European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00137.77.1018.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes ‒ im angefochtenen Teil ‒ wiederhergestellt wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin behauptet, sie sei ab 1. Mai 1971 im Betrieb des Beklagten, ihres Ehemannes, als Angestellte mit einem Monatsbezug von S 6.500,-- beschäftigt gewesen. Der Beklagte habe ihr am 28. Juli 1976 erklärt, daß sie seit 30. Juni 1976 bei der Krankenkasse abgemeldet sei. Selbst wenn darin eine Entlassungserklärung gesehen werden könnte, gebührten ihr die Bezüge bis zum 31. Dezember 1976, dem nächst zulässigen Kündigungstermin. Der Beklagte habe ihr aber seit 1. Juli 1976 nichts bezahlt. Sie begehre daher die Gehälter für die Zeit vom Juli bis einschließlich Dezember 1976 in der Höhe von S 39.000,--, das Weihnachtsgeld in der Höhe von S 6.500,-- und eine Abfertigung in der Höhe von S 21.666,66 (drei Monatsgehälter samt anteiligen Sonderzahlungen), somit insgesamt einen Betrag von S 67.166,66.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, da die Klägerin seit 30. Juni 1976 keine Arbeitsleitung mehr erbracht und daher das Dienstverhältnis selbst aufgelöst habe. Jedenfalls sei sie zu Recht entlassen worden, weil sie ehebrecherische Beziehungen zu Dr. B* unterhalten und aus diesem Grunde dem Beklagten erklärt habe, weder geschäftlich noch privat mit ihm noch etwas zu tun haben zu wollen. Wegen der engen Verflechtung des Dienstverhältnisses mit den familienrechtlichen Beziehungen der Streitteile müsse die Klägerin deren Verletzung auch im arbeitsrechtlichen Bereich gegen sich gelten lassen.
Das Erstgericht sprach einen Betrag von S 30.000,-- zu und wies das Mehrbegehren von S 37.166,66 ab. Es stellte fest:
Die Klägerin hatte im Betrieb des Beklagten keine feste Arbeitszeit, da sie auch noch den Haushalt und die ehelichen Kinder zu betreuen hatte. Die Einteilung der Arbeit war ihr überlassen. Schon im Herbst 1975 wurde dem Beklagten zugetragen, daß sich die Klägerin mit dem Frauenarzt Dr. B*, den sie als Patientin seit dem Jahre 1963 kennt, treffe, was die Klägerin aber in Abrede stellte. Auch Dr. B* bestritt dem Beklagten gegenüber vereinbarte Zusammentreffen mit der Klägerin und erklärte, daß er die Klägerin nur zufällig getroffen habe, was in der Zukunft aber nicht mehr vorkommen werde. Während der Karwoche 1976 war die Klägerin mit der jüngeren Tochter auf Urlaub in * und traf dort wieder mit Dr. B* zusammen, der in der selben Pension wohnte. Von der Anwesenheit des Genannten in * erfuhr der Beklagte durch seine Tochter. Dieses Zusammensein wurde von der Klägerin und Dr. B* wieder als zufälliges Treffen erklärt.
