European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00199.24D.0522.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Zweitbeklagte ist ein 1999 gegründeter gemeinnütziger Verein. Die Klägerin wurde 2004 gegründet, um Förderkredite aufzunehmen und an den Zweitbeklagten auszuschütten. Der Geschäftsführer der Klägerin, *, war bis Februar 2019 auch Präsident des Zweitbeklagten.
[2] Für die Klägerin ist die Wortmarke OSTEOMYCIN 1. als österreichische Marke für die Klasse 5 mit dem Anmeldedatum 17. 7. 2006 und 2. als Unionsmarke für die Klassen 1, 5 und 10 mit dem Anmeldedatum 11. 7. 2008 eingetragen.
[3] Jedenfalls seit 27. 11. 2018 wurden intensive Diskussionen darüber geführt, wer tatsächlich Markeninhaber sei.
[4] Die Klägerin als Lizenzgeberin kündigte am 7. 6. 2019 ihre Lizenzvereinbarung für die Marke OSTEOMYCIN mit dem Zweitbeklagten als Lizenznehmer. Der Beklagtenvertreter antwortete am 26. 6. 2019, dass die Kündigung rechtswidrig sei und die Lizenzkosten weiterhin bezahlt würden. Tatsächlich verrechnete die Klägerin dem Zweitbeklagten monatlich 1.800 EUR brutto für Markenrechte. Ob diese Beträge bezahlt wurden, kann aber nicht festgestellt werden.
[5] Die Erstbeklagte meldete am 7. 8. 2019 die Unionswortmarke OSMYCIN für Klasse 5 an.
[6] Der Zweitbeklagte beendete seine Nutzung der Marke OSTEOMYCIN spätestens mit 31. 7. 2020.
[7] Der Geschäftsführer der Klägerin war auch Geschäftsführer bei der * GmbH (in der Folge: Gemeinschuldnerin). Mit schriftlicher Vereinbarung vom 19. 3. 2021 trat die Masseverwalterin im Konkurs der Gemeinschuldnerin die Markenrechte an „Osteopur“, „OsteomycinV“ und „OsteomycinT“ an die Erstbeklagte ab. Sie wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Gemeinschuldnerin nicht im Markenregister als Inhaberin eingetragen sei und der Masseverwalterin keine Informationen über eine Abtretung der Markenrechte von der Klägerin an die Gemeinschuldnerin vorlägen.
[8] Es liegt keine schriftliche Vereinbarung vor, die den Übergang der Unionsmarke und der nationalen Marke OSTOEMYCIN festhält.
[9] Der übrige Sachverhalt im Ersturteil beschränkt sich auf die Wiedergabe von Passagen aus im Verfahren vorgelegten Urkunden, die jedoch von Personen verfasst oder unterfertigt wurden, für die keinerlei Vertretungsbefugnis für die Klägerin festgestellt ist.
[10] Die Klägerin begehrte, 1. den Beklagten die kennzeichenmäßige Verwendung von OSMYCIN und verwechselbar ähnlichen Bezeichnungen für pharmazeutische Erzeugnisse oder gleichartige Waren zu untersagen; 2. die Beseitigung aller Gegenstände mit der Aufschrift OSMYCIN; 3. Rechnungslegung für die Verwendung von OSMYCIN und 4. Zahlung angemessenen Entgelts dafür; sowie 5. Urteilsveröffentlichung. Die Klägerin habe früher in Kooperation mit den beiden Beklagten und der späteren Gemeinschuldnerin unter der Bezeichnung OSTEOMYCIN ein pharmazeutisches Produkt vermarktet. Konkret handle es sich um mit Antibiotikum angereichertes Knochengewebe, das zB bei Austausch von infizierten Implantaten (wie Hüft- oder Knieendoprothesen) eingesetzt werde. Die Klägerin habe die Zusammenarbeit mit den Beklagten inzwischen aber beendet und ihre Lizenzvereinbarung mit dem Zweitbeklagten für die Marke OSTEOMYCIN per 31. 7. 2019 aufgekündigt. Die Beklagten würden trotzdem noch immer dasselbe pharmazeutische Produkt herstellen und vertreiben, nun aber unter der Bezeichnung OSMYCIN. Die OSTEOMYCIN-Produkte seien schon seit 2010 auf dem Markt und würden aufgrund ihrer Alleinstellung große Bekanntheit genießen, der Marke OSTEOMYCIN komme deshalb erhöhte Kennzeichnungskraft zu. Da das von der Kooperation unter der Marke OSTEOMYCIN vertriebene Produkt lange das einzige zur Transplantation bestimmte Knochengewebe mit Antibiotikaanreicherung auf dem Markt gewesen sei, sei Krankenhauspersonal im Hinblick auf die genaue Bezeichnung aber nicht besonders aufmerksam gewesen. Beispielsweise sei in einer Klinik in Wien ein Wechsel auf das Produkt der Beklagten unter der Bezeichnung OSMYCIN monatelang niemandem aufgefallen.
