European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00013.76.0406.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt von der Verlassenschaft nach ihrem am * 1973 verstorbenen Onkel M* S* als Entgelt für die in seinem Gastgewerbebetrieb (EZ * KG *, Haus *, „*schlößl“) in der Zeit vom 7. März 1969 bis 9. April 1973 als Serviererin mit Inkasso, Buffetkassiererin, Hotelportier und Hotelsekretärin erbrachten Arbeitsleistungen den Betrag von S 357.900,05 s.A. mit der Behauptung, ihr sei wiederholt von M* S* zugesichert worden, sie werde als Abgeltung für ihre erbrachten Arbeitsleistungen das *schlößl nach seinem Ableben erhalten. Nur in der Erwartung der Einhaltung dieses Versprechens habe sie die Dienstleistungen erbracht, ohne ausser freier Unterkunft und Verpflegung und eines einmaligen Betrages von S 9.000,- irgendeine Entlohnung zu erhalten. Der Klagsbetrag ergebe sich, ausgehend von einem angemessenen ortsüblichen Monatsentgelt von S 5.000,— brutto, an Lohn, Urlaubsabfindung, Jahresremuneration, Feiertagszuschüssen und Ruhetagsentschädigung.
Die beklagte Partei und die Nebenintervenienten beantragten Klagsabweisung, wendeten die Verjährung der Forderung unter Hinweis auf den im Kollektivvertrag vorgesehenen Verfall von Gehaltsansprüchen nach 4 Monaten ein, bestritten jede Zusage seitens des Erblassers, bestritten Ausmaß und Dauer der behaupteten Arbeitsleistungen und brachten vor, die Klägerin sei ordnungsgemäß entlohnt worden, insbesondere durch eine letztwillige Zuwendung des Erblassers in Höhe von S 599.370,12. Weiters wurde vorgebracht, die Klägerin müsse sich als Legatarin wegen Überschuldung der Verlassenschaft einen Kürzungsanspruch in Abzug bringen lassen. Ausserdem wendeten die beklagte Partei und die Nebenintervenienten eine Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes bis zur Höhe der Klagsforderung ein. Die Klägerin habe nämlich nach dem Tod des Erblassers das *schlössl eigenmächtig und ohne Auftrag weitergeführt, wodurch ein erheblicher Schade entstanden sei.
Das Erstgericht hat mit Teilurteil die beklagte Partei schuldig erkannt, der Klägerin einen Betrag von S 220.337,76 s.A. zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 137.562,29 s.A. wies es ab. Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der am * 1916 geborene M* S* war Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, Haus * (*schlößl) gewesen, auf der ein Gastgewerbebetrieb geführt wurde. M* S* verstarb am * 1973 und hinterließ eine von ihm selbst geschriebene und unterfertigte, mit seinem Todestag datierte letzte Willenserklärung, die wie folgt lautete:
„Mein Testament
Den Grund am Stausee T* B*, das Haus * dem R* B* vorausgesetzt, dass er es mag, sonst soll es eines der Kinder von G* B* bekommen. R* darf es nicht verkaufen, höchstens G*s Kinder.
Mein Testament Fortsetzung.
Das *schlößl samt Gärtnerhäusl sollen die Kinder insbesonders W* von R* Z* bekommen. R* soll es bis zur Übernahme verwalten und L* dazu. Meine Sparbücher der L* 2/3 und L* 1/3.“
Diese letzte Willenserklärung wurde am 17. April 1973 kundgemacht. Die gesetzlichen Erben nahmen die Erbschaft auf Grund des Gesetzes mit der Rechtswohltat des Inventars am 9. Juli 1973 an und zwar die Schwestern L* S* und H* H* sowie der erbl. Bruder W* S* zu je 1/4 und die Nachkommen der vorverstorbenen Schwester W* B*, nämlich G*, R* und E* B* (Klägerin) sowie E* M* zu je 1/16. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neufelden vom 28. November 1973 wurden diese Erbserklärungen zu Gericht angenommen. Bereits am 9. Juli 1973 verzichtete R* B* auf jedes Verwaltungsrecht, die Klägerin gab diesbezüglich keine Erklärung ab.