Bereits im Februar 1976 buchte die Klägerin für sich, die ehelichen Kinder und ihre Eltern ab 10. Juli 1976 einen 14‑tägigen Urlaub in Jugoslawien, was dem Beklagten auch bekannt war. Am 3. Juli 1976 erkrankte aber die jüngere Tochter und befand sich zusammen mit der Klägerin bis 8. Juli 1976 im Krankenhaus *. Anläßlich der Abschlußuntersuchung wurden beim Kind Bewegungseinschränkungen an einem Fuß festgestellt. Das Kind wurde hierauf über Initiative des Arztes Dr. R* an die neurologische Kinderklinik in * verwiesen. Die Klägerin informierte hierüber den Beklagten und fuhr am nächsten Tag in die Kinderklinik nach *. Sie bat zuvor Dr. B*, ihr dort behilflich zu sein. Auf der Fahrt nach *, die die Klägerin mit ihrem Personenkraftwagen zurücklegte, stieg Dr. B* in * zu; er war der Klägerin in der Kinderklinik in * behilflich, zumal er selbst etwas auf der Frauenklinik zu erledigen hatte. Dr. B* fuhr mit der Klägerin wieder nach * zurück. Ärztlicherseits wurde der Klägerin untersagt, mit dem Kind nach Jugoslawien zu fahren, da die Untersuchung eine im Abklingen befindliche Gehirnhautentzündung ergeben hatte und Sonneneinwirkungen unter diesen Umständen schädlich gewesen wären. Am 10. Juli 1976 fuhren daher die Eltern der Klägerin mit der Tochter S* allein in den Urlaub. Die Klägerin, fuhr zu Mittag dieses Tages ebenfalls fort. Dies kam dem Beklagten verdächtig vor, weshalb er ihr nachfuhr. Er beobachtete dann, daß die Klägerin in die Nähe des Wohnhauses des Dr. B* fuhr und dieser dort in ihren Wagen zustieg. Der Beklagte verfolgte das Fahrzeug, verlor es jedoch dann aus den Augen. Am Abend machte der Beklagte der Klägerin diesbezüglich Vorwürfe, die Klägerin stritt jedoch alles ab. Der Beklagte erfuhr dann bald von der gemeinsamen Fahrt der Klägerin und des Dr. B* nach *, worauf es zu einer harten Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen kam. Die Wut des Beklagten über die heimlichen Zusammenkünfte der Klägerin mit Dr. B* bestand auch noch am 12. Juli 1976 weiter. An diesem Tag kam es erneut zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen. Der Beklagte verlangte von der Klägerin, daß diese mit ihm gemeinsam zu Dr. B* nach * fahre, damit er sich dort endgültig Klarheit über die Beziehungen der Klägerin zu diesem Mann verschaffen könne. Die Klägerin war dazu aber nicht bereit, worauf sie der Beklagte mit Gewalt zwingen wollte, in sein Auto einzusteigen. Diese Handgreiflichkeiten wurden von der Schwester des Beklagten gesehen, welche die Klägerin dann fragte, ob sie am nächsten Tag wieder ins Büro kommen würde, was die Klägerin mit „eher nein“ beantwortete.
Am 13. Juli 1976 begab sich die Klägerin in die eheliche Wohnung, um Wäsche zu holen. Dabei kam es zwischen den Streitteilen wegen Dr. B* zu einem neuerlichen heftigen Streit, worauf die Klägerin den Beklagten verließ und mit dem Kind in das Haus ihrer Eltern zurückkehrte. An diesem Tag gab der Beklagte die Abmeldung der Klägerin von der Krankenkasse ab, wobei er als Grund der Abmeldung „Kündigung durch den Dienstgeber“ und das Ende des Dienstverhältnisses mit 30. Juni 1976 angab. Damals war es dem Beklagten jedoch noch nicht ernst mit der Auflösung des Dienstverhältnisses. Er wollte mit diesem Schritt der Klägerin lediglich zeigen, „daß es so nicht weitergeht“.
Am 23. Juli 1976 stellte der Beklagte den von Dr. B* gelenkten Personenkraftwagen in der *straße in * und nahm wahr, daß die Klägerin hinter diesem Fahrzeug nachfuhr. Von Dr. B* wurde dies neuerlich als zufälliges Beisammensein hingestellt. Nach der Rückkehr der Eltern der Klägerin vom Urlaub am 24. Juli 1976 zeigte sich der Vater der Klägerin über die Ehesituation sehr besorgt, wobei er der Klägerin vorhielt, welche Folgen es für die Familien haben könne, wenn sie sich weiter mit Dr. B* treffe, worauf die Klägerin ihrem Vater erklärte: „Wir mögen uns“. Am 27. Juli 1976 suchte die Klägerin neuerlich die eheliche Wohnung auf, um Sachen zu holen. Bei dieser Gelegenheit verlangte der Beklagte von ihr die Gewährung des Geschlechtsverkehrs. Dies lehnte die Klägerin ab, worauf der Beklagte gegenüber der Klägerin tätlich wurde. Es gab eine wild zu nennende Verfolgungsjagd im Schlafzimmer bei der die Hose der Klägerin zerrissen wurde und sie selbst Verletzungen in Form blauer Flecken erlitt. Als schließlich durch eine heruntergerissene Bettlampe das Bett zu brennen anfing, flüchtete sich die Klägerin in das WC und sperrte sich dort ein. Der Beklagte gab sich damit noch nicht zufrieden, sondern montierte die Türschnallen des Klosetts ab und schrie wie von Sinnen „Es brennt, komm raus“. Schließlich beruhigte er sich und meinte zur Klägerin, er wolle mit ihr in Ruhe über die Dinge reden. Diese erwiderte jedoch darauf, sie gehe jetzt wieder zu ihren Eltern und werde nicht mehr zu ihm zurückkehren, falls er sein Verhalten ihr gegenüber nicht ändern würde.