[11] Die Beklagten wandten ein, dass die Klägerin einerseits und die Beklagten andererseits nicht im gleichen Geschäftsfeld tätig seien. Die Klägerin verfüge gar nicht über die erforderlichen Bewilligungen, um selbst pharmazeutische Produkte herzustellen oder zu vertreiben, sodass der Klägerin durch das Verhalten der Beklagten kein Wettbewerbsnachteil entstehe. Im Übrigen weise die Eintragung im Markenregister hier nicht die tatsächliche Rechteinhaberin von OSTEOMYCIN aus: Die Klägerin habe ihre Markenrechte nämlich noch während der Kooperation an die spätere Gemeinschuldnerin abgetreten. Die Erstbeklagte habe die Markenrechte inzwischen aus der Konkursmasse der Gemeinschuldnerin gekauft. Außerdem bestehe auch keine Verwechslungsgefahr zwischen OSTEOMYCIN und OSMYCIN, weil die Zeichen geringe Kennzeichnungskraft besäßen. Dem ausschließlich angesprochenen medizinischen Fachpublikum sei sofort klar, dass „Os“ Knochen und „Mycin“ einen Antibiotikabestandteil benenne. Die Klägerin könne sich auch nicht auf eine Bekanntheit der Marke berufen, weil die Kooperation OSTEOMYCIN in einer Verpackung vermarktet habe, auf der die Klägerin gar nicht aufgeschienen sei. Die Klägerin habe ihre Marke überhaupt nie selbst benutzt.
[12] Das Erstgericht wies alle Klagebegehren mangels Aktivlegitimation der Klägerin ab. Nationale und Unionsmarken könnten frei übertragen werden, die Eintragung des Rechtsübergangs im Markenregister sei bloß deklarativ. Auch ohne ausdrückliche schriftliche Vereinbarung würden wesentlich umfangreichere Beweise dafür sprechen, dass die Klägerin die Marke OSTEOMYCIN bereits 2016 in die spätere Gemeinschuldnerin eingebracht habe.
[13] Das Berufungsgericht gab den Begehren auf Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung mit Teilurteil statt. Über das als Stufenklage gestaltete Zahlungsbegehren sei noch nicht zu entscheiden. Aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt lasse sich keine Willensübereinkunft zur Übertragung der Markenrechte an OSTEOMYCIN von der Klägerin an die spätere Gemeinschuldnerin ableiten. Der Bedeutungsinhalt der festgestellten Textpassagen aus Gesprächsprotokollen, Kooperationsverträgen und Korrespondenz sei nicht eindeutig. Statt auf eine Übertragung der Markenrechte könnten sich die Textstellen auch auf eine bloße Einräumung von Markennutzungsrechten oder anderer IP-Rechte wie die Patente der Klägerin beziehen. Die Dokumente seien mit * zwar teils von einer Person unterschrieben worden, die auch eine Organstellung bei der Klägerin gehabt habe, jedoch immer nur namens anderer an der Kooperation beteiligter juristischer Personen, wie zB namens der Gemeinschuldnerin. Die Klägerin sei daher aktivlegitimiert, Ansprüche wegen Markenverletzung geltend zu machen. Das Erstgericht habe das Verfahren nicht auf die Aktivlegitimation eingeschränkt, sodass das Berufungsgericht bereits über die Berechtigung der Klagebegehren entscheiden könne. Die relevanten Verkehrskreise für Medikamente gegen Knochenentzündungen wären vor allem, aber nicht ausschließlich medizinisches Fachpersonal. Zwar würden selbst Laien pharmazeutischen Produkten eine gesteigerte Aufmerksamkeit widmen. Aufgrund der hochgradigen Zeichenähnlichkeit (erste, vorletzte und letzte Silbe ident; ähnliches Schriftbild; Bedeutung „os“ und „osteo“ = Knochen und „mycin“ = englisches Suffix für Antibiotika