European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1978:0040OB00163.77.0117.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurskosten sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Begründung:
Der vom 2. Mai 1972 bis 31. Dezember 1975 im Unternehmen der beklagten Partei angestellte Kläger begehrt nach Ausdehnung der Klage (AS 37) letztlich die Zahlung eines Überstundenentgelts von S 120.412,58 brutto samt Anhang. Von diesem Betrag entfallen nach dem Vorbringen des Klägers auf den Zeitraum Oktober bis Dezember 1973 für 204 Überstunden S 15.300,--, auf den Zeitraum Jänner bis April 1974 für 286 Überstunden S 22.641,11, auf die Zeitspanne vom Mai bis Dezember 1974 für 501 Überstunden S 48.627,06, sowie auf die Periode Jänner bis September 1975 für 352 Überstunden ein Teilbetrag von S 37.212,80. Abzüglich eines in den Jahren 1973 und 1974 erhaltenen Überstundenentgelt von S 3.368,39 ergibt diese vom Kläger vorgenommene Berechnung den Klagsbetrag.
Zur Begründung bringt der Kläger vor, er sei zunächst als Abteilungsleiter und ab März 1974 als Leiter der Filiale * tätig gewesen. Er habe während der gesamten Zeit seines Arbeitsverhältnisses Überstunden geleistet, die teils notwendig gewesen und teils vom Filialinspektor angeordnet worden seien. Diese Überstunden ergäben sich schon auf Grund der Öffnungszeiten der Filiale und der außerhalb dieser Zeiten notwendigen schriftlichen Arbeiten. Der Kläger habe die Überstunden mit der Anwesenheitsliste bekanntgegeben und das Überstundenentgelt auf diese Weise geltend gemacht. Mit Ausnahme der für Inventurarbeiten verrichteten Überstunden habe die beklagte Partei ein Überstundenentgelt nicht gezahlt.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und bestritt Grund und Höhe des Klagebegehrens. Der Kläger habe Überstunden nicht geleistet; allenfalls dennoch verrichtete Überstunden seien durch sein „überkollektiv-vertragliches Gehalt“ pauschal abgegolten worden. Dies ergebe sich aus dem Umstand, daß der Kläger nach einer zum 1. Jänner 1973 vorgenommenen Gehaltserhöhung Überstundenbescheinigungen nicht mehr abgegeben habe. Die Anwesenheitslisten dienten nur statistischen Zwecken (Betriebsvergleich). Der Kläger habe für seine Person die erforderlichen Überstundenlisten nicht geführt. Im übrigen sei der Klagsanspruch nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages der Handelsangestellten „verjährt“.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Der Kläger war zunächst als Abteilungsleiter und ab März 1974 als Leiter der Filiale *, tätig. Im Unternehmen der beklagten Partei dienen Formulare, welche die Bezeichnung „Überstundenbescheinigung“ führen, der Geltendmachung von Überstundenentgelt. Diese Formulare sind, wie dem Kläger bekannt war, vom Filialleiter für seine Person und für die in seiner Filiale tätigen Arbeitnehmer auszufüllen. Außerdem werden von den Filialleitern sogenannte Anwesenheitslisten über die Anwesenheitszeiten der Arbeitnehmer sowie über deren Krankenstände und Urlaube geführt. Diese Listen dienen ausschließlich statistischen Zwecken, nämlich dem Betriebsvergleich, und nicht der Feststellung von Überstunden. Beide Arten von Formularen sind von den Filialleitern an die Zentrale zu übersenden.
Der Kläger hat die klagsgegenständlichen Überstunden der beklagten Partei nicht mit dem Formular „Überstundenbescheinigung“ bekanntgegeben, weil sich sein Vorgesetzter B* weigerte, diese Überstunden zu bestätigen. B* vertrat nämlich die Auffassung, ein Filialleiter habe keinen Anspruch auf Überstundenentgelt, weil er ohnehin mehr verdiene als seine Mitarbeiter.