Die in der letzten Willenserklärung des M* S* erwähnten Sparbücher wiesen am Todestag einschließlich Zinsen ein Guthaben von S 947.020,– auf. Mit Schreiben vom 3. Juli 1973 machte die Gewerkschaft gastgewerblicher Arbeitnehmer unter Bezugnahme auf ein Telefonat vom 3. Juli 1973 Lohnansprüche, Überstunden, Ruhetagsentschädigung, Feiertagszuschüsse, Urlaubsabfindung sowie Sonderzahlungen der Klägerin gegen die Verlassenschaft geltend, wobei die ziffernmäßige Aufstellung nach Vorliegen der Unterlagen in Aussicht gestellt wurde. Am 31. Juli 1973 erfolgte die ziffernmäßige Aufstellung, die sich mit der Klagsforderung deckt.
Am 18. Juni 1974 erklärten alle gesetzlichen Erben, sämtliche Legate, insbesondere das zugunsten der Nebenintervenienten, und somit die letztwillige Verfügung anzuerkennen.
Der Buchsachverständige H* S* stellte per 9. April 1973 für das *schlößl einen Unternehmenswert (Betriebswert) von S 1.680.000,— und einen Ertragswert von S 2.000.000,— fest. Von der Ermittlung eines Firmenwertes wurde Abstand genommen, da ein solcher durch die lange Sperre bereits überholt wäre.
Die Klägerin begann am 7. März 1969 im *schlößl zu arbeiten. Es kam zwischen ihr und M* S* zu keiner Gehaltsvereinbarung. Anfangs beabsichtigte die Klägerin nicht, länger im *schlößl zu arbeiten, doch fand sie Gefallen an der Arbeit und beschloss nach einigen Monaten, länger zu bleiben. Die Klägerin war bei Beginn ihrer Tätigkeit im *schlößl nicht branchenfremd, sie war praktisch, mit dem Gastgewerbe groß geworden und hatte schon früher öfters im Hotel S* in * ausgeholfen. Zu Weihnachten 1969 erhielt die Klägerin von M* S* S 9.000,— mit dem Bemerken, dieser Betrag gelte für die Arbeitsleistungen ab April 1969.
Im Frühjahr 1970 machte die Klägerin Gehaltsansprüche geltend, wurde jedoch von M* S* unter Hinweis auf größere finanzielle Verpflichtungen vertröstet. Im Oktober 1970 stellte die Klägerin neuerlich Gehaltsforderungen, worauf ihr M* S* ausdrücklich zusicherte, sie werde das *schlößl ohnehin bekommen.
Die Klägerin wurde nur durch die Versprechungen des M* S* bewogen, ohne Gehalt im *schlößl weiterzuarbeiten und war bis zur Testamentseröffnung der Meinung, sie werde das *schlößl erben. Unmittelbar nachdem sie von der letzten Willenserklärung erfahren hatte, kündigte sie die Geltendmachung von Lohnansprüchen an.
Die Klägerin war in der Zeit von Oktober 1970 bis zum Tod des M* S* mit Service-, Inkasso-, Buffet-, und Rezeptionsarbeiten beschäftigt. Sie war eine vollwertige Kraft und half überall aus, wenn sie gebraucht wurde. Sie war auch schon ab Oktober 1970 mehr als 8 Stunden täglich beschäftigt und arbeitete täglich bis zur Sperrstunde (zwischen 0.00 und 2.00 Uhr früh). Während der Zeit der Erkrankung des M* S* übernahm sie auch die Geschäftsführung und war auch für Einkauf und Kassaführung verantwortlich.
Die Klägerin erhielt vom 7. März 1969 bis zum Tod des M* S* außer den oben erwähnten S 9.000,– zu Weihnachten 1969 und freier Unterkunft und Verpflegung keinerlei Entgelt oder Geschenke. Für ihre persönlichen Bedürfnisse kam sie von den vereinnahmten Trinkgeldern, die zwischen S 150,— und S 300,— täglich lagen, auf.