auf Pilzbasis) und der Produktnähe (ähnliche, wenn nicht sogar idente Wirkungen und Einsatzbereiche) bestehe Verwechslungsgefahr trotz des nur geringen Kennzeichnungsgrades. Die Klägerin habe die Marke genutzt, indem sie dem Zweitbeklagten eine Lizenz gewährt habe. Auf ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten komme es entgegen der Ansicht der Beklagten bei Markenverletzungen nicht an. Aus der Markenverletzung folge die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens und auch der übrigen, inhaltlich unstrittigen Begehren. Daein Anspruch auf angemessenes Entgelt nach § 53 MSchG kein Verschulden voraussetze, gelte dies insbesondere auch für das Rechnungslegungsbegehren.
[14] Die außerordentliche Revision der Beklagten zielt auf die Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils ab.
[15] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurück- oder abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[16] Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil im Sinn der Rechtseinheit und Rechtssicherheit eine Korrektur im Einzelfall erforderlich ist; sie ist im Sinn des Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.
[17] 1. Die Beklagten machen unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend, dass Unionsmarken – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch ohne schriftliche Vereinbarung übertragen werden könnten.
[18] 1.1. Richtig ist zwar, dass das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung unter Hinweis auf Art 20 Abs 3 UMV ausführt, dass die Übertragung von Unionsmarken einer schriftlichen Vereinbarung bedürfe.
[19] 1.2. Dies ist jedoch nicht der (einzige) Grund für die Abänderung des Ersturteils. Vielmehr ging das Berufungsgericht schon grundlegender davon aus, dass sich aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt überhaupt keine (Willens-)Übereinkunft zwischen der Klägerin und der späteren Gemeinschuldnerin bzw zwischen für diese GmbHs jeweils handelnden (und vertretungsbefugten) Personen entnehmen lasse, dass die Klägerin ihre Rechte an der Marke OSTEOMYCIN an die spätere Gemeinschuldnerin übertrage.
[20] Der Senat teilt diese Rechtsansicht:
[21] 1.2.1. Das Recht an einer österreichischen Marke kann gemäß § 11 Abs 1 MSchG seit Aufhebung der Unternehmensbindung durch die MarkenrechtsNov 1999 zwar auch ohne das Unternehmen, in dem es verwendet wurde, frei übertragen werden (sog „Leerübertragung“; Grünzweig, Markenrecht: Praxiskommentar [11. Lfg 2018] § 11 MSchG Rz 9). Eine solche Schutzrechtsübertragung setzt jedoch ein schuldrechtliches Grundgeschäft und eine dingliche Verfügung voraus (Koppensteiner in Koppensteiner/Thyri/Eckert, Wettbewerbsrecht Band 14 [2021] § 49 Übertragung des Markenrechts, Belastung, Lizenz Rz 4). Die Eintragung im Markenregister ist für die Übertragung nur deklarativ (Lang in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³, [2020] § 28 MSchG Rz 2).
[22] Aus den Dokumentenpassagen im Sachverhalt des Ersturteils geht aber weder ein schuldrechtliches Grundgeschäft noch eine dingliche Verfügung der Klägerin über ihre Marke hervor. Vielmehr handelt es sich im Wesentlichen um bloße Wissenserklärungen bzw Zusicherungen, wem (meist nicht näher definierte) IP-Rechte bereits gehören sollen. Ein Rechtsgeschäftswille zur Änderung von Rechtsverhältnissen ist daraus nicht abzulesen.