Am darauffolgenden 28. Juli 1976 verlangte die Klägerin vom Beklagten telefonisch einen Krankenschein, um wegen der Verletzungen, die sie sich am Vortag in der ehelichen Wohnung zugezogen hatte, einen Arzt aufsuchen zu können. Der Beklagte erwiderte jedoch, er hätte sie bereits per 30. Juni 1976 wegen Arbeitsverweigerung abgemeldet. Tatsächlich gab er erst am 3. August 1976 bei der Bezirksstelle * bei der NÖ Gebietskrankenkasse eine Änderungsanzeige ab, worin der Abmeldegrund per 30. Juni 1976 auf „Arbeitsverweigerung“ abgeändert wurde.
Im August 1976 hatte der Vater der Klägerin mit Dr. B* eine Aussprache, bei der Dr. B* ein intimes Verhältnis zur Klägerin bestritt und lediglich zugab, er habe sich mit ihr nur ab und zu getroffen, aber schließlich erklärte, „er wolle K* legal nehmen und ‒ wenn notwendig ‒ auch die zwei Kinder, seine Ehe sei nur mehr auf dem Papier“.
Abgesehen von der Mitteilung an die Klägerin am 28. Juli 1976, daß er sie bereits per 30. Juni 1976 wegen Arbeitsverweigerung bei der Krankenkasse abgemeldet habe, erklärte der Beklagte nie der Klägerin gegenüber, daß er das Dienstverhältnis wegen eines zur Entlassung berechtigenden Grundes mit sofortiger Wirkung auflöse. Nach dem 12. Juli 1976 forderte der Beklagte die Klägerin auch niemals auf, ihre Arbeit als kaufmännische Angestellte wieder aufzunehmen. Zwischen den Streitteilen ging es in der Zeit vom 12. Juli 1976 bis 28. Juli 1976 einzig und allein darum, ob die Klägerin wegen der ehelichen Zerwürfnisse die Gemeinschaft mit dem Beklagten wieder aufnehmen würde, wobei als „Bedingung“ hiezu von der Klägerin gestellt wurde, daß der Beklagte künftighin sein grobes Verhalten zu ihr einstellen müßte, während der Beklagte seinerseits wiederholt und stereotyp von der Klägerin verlangte, sie müsse vor der Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft mit ihm zu Dr. B* gehen und dort vor diesem eindeutig erklären, daß sie mit ihm künftighin nichts mehr zu tun haben wolle. Da sich die Streitteile hierüber nicht zu einigen vermochten, brachte der Beklagte schließlich gegen die Klägerin die Ehescheidungsklage ein.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Verquickung von Ehemiseren und Dienstverhältnis beachtet werden müsse. Es treffe beide Streitteile ein gerüttelt Maß an Verschulden an der Auflösung des Dienstverhältnisses. Die Misshandlungen der Klägerin durch den Beklagten seien Reaktionen auf das ehewidrige Verhältnis der Klägerin zu Dr. B* gewesen, berechtigten aber die Klägerin zum Verlassen der Ehewohnung und damit auch zur Aufgabe ihrer Dienstleistung gegenüber dem Ehemann. Unter Heranziehung der § 32 AngG und § 273 ZPO sei daher ein etwas überwiegendes Verschulden der Klägerin anzunehmen, sodaß ihr ein Betrag von S 30.000,-- zuzusprechen, das Mehrbegehren von S 37.166,66 jedoch abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht, wohl aber jener der Klägerin Folge und sprach ihr einen Betrag von S 67.000,-- zu. Das Berufungsgericht kam nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGerGes zu den selben Feststellungen wie das Erstgericht. Bei der rechtlichen Beurteilung ging es aber davon aus, daß die Eheverfehlungen der Klägerin keinen Grund zur Auflösung des Dienstverhältnisses durch den Beklagten darstellten; die familienrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien vom dienstlichen Bereich zu trennen. Eine Verpflichtung zur ehelichen Treue bestehe im Rahmen des Dienstverhältnisses nicht. In der Erklärung des Beklagten vom 28. Juli 1976 gegenüber der Klägerin, er habe sie bereits bei der Krankenkasse abgemeldet, könnte eine Entlassungserklärung gesehen werden. Es liege aber kein Entlassungsgrund