Das *schlößl war ganzjährig geöffnet, es gab keinen Ruhetag. Die Klägerin hatte nie Urlaub und hat jeden Tag gearbeitet. Saisonbetrieb war im *schlößl vom April bzw. Mai bis September bzw. Oktober. Für diese Zeit wurden jeweils zirka 5 zusätzliche Arbeitskräfte, darunter auch ein Küchenchef, eingestellt. Außerhalb der Saison arbeitete M* S* praktisch auch als Küchenchef. Außer M* S* und der Klägerin waren hauptsächlich Lehrlinge beschäftigt, die mit dem Inkasso nichts zu tun hatten. Außerhalb der Saison gab es keine Pensionsgäste. Es gab im *schlößl nie ein Tronc-System.
Laut Kollektivvertrag für die Angestellten in Gast- und Schankbetrieben betrug der kollektivvertragliche Bruttolohn in den Beschäftigungsgruppen I und II ab 1. Oktober 1970 S 2.950,—, ab 1. September 1971 in der Beschäftigungsgruppe I S 3.500,—, und ab 1. Mai 1972 S 3.960,—. Angestellte haben laut Kollektivvertrag Anspruch auf eine Jahresremuneration, welche im Kalenderjahr zwei Monatsgehälter gemäß den kollektivvertraglichen Gehaltssätzen beträgt. Für jeden entfallenen Ruhetag, der im laufenden Kalenderjahr nicht durch Ersatztage abgegolten wurde, ist ein halbes Sechstel des vereinbarten Monatsgehaltes für die Normalarbeitszeit des Monats, in dem der Ruhetag nicht konsumiert werden konnte, als Entschädigung zu leisten. Das ortsübliche Entgelt (Istlohn) betrug für die Zeit von Oktober 1970 bis 9. April 1973 mindestens S 8.000,— brutto für eine Hotelsekretärin.
M* S* hatte sowohl zu E* M* als auch zu der Klägerin, abgesehen von vorübergehenden Meinungsverschiedenheiten, ein gutes Verhältnis, doch stand ihm die Klägerin auf Grund des täglichen Kontaktes näher.
Eine Feststellung, dass M* S* beabsichtigte, Gehaltsansprüche der Klägerin dadurch abzufinden, dass er ihr 2/3 seiner Sparbücher hinterließ, konnte nicht getroffen werden.
Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Erstgericht zunächst die Zulässigkeit der Fällung eines Teilurteils, weil die Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Klagsforderung stehe und überdies auch die weitere Voraussetzung der Zweckmäßigkeit vorliege, zumal eine Spruchreife des Verfahrens über die Gegenforderung noch nicht abzusehen sei. Die weitere Gegenforderung aus einem Kürzungsanspruch hinsichtlich des der Klägerin zufallenden Vermächtnisses sei rechtlich verfehlt.
Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistungen in der Erwartung eines unentgeltlichen Empfangs erbracht. Ein schon durch Dienste „schwebend wirksam“ entstandener Lohnanspruch werde erst fällig, wenn sich herausgestellt habe, dass mit der Erfüllung der Zusage nicht mehr zu rechnen sei. Erst mit diesem Zeitpunkt beginne die Verjährung zu laufen. Abgesehen davon, dass für Ansprüche nach § 1152 ABGB die 3-jährige Verjährungszeit des § 1486 Z 5 ABGB gelte, habe die Klägerin bzw. die für sie einschreitende Gewerkschaft gastgewerblicher Arbeitnehmer bereits am 3. Juli 1973 ihre Ansprüche schriftlich geltend gemacht und auch innerhalb der im Kollektivvertrag normierten Verfallsfrist von vier Monaten, nämlich am 31. Juli 1973, ziffernmäßig aufgeschlüsselt. Die Verjährungseinrede erweise sich jedoch aus anderen Erwägungen für einen Teil des Anspruches als zielführend. Da sich nämlich der Anspruch der Klägerin nur auf den Rechtsgrund der zweckverfehlenden Arbeitsleistungen stützen könne, seien sämtliche Ansprüche bis zur ersten Zusage im Oktober 1970 bereits verjährt, da die Klägerin erst ab der berechtigten Erwartung der Erfüllung der Zusage aus dem genannten Titel Ansprüche stellen könne.