[23] 1.2.2. Dazu kommt, dass bei Rechtsgeschäften zwischen juristischen Personen wie der Klägerin und der Gemeinschuldnerin erforderlich wäre, dass ein allein vertretungsbefugtes Organ oder aber die erforderliche Zahl an gemeinschaftlich vertretungsbefugten Organen im Namen der am Rechtsgeschäft beteiligten juristischen Person handeln (vgl RS0019540 zur ständigen Rechtsprechung, wonach sonst im Zweifel ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen ist, selbst wenn er Vertretungsmacht für Dritte besitzt).
[24] 1.2.3. Da * zu verschiedenen Zeitpunkten Organstellungen sowohl bei der Klägerin, der Zweitbeklagten und auch der Gemeinschuldnerin inne hatte, wäre darüber hinaus das Problem der Unzulässigkeit von Doppelvertretungen zu bedenken (vgl RS0060604 [insbes T2, T17]).
[25] 1.2.4. Somit kann insbesondere auch aus den acht in der Revision konkret zitierten Passagen aus dem Sachverhalt des Ersturteils keine Übertragung von Markenrechten abgeleitet werden.
[26] 1.3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann damit jedoch die Aktivlegitimation der Klägerin noch nicht bejaht werden.
[27] 1.3.1. Die Beklagten erstatteten das rechtlich relevante Vorbringen, dass die Klägerin ihre Markenrechte der Gemeinschuldnerin übertragen habe.
[28] Deshalb kann die Aktivlegitimation der Klägerin ausschließlich anhand der vom Berufungsgericht herangezogenen Feststellungen zu Urkundeninhalten, aus denen sich eine Übertragung von Markenrechten nicht ableiten lässt, noch nicht abschließend geprüft werden. Dass eine Übertragung mithilfe dieser Urkunden nicht erfolgt ist, schließt nämlich nicht aus, dass eine Übertragung in anderer Weise stattfand.
[29] 1.3.2. Dasselbe gilt für die Feststellung des Erstgerichts: „Eine schriftliche Vereinbarung in Form einer Urkunde, welche den Übergang der Unionsmarke sowie der nationalen Marke 'Osteomycin' festhält, liegt nicht vor.“ Sie sagt nichts dazu aus, ob die Klägerin und die Gemeinschuldnerin eine schriftliche Vereinbarung geschlossen haben, die dem Erstgericht eben nicht vorlag. Noch weniger lässt sich daraus ableiten, ob es eine mündliche oder konkludente Vereinbarung zur Übertragung der (österreichischen) Markenrechte gab.
[30] 1.3.3. In der rechtlichen Beurteilung des Ersturteils findet sich schließlich folgende Passage: „Das Beweisverfahren ergab, dass die wesentlich umfangreicheren Beweise dafür sprachen, dass Osteomycin nach der gemäß ZPO genügend hohen Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Investition durch * 2016 als Marke in die [Gemeinschuldnerin] eingebracht worden war.“
[31] Eine Einbringung der Klägerin in die Gemeinschuldnerin würde aber schon daran scheitern, dass sich weder aus Vorbringen, Feststellungen oder dem offenen Firmenbuch ergibt, dass die Klägerin je Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin war und damit Vermögen in die Gemeinschuldnerin hätte einbringen können.
[32] 1.3.4. Dieser sekundäre Feststellungsmangel zur Übertragung der Markenrechte war anlässlich der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge der Beklagten amtswegig aufzugreifen (vgl RS0043352).
[33] 2. Richtig zeigen die Beklagten außerdem auf, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht vom festgestellten Sachverhalt ausging.
[34] 2.1. Das Berufungsgericht darf ergänzende Feststellungen nur nach Beweiswiederholung bzw Beweisergänzung in einer mündlichen Berufungsverhandlung treffen (RS0043026).Wenn das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichts auf Grund der in erster Instanz aufgenommenen Beweise ergänzt, ohne selbst eine Beweiswiederholung durchzuführen, liegt grundsätzlich eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes vor(vgl RS0043057 [T4]).