vor. Hinsichtlich des Fernbleibens der Klägerin von der Arbeit müsse berücksichtigt werden, daß die Klägerin infolge ihrer familienrechtlichen Verpflichtungen berechtigt war, ihre Arbeitszeit selbst einzuteilen, sodaß sie vom Beklagten zum Arbeitsantritt hätte aufgefordert oder verwarnt werden müssen, bevor sie wegen Unterlassens der Dienstleistung hätte entlassen werden können. Hiebei sei auch zu bedenken, daß für die Zeit vom 12. Juli bis 23. Juli 1976 vereinbarungsgemäß ein Urlaub der Klägerin vorgesehen war, sodaß ihr Erscheinen in der Ehewohnung am 27. Juli 1976 im Rahmen der ihr anheimgestellten Arbeitszeiteinteilung geblieben sei. Das Verhalten des Beklagten, insbesondere seine Tätlichkeiten gegen die Klägerin am 27. Juli 1976, hätten diese zum vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis berechtigt. Die körperliche Integrität der Klägerin als Ehegattin oder als Dienstnehmerin lasse sich nämlich nicht trennen. Da der Beklagte nichts getan habe, die Bedenken der Klägerin hinsichtlich einer brutalen Behandlung durch ihn zu zerstreuen, habe sie eine solche auch am Arbeitsplatz befürchten müssen. Da die Klägerin zum vorzeitigen Austritt berechtigt gewesen sei, gebührten ihr die vertragsmäßigen Ansprüche bis zum Ende der Kündigungsfrist, somit bis zum 31. Dezember 1976, die Weihnachtsremuneration und die Abfertigung in der begehrten Höhe, wobei lediglich zu berücksichtigen gewesen sei, daß die Abweisung eines Teilbetrages von S 166,66 mangels Anfechtung rechtskräftig geworden sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens, allenfalls einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes, abzuändern oder es aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht der Beklagte zunächst geltend, das Berufunggericht habe eine Überprüfung der Aussage der Klägerin unterlassen, obgleich diese unglaubwürdig erscheine. Damit bekämpft er aber nur die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes, was auch in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten im Revisionsverfahren unzulässig ist (EvBl 1955/154, 4 Ob 59/73, 4 Ob 34/74 ua, zuletzt 4 Ob 75/77). Es gehört in das Gebiet der Beweiswürdigung zu beurteilen, ob Aussagen von Parteien oder Zeugen ausreichen, bestimmte Feststellungen zu treffen oder nicht. Da keine der Parteien Einsprache gegen die Verlesung der in erster Instanz aufgenommenen Protokolle erhob, war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, die Zeugen und die Parteien selbst zu vernehmen. Es hatte die Notwendigkeit einer neuerlichen Vernehmung im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfen (ArbSlg 7659 ua.. Zur weiteren Mängelrüge, daß die Feststellung, der Beklagte habe der Klägerin nie bestimmt, deutlich und unzweifelhaft erklärt, daß er das Dienstverhältnis wegen eines zur Entlassung berechtigenden Grundes mit sofortiger Wirkung auflöse, mit der Feststellung in Widerspruch stehe, wonach der Beklagte der Klägerin am 28. Juli 1976 erklärt habe, er habe sie bereits mit 30. Juni 1976 wegen Arbeitsverweigerung abgemeldet, ist darauf zu verweisen, daß diese Frage im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu prüfen ist.
Schließlich macht der Beklagte noch geltend, das Berufungsgericht hätte den Sachverhalt in Richtung des § 29 AngGes zu überprüfen gehabt, da sich die Klägerin das einrechnen lassen müsse, was sie anderweitig zu verdienen absichtlich versäumt habe. Richtig ist, daß sich das Berufungsgericht mit diesem in der Berufung vom Beklagen erhobenen Einwand nicht auseinandergesetzt hat. Die Rüge des Beklagten muß aber deswegen erfolglos bleiben, weil der Beklagte sein Vorbringen nicht ausreichend konkretisiert hat.
