European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00333.76.0525.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Untergerichte werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es zu unterlassen, einen Einkaufsführer durch Wien mit der Bezeichnung „Shopping 75 Wien, Vienna, Vienne, Viena“ oder einem ähnlichen Titel herauszugeben, der mit der Bezeichnung „Shopping in Wien, Vienna, Vienne“ verwechselbar ist und im Inneren neben Hinweisen auf Einkaufsmöglichkeiten nach Straßen geordnete Reklamen für Firmen der Geschäfts- und Einkaufsstraßen enthält, abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.177,20 S (einschließlich 395,20 S Umsatzsteuer und 842 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 2.399,52 S (einschließlich 155,52 S Umsatzsteuer und 300 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer, Herausgeber und Verleger des periodischen Druckwerkes „Shopping in Wien, Vienna, Vienne“, das den Zweck habe, ausländische Touristen über die Einkaufsmöglichkeiten in Wien zu orientieren und den einschlägigen Geschäften eine gezielte Werbung zu ermöglichen. Der Titel des Druckwerkes sei als Marke beim österreichischen Patentamt mit Wirkung vom 3. September 1971 eingetragen. Die beklagte Partei beabsichtige, ein gleichartiges Druckwerk mit dem Titel „Shopping 75 Wien, Vienna, Vienne, Viena“ herauszugeben. Damit verletze die beklagte Partei die Bestimmungen des Markenschutzgesetzes und des UWG, insbesondere dessen §§ 1 und 9.
Die beklagte Partei bestritt, einen Einkaufsführer unter der angeführten Bezeichnung herausgebracht zu haben oder diese Bezeichnung bei auf die Herausgabe eines solchen gerichteten Vorbereitungsarbeiten verwendet zu haben. Die Herstellung eines gleichartigen Einkaufsführers sei nicht wettbewerbswidrig. Die gewählte Bezeichnung sei mit der Marke des Klägers nicht verwechslungsfähig; beide Bezeichnungen gäben nur den Inhalt des Druckwerkes an.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest:
Der Kläger ist Inhaber der am 6. April 1971 angemeldeten und am 15. September 1971 durch das österreichische Patentamt, Markenregister, zu Register Nr. * eingetragenen Wortmarke:
„A*
Shopping in Wien
Vienna, Vienne“.
Er gibt eine Zeitschrift heraus, die auf der Titelseite die Aufschrift „Shopping in Wien Vienna Vienne“ trägt und ihn als Eigentümer, Herausgeber und Verleger sowie für den Inhalt verantwortlich ausweist.
Diese Zeitschrift enthält neben einem Plan der Inneren Stadt Wiens eine Beschreibung der wichtigsten Geschäftsstraßen Wiens mit Stadtansichten und der Angabe einer Reihe von Geschäften nach Hausnummern geordnet. Daneben sind Inserate eingeschaltet. Die Texte sind in deutscher, englischer und französischer Sprache verfaßt.
Der Beklagte verhandelte mit dem Kläger am 30. Mai 1974, wobei er ihn um die Bekanntgabe des Preises von 200.000 Stück seiner Broschüre „Shopping in Wien“ in direktem Fortdruck bat. Diese Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis.
Der Beklagte richtete an verschiedene Geschäftsleute, darunter an eine Buch- und Kunstdruckerei in *, das Schreiben vom 20. Februar 1975 folgenden Inhaltes:
„Sehr geehrte Herren!
In der Fremdenverkehrsenquete 1974 wurde von der Wiener Handelskammer eine stärkere Kooperation des Fremdenverkehrsverbandes für Wien mit der Wirtschaft angeregt.