[35] Lediglich in Ausnahmefällen ist keine Berufungsverhandlung erforderlich, weil sich schon das erkennende Erstgericht keinen unmittelbaren Eindruck von Beweismitteln in einer mündlichen Verhandlung verschaffte, zB bei als echt zugestandenen Urkunden (RS0121557); wegen eines Richterwechsels in erster Instanz nach Beendigung der Einvernahmen (RS0042209, vgl auch RS0042533 [T2]); bei schriftlichen Sachverständigengutachten oder bei Verlesung von Protokollen aus anderen Verfahren oder von Einvernahmen im Rechtshilfeweg.
[36] In jedem Fall hat das Berufungsgericht klar darzustellen, welche abweichenden oder ergänzenden Feststellungen es aufgrund welcher Beweisergebnisse trifft. Sollten dabei widersprüchliche Beweisergebnisse vorliegen, muss auch das Berufungsgericht durch eine intersubjektiv nachvollziehbare Beweiswürdigung darlegen, wieso es bestimmte Beweisergebnisse für überzeugender hält als andere.
[37] 2.2. Im vorliegenden Fall traf das Erstgericht – entsprechend seiner Rechtsansicht, dass die Klage schon an der fehlenden Aktivlegitimation scheitere – keine Feststellungen zur Nutzung des Begriffs OSMYCIN durch die Beklagten.
[38] Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche setzen jedoch voraus, dass die Beklagten den Begriff OSMYCIN in einer Weise kennzeichenmäßig nutzen, die die Wortmarke der Klägerin verletzt. Ob Verwechslungsgefahr besteht, kann aber nur auf Basis von Tatsachenfeststellungen zu den von der Beklagten mit dem Begriff gekennzeichneten Produkten, den durch sie angesprochenen Verkehrskreisen (hier: nur medizinisches Fachpersonal oder auch Laien?) und allenfalls auch der Bekanntheit der Marke der Klägerin und ihrem Bedeutungsgehalt in den Augen der relevanten Verkehrskreise geprüft werden.
[39] 2.3. Da die Parteien zu diesen Themen auch Personalbeweise anboten, durfte das Berufungsgericht den Sachverhalt des Ersturteils nicht ohne Beweiswiederholung oder Beweisergänzung erweitern. Konkret brachten etwa die Beklagten vor, dass ihr Knochenpräparat für Implantationen einem Durchschnittsverbraucher im täglichen Leben nicht zugänglich sei, das für die Verwechslungsgefahr relevante angesprochene Publikum sei deshalb ausschließlich medizinisches Fachpersonal. Als Beweis bot sie unter anderem die Einvernahme von * und * an.
[40] Sollte das Erstgericht im zweiten Rechtsgang die Aktivlegitimation bejahen, wird es daher – allenfalls nach Ergänzung des Beweisverfahrens – deutliche Feststellungen oder non-liquet-Feststellungen zum Vorbringen sämtlicher Parteien zum Thema Verwechslungsgefahr zu treffen haben. Aus diesem Grund erübrigt sich zum derzeitigen Zeitpunkt das Eingehen auf die in der Revision in diesem Zusammenhang geltend gemachten Aktenwidrigkeiten.
[41] 2.4. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten schränkte das Erstgericht die Verhandlung jedoch nicht auf die Aktivlegitimation ein. Die Protokollierung des Richters, dass „vorrangig die Aktivlegitimation der Klägerin zu prüfen sei“ war Teil der Erörterung der Sach- und Rechtslage nach § 182a ZPO und kein Beschluss auf Beschränkung der Verhandlung auf einzelne Streitpunkte iSd § 189 ZPO. Es war daher allen Parteien möglich, umfassendes Vorbringen zu erstatten, was sie auch taten, und die einvernommenen Personen zu allen Beweisthemen zu befragen.
[42] Sollte das Erstgericht im zweiten Rechtsgang die Aktivlegitimation bejahen und davon ausgehen, alle angebotenen Beweise zu den oben genannten Themen bereits aufgenommen zu haben, kann und muss es selbst die erforderlichen Feststellungen zur Markenverletzung treffen, ohne das Verfahren zu ergänzen.
[43] 3. Schon wegen des sekundären Feststellungsmangels zur Aktivlegitimation ist eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz unumgänglich.