In der Rechtsrüge macht der Beklagte im wesentlichen geltend, daß die (sofortige) Beendigung des Dienstverhältnisses berechtigt gewesen sei, da die Klägerin durch ihr ehewidriges Verhalten die Vertrauensgrundlage auch des Dienstverhältnisses völlig zerstört habe, da eine Trennung der familienrechtlichen und der arbeitsrechtlichen Probleme im gegebenen Fall unmöglich sei. Aus der Erklärung des Beklagten vom 28. Juli 1976 habe die Klägerin klar erkennen müssen, daß damit eine sofortige Auflösung des Dienstverhältnisses gemeint war. Jedenfalls treffe die Klägerin ein Verschulden im Sinn des § 32 AngGes an der Lösung des Dienstverhältnisses, das so groß sei, daß ihr überhaupt kein Ersatzanspruch zustehe.
Diese Ausführungen sind zum Teil berechtigt.
Zunächst ist festzuhalten, daß nicht strittig ist, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes zu beurteilen ist. Im Angestelltengesetz sind die Gründe, die zu einer vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses berechtigen, nur beispielweise aufgezählt, sodaß es wesentlich ist, ob ein „wichtiger Grund“ (§ 25 AngGes) vorliegt. Darnach ist die sofortige Auflösung eines diesem Gesetz unterliegenden Dienstverhältnisses grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn das Gesamtverhalten des einen Teiles nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise ‒ also nicht nach dem subjektiven Empfinden des anderen Teiles, sondern nach objektiven Grundsätzen ‒ die Interessen des anderen Teiles so schwer beeinträchtigt, daß ihm nach Lage des Falles eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum nächsten Kündigungstermin (oder Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer) nicht mehr zugemutet werden kann. Es muß sich um Umstände handeln, die so schwerwiegend sind, daß sie eine Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer unmöglich machen und deshalb die sofortige Auflösung des Dienstverhältnisses rechtfertigen. Es müssen schwerwiegende Gründe sein, die mit den persönlichen Verhältnissen der Vertragsteile zueinander, ihrem Verhalten und den von ihnen zu erbringenden Leistungen in|Zusammenhang stehen. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an (Martinek-Schwarz Angestelltengesetz3 418 f, 456, 471 ff, ArbSlg 9431, 9255, 9091, 9015 ua). Aus dem Verhalten eines Dienstnehmers außerhalb des Dienstes kann grundsätzlich auch, wenn auch nur ausnahmsweise, eine Gefährdung oder Schädigung der Interessen und Belange des Dienstgebers abgeleitet werden (Martinek-Schwarz aaO 475). Es kann auch der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit auf Handlungen beruhen, die mit dem Arbeitsverhältnis in keinem direkten Zusammenhang stehen; maßgeblich ist, ob die objektiv begründete Befürchtung des Dienstgebers besteht, daß seine Interessen und Belange durch den Angestellten gefährdet sind (Martinek-Schwarz aaO 465, 471 f, ArbSlg 9091, 6955, 6511 ua). Hiebei ist bei einem Angestellten mit einer größeren Vertrauensstellung ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit anzulegen als bei Dienstnehmern mit untergeordneten Tätigkeiten (Martinek-Schwarz aaO 456, SZ 25/122, ArbSlg 7332 u.a.).
Die Erklärung der Auflösung des Dienstverhältnisses ist an keine bestimmte Form gebunden, sie kann daher schriftlich oder mündlich, ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. Sie muß aber klar und unzweifelhaft zum Ausdruck bringen, daß das Dienstverhältnis einseitig und mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden soll. Ein Grund muß nicht genannt werden, es genügt, daß er zur Zeit der Erklärung gegeben ist (Martinek-Schwarz aaO 419 ff, ArbSlg 9375, 9193, 8342 ua). Die Möglichkeit, die Auflösung des Dienstverhältnisses bedingt zu erklären, wird im allgemeinen deswegen verneint, weil der Erklärungsempfänger ein berechtigtes Interesse an einer sofortigen Klarheit darüber hat, ob die Erklärung wirksam ist oder nicht (Mayer-Maly, Österr. Arbeitsrecht 136 f, vgl. Koziol-Welser Grundriß4 130, Gschnitzer-Klang2, III 658).