In rechtlicher Hinsicht nahm das Erstgericht den Verfall der geltend gemachten Ansprüche nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages an. Die beklagte Partei habe durch den Kläger als Filialleiter die im Kollektivvertrag dem Arbeitgeber vorgeschriebenen Überstundenaufzeichnungen geführt weil der Kläger in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer und als Vertreter des Arbeitgebers die Überstundenbescheinigung zu unterschreiben und gegenzuzeichnen gehabt habe. Da der Kläger für seine Person diese Bescheinigung nicht ausgefüllt und die Anwesenheitsliste der Feststellung von Überstunden nicht gedient habe, seien die Überstundenentgeltansprüche des Klägers nach Ablauf von drei Monaten mangels Geltendmachung verfallen. Das Klagebegehren betreffe nämlich Ansprüche für Zeiträume bis September 1975, wogegen die Klage erst am 11. Oktober 1976 erhoben worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich eines Teilbetrages von S 37.941,11 samt Anhang als Teilurteil und hob sie im übrigen, das ist hinsichtlich eines Teilbetrages von S 82.471,47 samt Anhang, unter Rechtskraftvorbehalt und unter Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht auf. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerG neu durch und gelangte zu den gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Wenn auch das Berufungsgericht eine diesbezügliche ausdrückliche Aussage in seine Entscheidung ‒ offenbar versehentlich ‒ nicht aufgenommen hat, so ergibt sich die Vornahme dieser Feststellungen doch zwingend aus der in seinem Aufhebungsbeschluß dem Erstgericht überbundenen, von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehenden Rechtsansicht. Das Berufungsgericht vertrat nämlich die Auffassung, daß die beklagte Partei der ihr nach dem Punkt VII. des Kollektivvertrages für Handelsangestellte obliegenden Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen über die von ihren Arbeitnehmern verrichteten Überstunden nicht nachgekommen sei, sodaß der Verfall der vom Kläger geltend gemachten Überstundenentgeltansprüche nicht schon nach drei Monaten, sondern erst nach zwei Jahren eingetreten sei. Da das Erstgericht, ausgehend von seiner vom Berufungsgericht nicht gebilligten Rechtsansicht Feststellungen über die tatsächlich verrichteten Überstunden und über deren Notwendigkeit nicht getroffen habe, sei das Verfahren hinsichtlich eines den Zeitraum Mai 1974 bis September 1975 betreffenden Teilbetrages von S 82.471,47 mangelhaft geblieben. In Ansehung des auf die Periode Oktober 1973 bis April 1974 entfallenden Teilbetrages von S 37.941,11 samt Anhang sei jedoch mangels Führung der im Kollektivvertrag dem Arbeitgeber vorgeschriebenen Überstundenaufzeichnungen durch die beklagte Partei gemäß dem Punkt VII. lit. d KV der Verfall nach Ablauf von zwei Jahren eingetreten. Da die Klage am 11. Oktober 1976 eingebracht worden sei, seien Entgeltansprüche für Überstunden, die vor dem 11. Oktober 1974 verrichtet worden seien, verfallen. Dies treffe jedenfalls auf den Zeitraum Oktober 1973 bis April 1974 zu. Vermutlich werde auch ein großer Teil des vom Kläger nicht näher aufgeschlüsselten Entgelts für Überstunden, die zwischen dem 1. Mai 1974 und dem 10. Oktober 1974 geleistet worden seien, verfallen sein.