[44] 3.1. Zusammengefasst wird daher das Erstgericht im zweiten Rechtsgang – nach allfälliger Verfahrensergänzung – jedenfalls klar festzustellen haben,
- ob die Klägerin mit der Gemeinschuldnerin vereinbarte, dieser ihre Markenrechte zu übertragen;
- falls eine Vereinbarung festgestellt werden kann: ob dies (insbesondere für die Unionsmarke) in Schriftform geschah.
Dabei wird das Erstgericht insbesondere auch zu beachten haben, dass eine Übertragung eines gültigen Rechtsgrundes bedarf; die Klägerin und die spätere Gemeinschuldnerin als juristische Personen nur durch vertretungsbefugte Organe in erforderlicher Zahl handeln können; und im vorliegenden Fall wegen der Stellung von * als Organ mehrerer GmbHs bzw des Vereins in Personalunion eine unzulässige Doppelvertretung vorgelegen haben könnte.
[45] 3.2. Im Fall einer Bejahung der Aktivlegitimation der Klägerin wird das Erstgericht außerdem all jene Feststellungen zu treffen haben, die für die Prüfung der auf Markenverletzung gestützten Klagebegehren erforderlich sind; dies sind insbesondere:
- welche Zeichen die Beklagten für welche Waren und/oder Dienstleistungen verwendeten;
- welche Verkehrskreise diese Produkte beziehen (insbesondere nur medizinisches Fachpersonal oder auch Laien);
- welche Vorstellungen allfällige aus Fachpersonal bestehenden Verkehrskreise zur Bedeutung der Begriffe OSTEOMYCIN und OSMYCIN haben;
- wie geläufig die Marke OSTEOMYCIN den relevanten Verkehrskreisen aufgrund welcher Tatsachen ist (im Sinn einer allenfalls durch die Benutzung erworbenen erhöhten Kennzeichnungskraft).
[46] 3.3. Im Ersturteil ist für den Senat unklar, ob die einleitenden Passagen der Entscheidungsgründe auf Seiten 5 bis 8 als Parteivorbringen oder als unstrittiger Sachverhalt zu verstehen sind. Sie werden auf Seite 5 zwar mit den Worten eingeleitet: „Die klagende Partei (im Folgenden kurz: Klägerin) bringt vor, …“. Dennoch sind die folgenden Absätze großteils im Indikativ gehalten und stellen teils Grundsätzliches dar, zB unter der Überschrift „Sachverhaltsrelevante Personen und Gesellschaften“ auf Seite 7. Erst auf Urteilsseite 8 findet sich die Überschrift „Klagebegehren“ und eindeutig als Wiedergabe des Klagsvorbringens zu erkennende Passagen im Konjunktiv. Die Trennung von Parteivorbringen und unstrittigem Sachverhalt wird anlässlich der Neufassung des Urteils im zweiten Rechtsgang zu verdeutlichen sein.
[47] 3.4. Die Parteien thematisieren wiederholt, ob * ein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Für die geltend gemachten Ansprüche ist jedoch gleichgültig, ob ein oder mehrere Kooperationspartner allenfalls Fehlannahmen zu grundlegenden Prinzipien des Immaterialgüterrechts allgemein oder den Immaterialgüterrechten ihrer ehemaligen Kooperationspartner unterlagen. Daher ist auch nicht relevant, ob * seine Pflichten als Organ verschiedener juristischer Personen erfüllte und/oder sich über Markenrechte im Unklaren war und/oder bei Geschäftspartnern der Klägerin Fehlannahmen veranlasste. Das bisherige Parteivorbringen bietet nämlich keinen Anlass dafür eine Anscheinsvollmacht oder einen Gutglaubenserwerb zu prüfen.
[48] 3.5. Die Beklagten rügen auchsekundäre Feststellungsmängelzur optischen Gestaltung der Produktverpackungen und zum Wettbewerbsverhältnis der Parteien. Deshalb sei in Erinnerung gerufen, dass die von der Klägerin formulierten Urteilsanträge auf einen „kennzeichenmäßigen Gebrauch“ abstellen und damit (nur) die Verletzung der Wortmarke der Klägerin zum Gegenstand haben, nicht aber Ansprüche wegen Imitationsmarketing nach UWG. Für Ansprüche aus dem Markenrecht ist ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht Voraussetzung.
[49] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 dritter Satz ZPO.
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