Gemäß § 32 AngGes hat dann, wenn beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses trifft, der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt. Diese Bestimmung ist dann anzuwenden, wenn zum Verschulden des Empfängers der Auflösungserklärung ein Verschulden des anderen Teiles hinzutritt, das dieses in einem anderen Licht erscheinen, aber immerhin noch bestehen läßt. Sie dient nicht dazu, dem Erklärenden bei einer ungerechtfertigten Auflösung des Dienstverhältnisses doch noch einen Teil des unbegründeten Anspruches zu retten; es soll nicht einer Auflösungserklärung, für die keine ausreichenden Gründe gegeben sind, doch noch wenigstens teilweise zum Erfolg verholfen werden. Das Fehlen eines ausreichenden Grundes für die Erklärung der Auflösung des Dienstverhältnisses führt nicht zur Anwendung des § 32 AngGes, sondern dazu, daß der erklärte vorzeitige Austritt oder die ausgesprochene fristlose Entlassung als unberechtigt anzusehen sind. Wenn also die Anwendung des § 32 AngGes voraussetzt, daß auf Seiten des die Auflösung des Dienstverhältnisses Erklärenden ein ausreichender Grund vorliegt, so muß doch das mitwirkende Verschulden des anderen Teiles nicht soweit gehen, daß es selbst einen Auflösungsgrund bildet. Als ein mitwirkendes Verschulden ist aber nicht ein Verschulden schlechthin anzusehen, sondern nur ein solches, das in einem engen Kausalzusammenhang mit dem Zustandekommen des Auflösungstatbestandes steht (Martinek-Schwarz aaO 524 f, ZAS 1975 30, ArbSlg 9084, 9082, 8389, 4 Ob 3/77 ua). Die Bestimmung, daß nach „freiem Ermessen“ des Richters darüber zu entscheiden ist, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt, bedeutet nicht, daß der Richter willkürlich vorgehen kann. Er muß vielmehr das Verschulden des einen Teiles gegen das Verschulden des anderen abwägen und darnach die Rechtsfolgen der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses, die den einen oder den anderen Teil nach dem Gesetz treffen, diesem Verschulden entsprechend mäßigen oder auch ganz beseitigen.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß Begründung und Inhalt des Dienstverhältnisses offenkundig darauf abgestellt waren, daß die Klägerin die Ehefrau des Beklagten ist, sodaß der aufrechte Bestand der Ehe sowie ein Verhalten der Klägerin, das dem einer Ehefrau entspricht, und die Beachtung der damit verbundenen Pflichten eine Grundlage auch des Arbeitsverhältnisses war. Dies muß bei der Beurteilung der Frage, ob die Auflösung des Dienstverhältnisses auf eine Verletzung der Pflichten der Klägerin als Ehefrau gestützt werden kann, besonders berücksichtigt werden. Bei der engen Verbindung der familienrechtlichen und der dienstrechtlichen Beziehungen begründete die Verletzung der Verpflichtungen aus dem Eheverhältnis in einem Maße, wie sie die Klägerin gesetzt hat, durchaus auch die objektiv gerechtfertigte Befürchtung, daß auch die dienstlichen Belange und Interessen des Beklagten von der Klägerin nicht mehr ausreichend gewahrt würden. Es war dem Kläger nicht zumutbar mit der Klägerin, die auf seinem Vorschlag, über die Dinge in Ruhe zu sprechen, erklärte, zu ihren Eltern zu ziehen und nicht mehr zum Beklagten zurückzukehren, falls er sein Verhalten ihr gegenüber nicht ändere, und offensichtlich nicht bereit war, die ehewidrigen Beziehungen zu Dr. B* aufzugeben, weiter zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit setzte gerade in der vereinbarten Form, die der besonderen Stellung der Klägerin als Frau des Beklagten Rechnung trug und ihr große Freiheiten ließ, ein besonders großes Vertrauen voraus, das in der entstandenen Lage weggefallen sein mußte.
Es darf allerdings nicht übersehen werden, daß der Beklagte durch sein Verhalten, das über eine angemessene und vertretbare Reaktionshandlung hinausging, zum Entstehen dieser Sachlage, insbesondere zur Vergrößerung und Festigung der Entfremdung zwischen den Streitteilen und des dadurch eingetretenen Vertrauensverlustes, beitrug und er durch sein Verhalten, insbesondere die Tätlichkeiten gegen die Klägerin, einen Sachverhalt setzte, der diese zur vorzeitigen Lösung des Dienstvertrages berechtigte.