Der Fremdenverkehrsverband wird im Rahmen dieser Empfehlung einen Einkaufsführer für Wien in einer Auflage von 200.000 Stück herausgeben, die Hälfte davon in englischer Sprache. Der Führer wird 48 Seiten mit vierfarbigem Umschlag und Insertionsteil umfassen, und neben Empfehlungen hinsichtlich des Einkaufs auch Wiener Geschäftsstraßen beinhalten. Die Geschäfte werden namentlich mit Angabe der geführten Warengattung genannt. Kosten werden hiefür nicht berechnet. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, eine bezahlte Einschaltung auf der gegenüberliegenden Seite (siehe beiliegende Skizze) vorzunehmen. Wir ersuchen Sie, den anliegenden Fragebogen innerhalb einer Woche ausgefüllt an uns zu retournieren, auch wenn Sie an einem Inserat nicht interessiert sind, da sonst Ihre Firma nicht aufscheinen kann. Wegen einer bezahlten Einschaltung würde sich in Kürze die Firma B* mit Ihnen in Verbindung setzen, die wir mit der Inseratenakquisition beauftragt haben.
Der Einkaufsführer wird über die Wiener Hotellerie der gehobenen Klasse kostenlos abgegeben, um ein möglichst kaufkräftiges Publikum zu erreichen, darüber hinaus aber auch an alle 54 Zweigstellen der österreichischen Fremdenverkehrswerbung im Ausland verteilt. Wir hoffen auf Ihre Mitarbeit und danken im voraus für jede Unterstützung bei der Herstellung dieses für die Wirtschaft wertvollen Behelfs, der dazu beitragen wird, Wien noch mehr als eine „Stadt zum Einkaufen“ bekannt zu machen.
Anlage: 1 Fragebogen
1 Skizze mit Tarif …“.
Der Fragebogen für Wiener Einkaufsführer, ein hektografiertes Formular mit der Bitte um Retournierung innerhalb einer Woche an den Beklagten, enthält die Rubriken: Firmenname, Anschrift, Telefon, Geschäftsinhaber, Warengattung und eine Erklärung: „Wir sind an einer bezahlten Einschaltung (nicht) interessiert.“
Die sogenannte „Skizze mit Tarif“ trägt auf der Titelseite die Aufschrift: „shopping 75 Wien, vienna, vienne, viena“. Diese Skizze zeigt weiters das Bild einer mit Paketen beladenen Dame und den Text: „Anzeigenpreisliste“. Auf der Rückseite sind die Anzeigenpreise enthalten. Die dritte Seite weist unter der Überschrift „Planabschnitt I ...“ eine schematische Darstellung der Kärntnerstraße mit Seitengassen auf, wobei den jeweiligen Hausnummern der Straße die dort etablierten Geschäfte mit kurzer Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes beigesetzt sind.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 9 Abs. 1 UWG zustehe, weil die Unterschiede zwischen der Marke des Klägers und der vom Beklagten gewählten Bezeichnung so gering seien, daß eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden könne. Da die beklagte Partei beabsichtige, ihr Produkt unter der Bezeichnung „Shopping 75 Wien, Vienna, Vienne, Viena“ herauszugeben, sei eine vorbeugende Unterlassungsklage berechtigt. Die Herausgabe eines gleichartigen Produktes unter einer anderen Bezeichnung werde ihr damit ohnehin nicht verboten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, 50.000 S übersteigt.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es – allenfalls auch das Urteil des Erstgerichtes – aufzuheben.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Nach § 9 Abs. 1 und 5 UWG kann unter anderem derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der im geschäftlichen Verkehr die besondere Bezeichnung eines Druckwerkes, für das § 80 Urheberrechtsgesetz nicht gilt, in einer Weise benützt, die geeignet ist, Verwechslungen mit der besonderen Bezeichnung oder der Marke hervorzurufen, deren sich ein anderer befugterweise bedient. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist nicht eine zergliedernde Betrachtung der einzelnen Bestandteile vorzunehmen. Es kommt vielmehr immer auf den Gesamteindruck der besonderen Bezeichnung oder der Marke an, den ein wenigstens nicht ganz unbeträchtlicher Teil des angesprochenen Publikums davon im geschäftlichen Verkehr empfängt. Hiebei ist zu berücksichtigen, daß der Durchschnittsinteressent fast nie beide Bezeichnungen gleichzeitig wahrnimmt, sondern ein mehr oder weniger verschwommenes Erinnerungsbild mit einem Wahrnehmungsbild vergleicht und daß regelmäßig an die Aufmerksamkeit des Durchschnittsinteressenten in der Eile des Alltags keine all zu großen Anforderungen gestellt werden können (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 50, ÖBl 1975 110, 1974 35, 1973 106, 1972 72, 4 Ob 324/75, 4 Ob 317/76 u.a.). Eine Verwechslungsgefahr ist anzunehmen, wenn der Anschein erweckt wird, daß die unter Verwendung der beanstandeten Bezeichnung vertriebene Ware aus dem Unternehmen der geschützten Bezeichnung oder aus einem solchen stammt, das mit diesem durch einen besonderen Zusammenhang wirtschaftlicher oder organisatorischer Art verbunden ist (4 Ob 360/74, 4 Ob 332/75, 4 Ob 317/76 u.a.). Bei Wortbezeichnungen ist eine Verwechslungsgefahr dann gegeben, wenn sie entweder nach dem Wortsinn, dem Wortbild oder dem Wortklang einander so nahe kommen, daß Verwechslungen im geschäftlichen Verkehr entstehen können. Es genügt also schon die Verwechslungsgefahr nach einem dieser Gesichtspunkte (Hohenecker-Friedl a.a.O. 50, ÖBl 1972 69, 72, 4 Ob 332/75, 4 Ob 317/76 u.a.). Es genügt auch schon die objektive Verwechslungsmöglichkeit; darauf ob Verwechslungen tatsächlich vorgekommen sind, kommt es nicht an (ÖBl 1973 133, 1972 69, 1971 154, 4 Ob 368/75, 4 Ob 317/76 u.a.). Schutzunfähige oder schwache Zeichen tragen im allgemeinen – wenn überhaupt – nur wenig zum Gesamteindruck eines Zeichens bei, wenn sie auch im Einzelfall – vor allem in Verbindung mit anderen Elementen – den Gesamteindruck des Zeichens als ganzen beeinflussen können. Auch hier kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an (ÖBl 1975 114, 4 Ob 343/75, 4 Ob 334/75, 4 Ob 332/75 u.a.).
Aus diesen Grundsätzen folgt zunächst, daß die Untergerichte im vorliegenden Fall zu Unrecht angenommen haben, die beanstandete Bezeichnung, deren Gebrauch der beklagten Partei verboten werden soll („Shopping 75, Wien, Vienna, Vienne, Viena“ oder ähnlich), sei mit der Marke des Klägers verwechselbar ähnlich. Zutreffend verweist nämlich die beklagte Partei darauf, daß bei der Prüfung der verwechselbaren Ähnlichkeit der Gesamteindruck der beanstandeten Bezeichnung und der Gesamteindruck des vollen Wortlautes der geschützten Marke („A* Shopping in Wien, Vienna, Vienne“) gegenüber gestellt werden müssen. Diese Gegenüberstellung ergibt, daß in der beanstandeten Bezeichnung der kennzeichnungskräftige Teil der Marke des Klägers, nämlich sein Vor- und Zuname, nicht enthalten ist; die beanstandete Marke besteht vielmehr nur aus den restlichen Teilen der Marke des Klägers (Shopping ... Wien, Vienna, Vienne,) wobei das Wort „in“ durch die gekürzte Jahreszahl („75“) ersetzt und das Wort „Viena“ an die übereinstimmenden Wörter angefügt wird. Diesen Wörtern kommt aber keine Kennzeichnungskraft zu. Sie haben keine bestimmungsgemäße Eignung, das Erzeugnis des Klägers von anderen gleichen oder gleichartigen Erzeugnissen zu unterscheiden. Sie geben nur den Inhalt des Druckwerkes an. Das Wort „Shopping“ ist nur die Angabe des Inhaltes dieses Druckwerkes, nämlich eines Verzeichnisses von Einkaufsmöglichkeiten. Das Wort „Wien“ und die fremdsprachigen Übersetzungen dieses Wortes geben nur den Ort dieser Einkaufsmöglichkeiten an, sagen also auch nur über den Inhalt des Werkes aus, ohne eine Unterscheidungskraft des Werkes selbst von anderen derartigen Werken zu haben. Diese Angabe ist eine geradezu zwangsläufige Folge des Inhaltes des Werkes wie etwa bei einem Reiseführer angegeben ist, welches Land, welche Stadt oder welchen Erdteil er behandelt. Solchen Beschreibungen kommt aber weder markenrechtliche Kennzeichnungskraft noch die Eigenschaft einer nach § 9 Abs. 1 UWG geschützten „besonderen Bezeichnung“ des Druckwerkes zu, da diese etwas Besonderes, etwas „Individuelles“ an sich haben muß und sich nicht auf eine bloße Angabe des Inhaltes des Druckwerkes oder die unerläßliche Angabe des Gebietes, auf das sich der Inhalt des Druckwerkes bezieht, beschränken darf (Hohenecker-Friedl, a.a.O. 45, Baumbach-Hefermehl Wettbewerbsrecht I11, 1163 f, 1222 f, 1224, 1228 ff, SZ 28/78, 23/28, ÖBl 1974 139, 1965 66, 1957 58, 1956 11 u.a.).
