieses Rechtsstreites im geschäftlichen Verkehr beim Betrieb von Röstkaffee-Spezialgeschäften verboten, den Röstkaffee mit dem Buch „Oly. Innsbruck '76“ des Pamirverlages als Vorspannartikel um S 155,— (S 56,— für ½ kg Kaffee, S 99,– für das zitierte Buch) oder das Buch „Oly. Innsbruck '76“ allein anzukündigen und/oder zu verkaufen“.

Die beklagten Parteien bestritten die Wettbewerbswidrigkeit ihres Vorgehens.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag der klagenden Partei teilweise statt. Es verbot den beklagten Parteien für die Dauer dieses Rechtsstreites, im geschäftlichen Verkehr beim Betrieb von Röstkaffee-Spezialgeschäften den Röstkaffee mit dem Buch „Oly. Innsbruck '76“ des Pamirverlages als Vorspannartikel um S 155,– anzukündigen und/oder zu verkaufen. Der klagenden Partei trug es eine Sicherheitsleistung von S 200.000,— auf, die auch erlegt wurde. Den auf das Verbot der Ankündigung und/oder des Verkaufes (nur) des Buches „Oly. Innsbruck '76“ für sich allein gerichteten weiteren Sicherungsantrag wies das Erstgericht ab. Es ging bei dieser Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

Die Erstbeklagte betreibt in ganz Österreich Röstkaffee-Spezialgeschäfte. Die Zweitbeklagte ist Komplementär in der Erstbeklagten, der Drittbeklagte ist Geschäftsführer der Zweitbeklagten. Die Geschäfte der Erstbeklagten sind als E*-Filialen bezeichnet.

Die Erstbeklagte und der Drittbeklagte suchten bei der Gewerbebehörde darum an, daß dem Drittbeklagten die Nachsicht vom Befähigungsnachweis hinsichtlich der Ausübung des Buchhandelsgewerbes erteilt werde. Sie beantragten, die Gewerbeberechtigung allenfalls unter Festsetzung einer zeitlichen Einschränkung auf zwei Monate zweimal jährlich zu erteilen, weil die geplante Tätigkeit sich lediglich auf kurzfristige Aktionen der Erstbeklagten etwa während zweier Monate zweimal jährlich erstrecken solle; während dieser Zeiträume solle außerdem nicht ein ganzes Sortiment von Büchern, sondern nur jeweils ein einziges Sachbuch angeboten werden. Das Landesgremium Wien des Buchhandels und die Sektion Handel der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien nahmen zu diesem Ansuchen ablehnend Stellung.

Am 26. 2. 1976 meldete die Zweitbeklagte beim Magistratischen Bezirksamt Wien 11 die Ausübung des Gewerbes des Buch-, Kunst und Musikalienhandels mit dem Standort *, und die Bestellung des J* B*, Buchhändler, zum gewerberechtlichen Geschäftsführer an. Ferner wurden weitere Betriebsstätten in Wien und in den anderen Bundesländern bei der Gewerbebehörde angezeigt. J* B* ist in W* in der Buchhandlung H* in ungekündigter Stellung als Buchhändler seit 15. 8. 1975 beschäftigt.

Unmittelbar nach Beendigung der Olympischen Winterspiele 1976 in Innsbruck brachte der Molden‑Verlag ein von Thaddäus Podgorsky herausgegebenes Buch unter dem Titel „Olympische Winterspiele Innsbruck '76“ mit dem Untertitel „Offizielles Werk des österreichischen Olympischen Comites auf den Markt. Für dieses Buch wurde in zahlreichen Zeitungsannoncen geworben. Ein von Karl Schranz herausgegebenes Buch über diese Olympischen Spiele erschien im Verlag Austria Edition unter dem Titel „Olympische Winterspiele '76 Innsbruck“. Ein weiteres von Franz Grube und Gerhard Richter herausgegebenes Buch unter dem Titel „Das Goldene Olympiabuch Innsbruck 1976“ erschien im Verlag Hoffmann und Campe.