Ab Oktober 1970 habe die Klägerin ihre Arbeitsleistungen nur in der Erwartung einer letztwilligen Zuwendung des *schlößls bzw einer Betriebsübergabe noch zu Lebzeiten erbracht. Da M* S* die Erfüllung der Zusage vereitelt habe, bestehe der Anspruch der Klägerin auf angemessene Entlohnung ab Oktober 1970 zu Recht; die nur teilweise Erfüllung der Zusage oder die Leistung einer anderen Sache befreie die beklagte Partei nicht von der Verpflichtung zur angemessenen Entlohnung. Der Anspruch der Klägerin auf das ihr zugewendete Legat beruhe auf einem anderen Titel. Die Einwendung, M* S* habe der Klägerin 2/3 seiner Sparbücher als Abgeltung für ihre Arbeitsleistung vermacht, entbehre jeder Grundlage.
Die Höhe des klägerischen Anspruches errechnete das Erstgericht unter Berücksichtigung eines ortsüblichen Gehaltes von monatlich S 5.000,— brutto:
Gehalt Oktober 1970 bis 9. 4. 1973 S 151.538,40
Jahresremuneration Oktober 1970
bis 9. 4. 1973 S 18.527,34
Urlaubsabfindung für denselben Zeitraum S 19.119,42
Feiertagszuschüsse vom 1. 10. 1970 bis
9. 4. 1973, 29 Tage á S 192,30 S 5.576,70
Ruhetage Oktober 1970 bis 9. 4. 1973,
133 Tage á S 192,30 S 25.575,90
zusammen S 220.337,76.
Die Berufungen der Streitteile und der Nebenintervenienten blieben erfolglos. Das Berufungsgericht kam nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 5 ArbGerGes. zu denselben Feststellungen wie das Erstgericht. Zusätzlich stellte es fest:
Nach Punkt 6 lit c) des Kollektivvertrages abgeschlossen zwischen den Fachverbänden der Gast- und Schankbetriebe sowie der Beherbergungsbetriebe und dem ÖGB, gültig ab 1. Oktober 1970, verfallen Gehaltsansprüche, wenn sie nicht 4 Monate nach Fälligkeit vom Angestellten beim Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter schriftlich geltend, gemacht werden. Der am 1. Oktober 1969 in Kraft getretene Kollektivvertrag für das österreichische Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe hat grundsätzlich für Arbeiter und Arbeiterinnen (Lehrlinge) gegolten und enthält keine Verfallsfrist für Gehaltsansprüche von Angestellten. Als die Klägerin zu Weihnachten 1960 von M* S* den Betrag von S 9.000,— mit dem Bemerken erhielt, dieser Betrag gelte für die Arbeitsleistungen ab April 1969, war sie damit zufrieden.
Rechtlich bejahte das Berufungsgericht zunächst die Zulässigkeit der Fällung eines Teilurteiles, weil zwischen der erhobenen Lohnforderung der Klägerin und dem als Gegenforderung geltend gemachten Schadenersatzanspruch insbesondere deswegen ein rechtlicher Zusammenhang im Sinne des § 391 Abs 3 ZPO nicht bestehe, weil sich Forderung und Gegenforderung auf verschiedene Zeitabschnitte bezögen.