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Wort „Shopping“ und die Übersetzungen der Ortsangabe „Wien“ fremden Sprachen angehören. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Wort eine beschreibende Angabe ist, kommt es nämlich nicht darauf an, ob es der deutschen Sprache angehört oder nicht (Hohenecker-Friedl a.a.O. 178). Überdies ist zu berücksichtigen, daß sich das Druckwerk nach den Angaben der klagenden Partei an „ausländische Touristen“ wendet, also vielfach an Leute, die der englischen Sprache mächtig sind, und das Wort Shopping auch im deutschen Sprachraum, etwa in der Zusammensetzung „Shopping‑Center“ als Bezeichnung für ein „Einkaufszentrum“ weitgehend verwendet wird (siehe Brockhaus, Enzyklopädie Band 17 S. 369, Herders Fremdwörterbuch 458). Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß dieses Wort wegen eines vom gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichenden Gebrauches Unterscheidungskraft habe (ÖBl 1972 97, 1964 102 u.a.).
Daraus folgt, daß die in der beanstandeten Bezeichnung enthaltenen Teile der Marke des Klägers deren Gesamteindruck so wenig beeinflussen, daß wegen des unterscheidungskräftigen Teiles („A*“) die Gefahr einer Verwechslung dieser Marke mit der beanstandeten Bezeichnung zu verneinen ist. Da jenen Teilen, die vom Kläger auf der Titelseite seines Druckwerkes als Aufschrift verwendet werden („Shopping … Wien, Vienna, Vienne“) die Eignung einer besonderen Bezeichnung eines bestimmten Druckwerkes, welcher der Schutz des § 9 UWG bereits mit Beginn des Gebrauches als „besondere Bezeichnung" zukäme (Hohenecker-Friedl a.a.O. 45, Baumbach-Hefermehl a.a.O. 1163 f), fehlt, könnten diese, sofern sie nicht überhaupt als absolut schutzunfähig angesehen werden, diesen Schutz nur bei entsprechender Verkehrsgeltung erlangen (Baumbach‑Hefermehl a.a.O. 1164, 1230, SZ 23/28, ÖBl 1974 139, 1972 15, 17, 1970 151, 1965 66, 4 Ob 313/75 u.a.). Eine solche hat aber der Kläger im Verfahren erster Instanz nicht behauptet.
Er hat daher keinen Anspruch gegen die beklagte Partei darauf, die Verwendung der von ihm beanstandeten Bezeichnung zu unterlassen. Daß der beklagten Partei nicht schlechthin die Herausgabe eines dem Druckwerk des Klägers gleichartigen Druckwerkes verboten werden kann, hat bereits das Erstgericht mit Recht angenommen. Dies ist im Rechtsmittelverfahren auch nicht mehr strittig.
Es waren daher in Stattgebung der Revision der beklagten Partei die Urteile der Untergerichte im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz stützt sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Revisionsverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO. Zu bemerken ist, daß die im Provisorialverfahren unterlegene beklagte Partei wegen des Obsiegens in der Hauptsache Anspruch auf Ersatz der Kosten des Provisorialverfahrens hat (Fasching ZP II 315). Für das Berufungsverfahren wurden von der beklagten Partei Kosten nicht verzeichnet, sodaß solche nicht zuzusprechen waren (§ 54 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)