Seit Ende Februar 1976 werben die Beklagten durch Zeitungsannoncen und durch Plakate in den Kaffee-Spezialgeschäften der Erstbeklagten für den Verkauf des im Pamir-Verlag unter dem Titel „Oly. Innsbruck '76“ erschienenen Buchs von Annemarie Moser-Pröll, das laut diesen Ankündigungen zum Preis von S 99,– zusammen mit ½ kg Kaffee zum Preise von S 56,— abgegeben wird. Sowohl in den Zeitungsannoncen als auch in den Ankündigungen in den Kaffee-Spezialgeschäften der Erstbeklagten heißt es: „Das große Olympia-Buch von Annemarie Moser-Pröll mit mehr als 200 Seiten und mehr als 250 Farbbildern nur S 99,– beim Kauf von 2 x ¼ kg Gala Tropicana um S 56,—“. In den Zeitungsannoncen wird das gegenständliche Angebot als „das exclusive E*-Angebot“ bezeichnet. Es heißt darin abschließend: „Nur in E*-Filialen und Röstfrisch-Depots oder durch die Post: E*-KAFFEE, *“. Beim Verkauf werden das Buch und die beiden Kaffeepackungen zusammen in einer Verpackung zum Gesamtpreis von S 155,– abgegeben. Die Zahlung dieses Kaufpreises wird auf verschiedene Weise, und zwar entweder die Zahlung des gesamten Betrages von S 155,— auf einem Kassablock der Erstbeklagten oder die Zahlung der beiden Teilbeträge von S 56,— auf einem Kassablock der Erstbeklagten und S 99,— auf einem Kassablock der Zweitbeklagten bestätigt. Die Zweitbeklagte hat in einigen Kaffee-Spezialgeschäften der Erstbeklagten Tafeln mit folgendem Wortlaut aufgestellt: „Das große Olympia-Buch von Annemarie Moser-Pröll wird verkauft im Namen und für Rechnung der B* Ges.m.b.H. *, Buchhandel“. In der Zeitungswerbung und in der Werbung in anderen Kaffee-Spezialgeschäften der Erstbeklagten kommt jedoch in keiner Weise zum Ausdruck, daß der Verkauf des Buches durch die Zweitbeklagte erfolgt.

Das Olympiabuch des Molden-Verlages umfaßt 224 Seiten und ist durchwegs farbig illustriert. Das Buch des Pamir‑Verlages umfaßt 208 Seiten und ist in Papier‑ und Farbqualität etwas bescheidener hergestellt.

Der Wertunterschied auf Grund dieser Qualitätsdifferenzen liegt bei ca. 20 % Minderwert des Druckwerkes des Pamirverlages, ohne Berücksichtigung des immateriallen Mehrwertes durch Lokalgrößenbezogenheit.

Der Preis des Buches „Oly. Innsbruck '76“ weicht erheblich vom Marktpreis für Bücher ähnlicher Art und Ausstattung ab. Der Preis der Olympiabücher der Verlage Molden (S 296,–) Hoffmann und Campe (S 261,80) und Austria Edition (S 289,–) bewegt sich im Rahmen der üblichen Verlagskalkulationen; der Preis des Buches des Pamirverlages mit S 99,— liegt ganz erheblich darunter.

Das offizielle Werk des COC „Olympische Winterspiele Innsbruck '76“ des Molden‑Verlages wurde sehr stark beworben, insbesondere auch in Fernsehen und Radio vorgestellt, dem Herrn Bundespräsidenten offiziell übergeben und hat am Markt daher einen hohen Anwert. Das Druckwerk des Pamirverlages, wie es E* vertreibt, ist im Titel dem offiziellen Werk des ÖOC des Molden-Verlages nachempfunden, obwohl Parallelerzeugnisse der Verlage Hoffmann und Campe, Limpert, Austria Edition (Schranz) und Burda-Verlag ein solches Naheverhältnis im Titel deutlich durch andere Bezeichnungen vermeiden. Die Mitglieder des Gremiums führen mehrfach darüber Beschwerde, daß viele Kaufinteressenten für das offizielle Werk des ÖOC auf den Minderpreis des vermeintlich gleichen Werkes bei E* hinweisen. Am Markt geschieht daher offenbar eine Verwechslung dieser beiden Werke, ohne daß allerdings bei Nebeneinandersehen beider Werke eine Verwechslung leicht geschehen könnte.