Es hatte somit die Klägerin einen Entlassungstatbestand und der Beklagte einen Austrittsgrund gesetzt, sodaß vom Erstgericht mit Recht die Bestimmung des § 32 AngGes angewendet wurde, da beide Teile an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses ein Verschulden trifft.
Allerdings genügt für die Lösung des Dienstverhältnisses nicht ‒ wie anscheinend das Berufungsgericht meint, das nur darauf verweist, daß das Verhalten des Beklagten die Klägerin berechtigte, aus dem Dienstverhältnis vorzeitig auszutreten, ohne die Frage zu prüfen, ob sie diesen Austritt auch erklärt hat ‒ daß ein Grund für die Lösung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, die Lösung des Arbeitsverhältnisses muß vielmehr auch erklärt werden (Martinek-Schwarz aaO 419 f). Die Erklärung der Klägerin am 27. Juli 1976, daß sie nicht mehr zum Beklagten zurückkehre, war mit der Bedingung versehen, daß er sein Verhalten nicht ändere. Ob die bedingt abgegebene Auflösungserklärung wirksam war, kann dahingestellt bleiben, weil die Klägerin im vorliegenden Verfahren, wenn auch nicht in ihrem Vorbringen ausdrücklich, so doch in ihrem Begehren davon ausgeht, daß das Dienstverhältnis aufgelöst wurde, da sie auch die Zahlung einer Abfertigung begehrt und für diesen Anspruch Voraussetzung ist, daß das Dienstverhältnis beendet wurde. Falls sich die Klägerin nicht auf ihre eigene Auflösungserklärung stützte, könnte die Beendigung des Dienstverhältnisses nur aus der Erklärung des Beklagten vom 28. Juli 1976 abgeleitet werden. Daß diese nicht als Kündigung gemeint sein konnte, ergab sich daraus, daß darin eindeutig zum Ausdruck kam, der Beklagte sehe das Dienstverhältnis als durch ihn aus einem wichtigen Grund („wegen Arbeitsverweigerung“) einseitig beendet an und er wollte jedenfalls das Dienstverhältnis deswegen nicht mehr fortsetzen. Überdies hätte die Klägerin, wenn sie nur eine Kündigung und nicht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses (durch ihren vorzeitigen Austritt oder eine Entlassungserklärung des Beklagten) annehmen wollte, ihre Arbeitsleistung während der Kündigungsfrist anbieten müssen; sie hätte sich entscheiden müssen, ob sie das Verhalten des Beklagten zum Anlaß einer Beendigung des Dienstverhältnisses nimmt oder nicht. Sieht man die Austrittserklärung der Klägerin als wirksam an, dann muß aber der Klägerin auch ein Verschulden an der Herbeiführung des Austrittsgrundes angelastet werden, da sie das Verhalten des Beklagten, insbesondere auch seine Tätlichkeiten, durch ihre ehewidrigen Beziehungen zu Dr. B* und ihre Weigerung, diese aufzugeben, ausgelöst hat. Wird davon ausgegangen, daß das Dienstverhältnis erst durch die Erklärung des Beklagten vom 28. Juli 1976 aufgelöst wurde, so ist dem Beklagten eine Mitschuld am Zustandekommen des Entlassungstatsbestandes, nämlich des Verlustes der erforderlichen Vertrauensgrundlage durch das ehewidrige Verhalten der Klägerin, wegen seines bereits angeführten Beitrages zur Vergrößerung und Festigung der gegenseitigen Entfremdung anzulasten. Es ist somit in beiden Fällen ein Verschulden beider Teile an der Lösung des Dienstverhältnisses anzunehmen.
Zur Höhe des nach § 32 AngGes zu bestimmenden Ersatzes an die Klägerin ist zu berücksichtigen, daß sie durch ihr Festhalten an den auch mit dem Dienstverhältnis unvereinbaren ehewidrigen Beziehungen zu Dr. B* die primäre Ursache für das Entstehen der Auflösungsgründe setzte, aber im Klagsbetrag nicht nur Ansprüche nach § 29 AngGes, sondern auch das Gehalt für Juli 1976, die Abfertigung und Sonderzahlungen enthalten sind. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint der vom Erstgericht zugesprochene Betrag angemessen.
Der Revision des Beklagten war daher im. Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes teilweise Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 43, 50 ZPO.
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