Gegen den Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht die Fällung einer Sachentscheidung aufzutragen. Das bestätigende Teilurteil blieb unangefochten.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Die beklagte Partei wendet sich in ihren Rechtsmittelausführungen vor allem gegen die der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes folgende Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, sie habe die kollektivvertragliche Pflicht zur Führung von Überstundenaufzeichnungen deshalb nicht erfüllt, weil sie die Meldung von Überstunden in Form der Abgabe von Überstundenbescheinigungen den Arbeitnehmern übertragen habe. Eine solche Verpflichtung könne, so führt die beklagte Partei aus, zu den im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitsleistungen gehören. Das in Großbetrieben für die Führung von Überstundenaufzeichnungen zuständige Lohnbüro sei nämlich auf die Meldung von Überstunden durch die einzelnen Arbeitnehmer angewiesen. Der Kläger habe die ihn treffende Meldepflicht hinsichtlich seiner eigenen Person nicht eingehalten, obwohl ihn diese Verpflichtung auch für seine Mitarbeiter getroffen habe. Es widerspreche Treu und Glauben, daß sich gerade jene Person durch eine allfällige Verletzung dieser Verpflichtung die längere Verfallsfrist von zwei Jahren sichere, die in dieser Hinsicht Vertreter des Arbeitgebers sei.
Diese Ausführungen stehen jedoch mit der durch die Bestimmungen des Punktes VII. des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs festgelegten Rechtslage nicht in Einklang. Darnach trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, laufend ordentliche Aufzeichnungen über die von seinen Arbeitnehmern geleisteten Überstunden zu führen. Diese Aufzeichnungen sind vom Arbeitgeber am Ende der betreffenden Gehaltsperiode dem Arbeitnehmer zur Bestätigung vorzulegen (lit. a). Verweigert der Arbeitnehmer die Unterschrift mit begründetem Hinweis auf eine höhere Überstundenleistung, so gilt dies als Geltendmachung des höheren Anspruches des Arbeitnehmers (lit. b). Für die nach lit. a und lit. b geltend gemachten Überstundenansprüche gelten die Verjährungsfristen des ABGB. Etwaige vom Arbeitnehmer nach dem Verfahren nach lit. b nicht geltend gemachte Überstunden verfallen nach Ablauf von drei Monaten (lit. c). Werden vom Arbeitgeber entgegen diesen Bestimmungen die vorgeschriebenen Überstundenaufzeichnungen nicht geführt, so verfallen etwaige Überstundenentgeltansprüche nach Ablauf von zwei Jahren (lit. d).
Aus diesen gemäß dem § 11 Abs. 1 ArbVG unmittelbar rechtsverbindlichen Bestimmungen des Kollektivvertrages folgt zunächst, daß der Arbeitgeber zur Führung von Überstundenaufzeichnungen ohne Rücksicht darauf verpflichtet ist, ob der Arbeitnehmer die Bezahlung von Überstunden beansprucht hat (Arb 9454, 9406, 9207, 7519; 4 Ob 5/77). Es ist demnach Sache des Arbeitgebers, sich die Kenntnis jener Umstände vom Arbeitnehmer zu verschaffen, die für die Führung der Aufzeichnungen erforderlich sind. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Führung von Überstundenaufzeichnungen und zu deren Vorlage an den Arbeitnehmer ist nach Maßgabe der Bestimmungen des § 3 ArbVG weder abdingbar noch kann sie vom Arbeitgeber einseitig außer Kraft gesetzt werden (Arb 9454, 4 Ob 5/77).