In den letzten Jahren sind jeweils sowohl nach Sommerspielen wie auch nach Winterspielen Olympiabücher herausgekommen, und zwar regelmäßig alsbald nach Beendigung der jeweiligen Spiele. Diese Bücher hatten jeweils innerhalb der ersten sechs bis acht Wochen nach dem Ende der Olympischen Spiele eine starke Nachfrage, deren Kurve nach Ablauf dieser Frist relativ stark sinkt, sodaß etwa drei Monate nach Ende dieser Spiele der Bedarf und die Nachfrage nach solchen Werken weitgehend versandet.

In der äußeren Aufmachung unterscheidet sich das von den Beklagten vertriebene Buch des Pamirverlages wesentlich von den vorliegenden anderen Büchern über dasselbe Thema. Die Unterschiede gegenüber dem Buch des Molden-Verlages bestehen insbesondere in der Verschiedenheit des Titels („Oly. Innsbruck '76“, „Olympische Winterspiele Innsbruck '76“), wobei dem letzteren noch der Untertitel „Das offizielle Werk des Österreichischen Olympischen Comites“ beigefügt ist, in der Anführung des Herausgebers („Annemarie Moser-Pröll“, „Herausgegeben von Thaddäus Podgorsky“) und in der wesentlichen Verschiedenheit des Titelbildes, das zwar in beiden Fällen einen Skiläufer in der Bewegung zeigt, wobei jedoch die Art der Darstellung und die Farben völlig verschieden sind.

Die Erstbeklagte hat beim Pamirverlag am 18. 9. 1975 20.000 Exemplare des gegenständlichen Buches bestellt. Sie erhielt hierüber die Rechnung des Pamirverlages vom 25. 2. 1976 über einen Betrag von sfr 195.000,—. Der Stückpreis betrug sfr 9,75. Für Verzollung und Transport hatte die Erstbeklagte an die Speditionsfirma Kirchner & Co den Betrag von S 110.636,— zu bezahlen (Beilage 10).

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht unter Bezugnahme auf Baumbach-Hefermehl Wettbewerbs-und Warenzeichenrecht11 I 395 ff aus, bei dem von den Beklagten angekündigten, angebotenen und durchgeführten gemeinsamen Verkauf des gegenständlichen Buches mit ½ kg Kaffee handle es sich um ein offenes Koppelungsgeschäft, da die Einzelpreise der beiden Waren angegeben werden. Offene Koppelungsgeschäfte seien grundsätzlich zulässig, sofern nicht entweder ein zugabenrechtlicher Tatbestand vorliege oder besondere Umstände eine Sittenwidrigkeit und damit einen Verstoß gegen § 1 UWG begründeten. Von einem Verstoß gegen das Zugabengesetz im Sinne einer verschleierten Zugabegewährung könne im vorliegenden Fall nicht die Rede sein, da es sich bei dem Preis von S 99,– für das Buch keinesfalls um einen bloßen Scheinpreis handle und sogar bescheinigt sei, daß der von den Beklagten verlangte Preis über ihrem Einkaufspreis liege. Es handle sich hier vielmehr um ein Vorspannangebot. Der in der Klage erwähnte Fall, daß ausnahmsweise das Buch auf Verlangen auch allein verkauft werde, könne hier außer Betracht bleiben, da die gesamte Werbung der Beklagten auf die Koppelung der beiden Artikel abgestellt sei und auch die Beklagten in ihrer Gegenäußerung grundsätzlich von einem Koppelungsgeschäft ausgingen. Der Kunde könne daher grundsätzlich nur für den Fall, daß er die Hauptware – den Kaffee – kaufe, die besonders preisgünstige Vorspannware – das Buch – erwerben. Vorspannangebote seien grundsätzlich zulässig, wobei auch die Koppelung mit branchenfremden Waren nicht unlauter sei, selbst dann nicht, wenn eine solche Koppelung unüblich sei. Solche Vorspannangebote seien jedoch dann sittenwidrig, wenn durch den Reiz der Vorspannware der Kaufentschluß des Kunden verfälscht werde, wenn der Lockeffekt des Vorspannangebotes so stark sei, daß er das Urteil des Kunden trübe und ihn zum Kauf der Ware sachwidrig bestimme. Solche Werbepraktiken seien auch nicht damit zu rechtfertigen, daß sie für den Verbraucher vorteilhaft seien. Durch eine der Funktion des Wettbewerbes widersprechende Beeinflussung des Verbrauchers würden mittelbar die Mitbewerber beeinträchtigt, falls sie nicht gleiche Praktiken anwendeten. Durch die Gefahr der Nachahmung und der mit ihr verbundenen Übersteigerung werde der Wettbewerb von der Hauptware auf die branchen-und betriebsfremde Vorspannware verlagert. Solche Werbemethoden verstießen gegen § 1 UWG. Ob die Erstbeklagte oder die Zweitbeklagte als Verkäuferin des Buches auftrete, sei im vorliegenden Fall wettbewerbsrechtlich irrelevant. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin hinsichtlich des gegenständlichen Koppelungsverkaufes sei daher bescheinigt, sodaß die beantragte einstweilige Verfügung in diesem Umfang zu erlassen gewesen sei. Das Erstgericht erachtete jedoch im Hinblick darauf, daß nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Streitteile nur während eines kurzen Zeitraumes nach Beendigung der Olympischen Spiele eine starke Nachfrage nach Büchern der gegenständlichen Art bestehe, sodaß durch die Verhinderung des Verkaufes in der von den beklagten Parteien geplanten Form diesen ein erheblicher Schaden entstehen könnte, die Auferlegung einer Sicherheitsleistung gemäß § 390 Abs 2 EO an die klagende Partei in Höhe von S 200.000,– für gerechtfertigt.

Der weitere Anspruch der klagenden Partei auf Unterlassung der Ankündigung oder des Verkaufes des gegenständlichen Buches allein, ohne Koppelung mit einem Verkauf von Kaffee, sei hingegen nicht bescheinigt. Würde das Buch allein ohne solche Koppelung angekündigt oder so verkauft, so würde der Charakter als Vorspannartikel, welcher im vorliegenden besonderen Fall den Kaufentschluß des Kunden verfälsche und deshalb die Wettbewerbswidrigkeit des Vorgehens der Beklagten begründe, wegfallen. Auch wenn dieser Verkauf ohne irgendeine Koppelung mit dem Kaffeeverkauf durch die Zweitbeklagte in den Kaffee-Spezialgeschäften der Erstbeklagten erfolgte, könnte darin keine Sittenwidrigkeit erblickt werden. Es handle sich nicht um ein Geschenk; der Kunde, der einen wenngleich günstigen Preis von S 99,— für ein solches Buch bezahle, werde sich nicht moralisch verpflichtet fühlen, deshalb auch Kaffee zu kaufen, sodaß auch kein psychologischer Kaufzwang angenommen werden könne.