Im vorliegenden Fall verstößt die von der beklagten Partei für ihr Unternehmen angeordnete Geltendmachung von Überstunden gegen die Bestimmung des Punktes VII. lit. a und b KV, weil die beklagte Partei weder die in diesen Bestimmungen dem Arbeitgeber vorgeschriebenen Aufzeichnungen führt noch diese ihren Arbeitnehmern am Ende der Gehaltsperiode zur Bestätigung vorlegt. Sie versucht vielmehr, die sie nach dem Kollektivvertrag treffende Verpflichtung auf die Arbeitnehmer zu überwälzen. Eine derartige dem Kollektivvertrag widersprechende Regelung führt jedoch, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausführlich dargelegt hat (Arb 9207 = ZAS 1974, 229, mit insoweit zustimmender Anmerkung von Schön) zu einer Schlechterstellung des Arbeitnehmers. Für diesen ist es nämlich günstiger, wenn die Frage der Überstundenentlohnung vom Arbeitgeber aufgerollt werden muß, weil dies für den mit den einschlägigen, oft komplizierten Fragen weniger vertrauten Arbeitnehmer einfacher ist und die Gefahr einer verspäteten Geltendmachung von Überstundenleistungen dadurch vermindert wird. Selbst wenn sich die beklagte Partei daher für ihre Vorgangsweise der Meldung von Überstunden auf eine Vereinbarung berufen könnte, widerspräche diese dem Günstigkeitserfordernis des § 3 ArbVG und wäre daher unwirksam.
Der von der beklagten Partei erhobene Vorwurf, diese vom Obersten Gerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassungen seien lebensfremd und führten, insbesondere in Großbetrieben, zu einem „ruinösen, unproduktiven‟ Aufwand für den Arbeitgeber, ist schon deshalb verfehlt weil die beklagte Partei mit diesen Rechtsmittelausführungen in Wahrheit die von den mit den allgemeinen Betriebsverhältnissen wohlvertrauten Kollektivvertragsparteien vereinbarte Verpflichtung zur Führung von Überstundenaufzeichnungen durch den Arbeitgeber und deren Vorlage an die Arbeitnehmer bekämpft. Der Vorwurf ist aber auch inhaltlich nicht berechtigt, weil gerade in Großbetrieben die administrativen Voraussetzungen zur Erfassung von Überstunden und zur Führung entsprechender Aufzeichnungen vorhanden sind. Gegen eine Meldepflicht von Überstunden seitens der Arbeitnehmer ist grundsätzlich dann nichts einzuwenden, wenn sie vom Arbeitgeber für die von ihm verfaßten Überstundenaufzeichnungen herangezogen werden. Keinesfalls darf aber, wie dies im Unternehmen der beklagten Partei geschehen ist, die Führung dieser Aufzeichnungen durch eine Meldepflicht der Arbeitnehmer ersetzt werden. Diese müsse vielmehr in den vom Arbeitgeber ihnen vorgelegten Überstundenaufzeichnungen die Unterschrift verweigern können und auf die darin nicht berücksichtigten, von ihnen jedoch verrichteten Überstunden hinweisen und damit solche Überstunden geltend machen können. Ein derartiger dem Kollektivvertrag entsprechender Vorgang wurde jedoch von der beklagten Partei nicht eingehalten. Dem von der Rekurswerberin an. die Unterlassung der Ausfüllung des Formulares „Überstundenbescheinigung“ durch den Kläger geknüpften Folgerungen fehlt daher die rechtliche Grundlage. Die beklagte Partei übersieht aber außerdem, daß der Kläger dieses Formular deshalb nicht verwendet hat, weil sein Vorgesetzter sich aus rechtlich verfehlten Gründen geweigert hat, die erforderliche Bestätigung zu erteilen. Er vertrat nämlich die in dieser allgemeinen Form unzutreffende Auffassung, Filialleiter hätten keinen Anspruch auf Überstundenentgelt, weil sie mehr verdienten, als die anderen Arbeitnehmer. (Ein Ausnahmetatbestand nach dem § 1 Abs. 2 Z. 8 AZ 6 wurde nicht behauptet). Aus der Unterlassung dieser von der beklagten Partei angeordneten Meldungen kann daher kein berechtigter Schluß auf ein anspruchsvernichtendes Verhalten des Klägers gezogen werden.
Da die beklagte Partei auf ihren Einwand, der Kläger sei auch deshalb nicht berechtigt, ein Überstundenentgelt zu verfangen, weil er ein „überkollektivvertragliches Gehalt“ bezogen habe, nicht mehr zurückkommt, genügt es darauf hinzuweisen, daß mangels Behauptung der Vereinbarung eines konkreten, die Anzahl der damit abzugeltenden Überstunden enthaltenden Überstundenpauschales durch Bezahlung eines den kollektivvertraglichen Gehaltsansätzen übersteigenden Monatsentgelts allein allfällige Überstundenleistungen des Klägers nicht abgegolten worden sind. Das von der beklagten Partei bisher dazu erstattete, oben wiedergegebene Vorbringen reicht für die Behauptung einer solchen Vereinbarung keineswegs aus.
Zu prüfen bleibt noch die nicht nur für den unbekämpft gebliebenen bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung, sondern auch für den Aufhebungsbeschluß relevante Frage des teilweisen Verfalles des vom Kläger geltend gemachten Überstundenentgeltanspruches. Da im Verfahren über Rekurse gegen Aufhebungsbeschlüsse ein Verbot der reformatio in peius nicht besteht (ÖBl 1972, 65; ÖBl 1965, 63; EvBl 1956/155 u.a.), ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung dieser Rechtsfrage einer Einschränkung in dieser Richtung nicht unterworfen.
Das Berufungsgericht hat die für das Erstgericht bindende Auffassung vertreten, daß mangels Führung der im Kollektivvertrag vorgeschriebenen Überstundenaufzeichnungen durch die beklagte Partei die Verfallsbestimmung des Punktes VII. lit. d KV zur Anwendung komme, sodaß nach Ablauf von zwei Jahren der Verfall dieser Ansprüche eingetreten sei. Da die Klage am 11. Oktober 1976 eingebracht worden sei, könne der Kläger für alle jene Überstunden, die er vor dem 11. Oktober 1974 verrichtet habe, kein Entgelt mehr verlangen.
Die bereits zitierte Bestimmung des Punktes VII. des Kollektivvertrages für Handelsangestellte Österreichs unterscheidet zwischen der Verjährung nach dem ABGB (nach der Art der Forderung kommt hier nur die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z. 5 ABGB in Betracht) und dem Verfall des Anspruches auf Überstundenentgelt. Für Ansprüche, die nach lit. a und b, also im Rahmen des in diesen Bestimmungen geregelten betrieblichen Verfahrens geltend gemacht worden sind, bleibt es bei der Verjährung nach dem ABGB. Für derartige Ansprüche hat der Kollektivvertrag daher eine vom positiven Gesetzesrecht abweichende Regelung nicht getroffen. Wenn jedoch der Arbeitnehmer in diesem betrieblichen Verfahren Ansprüche nicht geltend macht, wenn er also seine Unterschrift auf die ihm vorgelegten Überstundenaufzeichnungen mit dem begründeten Hinweis auf eine höhere Überstundenleistung nicht verweigert, dann verfallen nach dem Punkt VII. lit. c KV die nach diesem Verfahren nicht geltend gemachten Überstundenentgeltansprüche nach Ablauf von drei Monaten. Die Fallfrist beträgt jedoch nach lit. d leg.cit. dann zwei Jahre, wenn der Arbeitgeber die ihm vorgeschriebenen Überstundenaufzeichnungen nicht führt. Diesen Bestimmungen ist expressis verbis nicht zu entnehmen, ob die zweijährige Fallfrist auch für den Fall gilt, daß der Arbeitgeber zwar die Überstundenaufzeichnungen nicht führt, der Arbeitnehmer jedoch auf andere Art seine Überstundenansprüche dem Arbeitgeber gegenüber trotzdem geltend macht. Die Gesamtheit dieser wie ein Gesetz auszulegenden Bestimmungen des Kollektivvertrages und die ihnen vorangestellte Überschrift „Verfall von Überstunden“ lassen deutlich die Absicht der Kollektivvertragsparteien erkennen, nicht geltend gemachte Überstundenentgeltansprüche nach Maßgabe der Einhaltung der Bestimmungen über das betriebliche Verfahren durch den Arbeitgeber nach drei Monaten bzw. nach zwei Jahren für verfallen