Eine Verwechslungsgefahr mit dem Buch des Molden-Verlages bestehe nicht. Ob dieses Verkehrsgeltung erlangt habe, könne dahingestellt bleiben. Der Titel des Buches sei jedenfalls sehr wenig kennzeichnungskräftig und die weitgehende Ähnlichkeit von Buchtiteln über diesen Gegenstand durch diesen selbst bedingt. Es genügten daher schon verhältnismäßig geringe Abweichungen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Die Unterschiede zwischen den Titeln „Olympische Winterspiele Innsbruck '76“ und „Oly. Innsbrück '76“ seien allein schon groß genug, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Dazu kämen noch die festgestellten weiteren Verschiedenheiten, insbesondere der auf dem Buchumschlag deutlich erkennbare Hinweis auf die verschiedenen Herausgeber. Schließlich komme noch hinzu, daß die Beklagten ihre Werbung gar nicht auf den Titel „Oly. Innsbruck '76“, sondern auf den Namen Annemarie Moser-Pröll und die Bezeichnung des Buches als „das große Olympiabuch“ abgestellt haben. Von einem „Anhängen“ an die Werbung des Molden-Verlages könne somit auch nicht gesprochen werden. Die mindere Qualität des von den Beklagten vertriebenen Buches gegenüber dem Buch des Molden-Verlages spiele hier wettbewerbsrechtlich keine Rolle. Von einer Irreführung der Interessenten könne schon deshalb keine Rede sein, weil auch nach dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten das von den Beklagten vertriebene Buch auch unter Berücksichtigung seiner gegenüber dem Buch des Molden-Verlages minderen Qualität noch außergewöhnlich preisgünstig sei.

Auch ein wettbewerbsrechtlich relevanter Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften sei nicht bescheinigt. Die Zweitbeklagte habe die Ausübung des Buchhandelsgewerbes angemeldet und einen gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt, der die gesetzlichen Voraussetzungen aufweise. Nach § 39 Abs 2 und 3 GewO müsse der Geschäftsführer in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen und dies auch tatsächlich tun. Im Hinblick darauf, daß die Tätigkeit der Zweitbeklagten auf dem Gebiet des Buchhandels sich auf den Vertrieb eines einzigen Buches beschränke, schließe die Beschäftigung des bestellten Geschäftsführers in einem anderen Betrieb nicht aus, daß er sich der so eingeschränkten Ausübung des buchhändlerischen Gewerbes der Zweitbeklagten im erforderlichen Umfang widme. Die Frage, ob ein allfälliger Verstoß gegen § 39 Abs 2 und 3 GewO im vorliegenden Fall auch einen Wettbewerbsverstoß darstellen würde, brauche daher nicht erörtert zu werden.

Von einer sitten- und wettbewerbswidrigen Marktverstopfung durch die Bücherverkäufe der Beklagten könnte nur dann gesprochen werden, wenn es sich tatsächlich um ein Verschleudern der Ware, also ein andauerndes Verkaufen derselben unter dem Einstandspreis, handelte. Es sei aber bescheinigt, daß der Verkauf über dem Einstandspreis erfolgte. Aus diesen Erwägungen sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Das Rekursgerieht gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht, wohl aber dem Rekurs der Beklagten Folge und wies den Antrag der klagenden Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze ab. Zum Rekurs der Beklagten führte das Rekursgericht aus, daß es grundsätzlich die rechtlichen Darlegungen des Erstgerichtes billige, aber von den Beklagten mit Recht geltend gemacht werde, es fehle eine Begründung dafür, weshalb die an sich richtigen Ausführungen des Erstgerichtes über die Sittenwidrigkeit gewisser Vorspannangebote auf den vorliegenden Fall zutreffen. Es sei offengeblieben, warum der Lockeffekt des angebotenen und vertriebenen Buches so groß sein soll, daß dadurch der Kaufentschluss der Kunde in sachwidriger Weise beeinflusst werde. Der Nachweis dafür, daß sich Kunden zum Kauf von Kaffee entschlossen haben, obgleich sie ihn gar nicht benötigten, nur um das angebotene Buch zu erhalten, sei bisher nicht erbracht worden. Die Tatsache, daß das Buch preisgünstig angeboten wurde, rechtfertige für sich allein diese Annahme noch nicht, weil dies ein Merkmal jeder Vorspannware sein müsse. Es sei nicht dargelegt, daß die Grenze des bei offenen Koppelungsgeschäften immer vorhandenen Lockeffektes im vorliegenden Fall in sittenwidriger Weise überschritten worden seien, es liege insbesondere kein sittenwidriges Preisunterbieten vor.