zu erklären, wogegen angemeldete Ansprüche, und zwar gleichgültig ob dies in einem solchen Verfahren oder mangels Führung von Überstundenaufzeichnungen auf andere Weise geschieht, den Verjährungsbestimmungen des ABGB unterliegen sollen. Dies ergibt sich auch aus der unmittelbaren Aufeinanderfolge der die in einem stattgefundenen betrieblichen Verfahren nicht geltend gemachten Ansprüche betreffenden Vorschrift der lit. c und der die Unterlassung eines derartigen Verfahrens voraussetzenden Bestimmung der lit. d. Entscheidend ist aber vor allem auch die Überlegung, daß ansonsten der Arbeitgeber, der die diesbezüglichen Bestimmungen des Kollektivvertrages nicht beachtet und sich daher rechtswidrig verhält, im Hinblick auf die zweijährige Fallfrist günstiger gestellt wäre als jener Arbeitgeber, der die Bestimmungen einhält und daher auf den Ablauf einer dreijährigen Verjährungsfrist warten muß. Umgekehrt wäre der Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber sich auf die angegebene Weise rechtswidrig verhält, schlechter gestellt als der Arbeitnehmer eines die Kollektivvertragsbestimmungen einhaltenden Arbeitgebers, obwohl gerade der erstgenannte Arbeitnehmer schutzwürdiger ist. Er läuft nämlich eher Gefahr, seine Ansprüche zu verlieren als der zweitgenannte Arbeitnehmer, dessen Anspruch nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist überdies nur die Klagbarkeit verliert, wogegen der Anspruch des erstgenannten Arbeitnehmers nach Ablauf der zweijährigen Fallfrist erlischt. Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, daß sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, und daher bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeit wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (4 Ob 2/77; (Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts7, II/1, 359 f; Nikisch, Arbeitsrecht² II, 221 f; Kuderna, Die Auslegung kollektivrechtlicher Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß, öRdA. 1975, 169; vgl. auch SZ 47/78), ist davon auszugehen, daß die Überstundenentgeltansprüche eines Arbeitnehmers, der diese Ansprüche mangels Führung von Überstundenaufzeichnungen durch seinen Arbeitgeber in anderer Weise geltend macht, in analoger Anwendung des Punktes VII. lit. b KV den Verjährungsbestimmungen des ABGB unterliegen.
Dieser anderweitigen Geltendmachung ist jedoch der Fall gleichzustellen, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber, der seiner kollekivvertraglichen Aufzeichnungspflicht nicht nachkommt, daran gehindert wird, seine Überstundenentgeltansprüche geltend zu machen. Es widerspräche nämlich dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn dieser Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuerst an einer solchen Geltendmachung hindert und ihm dann den im Kollektivvertrag für den Fall der Nichtgeltendmachung vorgesehenen Eintritt des Verfalles entgegenhält.
In diesem Sinn ist jedoch der beklagten Partei das Verhalten des Vorgesetzten des Klägers, B*, zuzurechnen. Dieser hat sich nämlich geweigert, die nach den Anordnungen der beklagten Partei, für die Überstundenbescheinigung des Klägers erforderliche Bestätigung unter Hinweis auf die für einen Filialleiter nach seiner ‒ unzutreffenden ‒ Meinung fehlende Berechtigung auf ein Überstundenentgelt zu erteilen, sodaß der Kläger von weiteren derartigen Meldungen Abstand genommen hat.
Das Erstgericht wird im weiteren Verfahren, soweit dieses von der Aufhebung betroffen ist, davon auszugehen habe, daß ein Verfall der Klagsansprüche nicht eingetreten ist.
Dem unberechtigten Rekurs kann daher ein Erfolg nicht beschieden sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf den § 52 ZPO.
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