Gegen den abändernden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die klagende Partei beruft sich zu Recht auf die Ausführungen bei Baumbach-Hafermehl Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht11 I 396 f, wonach Vorspannangebote zwar auch dann, wenn die Warenverbindung unüblich ist, grundsätzlich zulässig, aber dann sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG sind, wenn der Lockeffekt des Vorspannangebotes so stark ist, daß er das Urteil des Konsumenten trübt und ihn zum Kauf der Ware sachwidrig bestimmt. Hiebei ist nicht erforderlich, daß der Konsument die Ware kauft, obgleich er sie gar nicht benötigt, sondern daß der Lockeffekt geeignet ist, den Konsumenten wegen des übersteigerten Anreizes zum Erwerb des Vorspannartikels ohne sachliche Prüfung der angebotenen „Hauptware“ zu deren Kauf zu bewegen, um den besonders günstig erscheinenden Vorspannartikel erwerben zu können. Dies führt zu der Gefahr, daß durch Nachahmung dieser Werbemethode durch Mitbewerber und die damit verbundene Übersteigerung der Wettbewerb von der Hauptware auf branchen- und betriebsfremde Vorspannware verlagert wird. Solche Werbemethoden sind sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG.

Daß es sich im vorliegenden Fall bei dem angepriesenen Buch entgegen den Ausführungen der Beklagten in ihrem Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes um eine Vorspannware und beim zugleich angebotenen Kaffee um die „Hauptware“ handelte, ergibt sich deutlich aus dem Umstand, daß nur das Buch und nicht auch der Kaffee zu einem besonders günstigen Preis angeboten wurden und die Beklagten den Buchhandel offenbar – wie die Begründung ihres gewerberechtlichen Ansuchens zeigt – nur während eines beschränkten Zeitraumes – etwa 2 x 2 Monate jährlich – und unter Beschränkung jeweils auf ein einziges Sachbuch tatsächlich ausüben wollen. Dafür, daß der Buchhandel für die Beklagten an sich von untergeordneter Bedeutung ist, spricht auch, daß der für diesen Geschäftszweig bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer in einer anderen Buchhandlung beschäftigt ist. Die Eignung des Buchangebotes, einen übersteigenden Kaufanreiz auszuüben und zu einem Bezug der Hauptware ohne jede sachliche Prüfung zu verleiten, ergibt sich nicht nur aus der bescheinigten Tatsache, daß der Preis ganz erheblich gegenüber jenem Preis herabgesetzt wurde, der für Bücher dieser Art sonst üblich ist, sondern auch aus dem Zeitpunkt, zu dem dieses Buchangebot gemacht wurde. Dieser Zeitpunkt steht allerdings einer Wiederholungsgefahr nicht entgegen, wenn auch das Interesse an Büchern über Olympische Spiele mit Ende dieser Spiele verhältnismäßig rasch nachläßt. Dadurch wird nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, daß das Interesse am angebotenen Buch aus einem ähnlichen aktuellen Anlaß – bei etwaigen neuerlichen herausragenden Erfolgen der Herausgeberin Annemarie Moser-Pröll, deren Name, auf den die Werbung besonders abgestellt war, in diesem Falle wieder eine besondere Zugkraft für den Erwerb des Buches ausüben könnte – oder bei entsprechender Werbung wieder so steigt, daß ein übersteigerter Lockeffekt des Vorspannartikels eintritt. Es ist daher die Auffassung zu teilen, daß im vorliegenden Fall die zulässige Grenze des bei Koppelungsgeschäften wohl immer vorhandenen Lockeffektes entgegen der Meinung des Rekursgerichtes überschritten wurde. Da ausreichende Anhaltspunkte für den Wegfall einer Wiederholungsgefahr nicht gegeben sind, ist der erhobene Unterlassungsanspruch in diesem Umfang bescheinigt, sodaß insoweit die zu seiner Sicherung beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen und somit die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 393 EO.

 

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