Weiters führte es aus, dass das der Klägerin ausgesetzte Legat auf die von der Klägerin erhobene Entgeltforderung nicht anzurechnen sei, weil nicht erwiesen sei, dass der Erblasser mit diesem Vermächtnis Gehaltsansprüche der Klägerin abgelten wollte; es sei keineswegs ausgeschlossen, dass die Klägerin dieses Vermächtnis auch dann erhalten hätte, wenn sie keine Arbeitsleistungen für den Erblasser erbracht hätte. Dass sie mehr als ihre Schwester bekam, könne auch darin begründet sein, dass sie dem Erblasser näher gestanden sei als die Schwester. Weiters lehnte das Berufungsgericht die Ansicht der Nebenintervenienten ab, die Klägerin müsse sich die erhaltenen Trinkgelder auf ihre Entlohnungsansprüche anrechnen lassen. Zur Berufung der Klägerin, die sich dagegen wandte, dass die von ihr für die Zeit vom März 1969 bis September 1970 erhobenen Entgeltansprüche vom Erstgericht als verjährt angesehen wurden, verwies das Berufungsgericht darauf, dass die Klägerin erst ab Oktober 1970 ihre Arbeitsleistung im Vertrauen auf die Zusage, sie werde das *schlößl erhalten, unentgeltlich erbrachte; vor diesem Zeitpunkt habe sie keinerlei Arbeitsleistung in Erwartung dieser Zuwendung erbracht. Die Ansprüche für die Zeit vor Oktober 1970 könnten daher nur auf einen Dienstvertrag gestützt werden und unterlägen gemäß § 1486 ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist, die zur Zeit der Klagserhebung (18. Jänner 1974) bereits abgelaufen gewesen sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen beider Streitteile und der Nebenintervenienten. Die Klägerin bekämpft die Abweisung eines Begehrens von S 137.562,29 s.A. wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Teilurteil im Sinn des Klagebegehrens abzuändern oder es aufzuheben. Die beklagte Partei und die Nebenintervenienten (diese trotz der offenbar irrtümlichen Erklärung, das Urteil hinsichtlich des „gesamten Inhaltes“ anzufechten) wenden sich dagegen, dass dem Klagebegehren teilweise stattgegeben wurde, und beantragen, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es aufzuheben; die beklagte Partei macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend, die Nebenintervenienten behaupten Feststellungsmängel und unrichtige rechtliche Beurteilung.
Schließlich beantragt die Klägerin, den Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenienten nicht Folge zu geben, während die beklagte Partei und die Nebenintervenienten beantragen, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind nicht berechtigt.
Die beklagte Partei macht zunächst geltend, dass die Fällung eines Teilurteils unzulässig, jedenfalls aber unzweckmäßig gewesen sei. Zwischen der Klagsforderung und der Gegenforderung bestehe nämlich ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang, der auch einen rechtlichen Zusammenhang enthalte. Mit Rücksicht auf die Überschuldung des Nachlasses sei eine einheitliche Feststellung der Forderung und der Gegenforderung in einem Urteil zweckmäßiger.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Erlassung eines Teilurteiles nur insoweit angefochten werden kann, als die Entscheidung gegen gesetzliche Vorschriften über die Zulässigkeit des Teilurteiles verstösst; nur ein solcher Verstoß kann, bekämpft werden, nicht aber die Ermessensentscheidung des Gerichtes über die Zweckmäßigkeit der Erlassung eines Teilurteiles (Fasching ZP II 938 f, III 570, SZ 40/162 u.a.). Obgleich die Anwendung der Bestimmung des § 391 Abs 3 ZPO eine Frage des Prozessrechtes ist, hängt ihre richtige Lösung von der materiell‑rechtlichen Frage des rechtlichen Zusammenhangs zweier Forderungen ab, weshalb diese Frage im Rahmen des Revisionsgrundes des § 503 Z 4 ZPO erörtert werden kann. Die Rüge, die Erlassung eines Teilurteiles entspreche nicht den Vorschriften des § 391 Abs 3 ZPO, ist daher im Revisionsverfahren trotz des Umstandes zu prüfen, dass sie bereits vom Berufungsgericht als nicht berechtigt erkannt wurde.
Die Auffassung des Berufungsgerichtes dass zwischen Klagsforderung und Gegenforderung kein rechtlicher Zusammenhang im Sinn des § 391 Abs 3 ZPO bestehe, ist aber richtig. Ein solcher rechtlicher Zusammenhang zwischen Forderung und Gegenforderung ist dann gegeben, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag, einer einzigen gesetzlichen Vorschrift, einem einheitlichen Rechtsverhältnis oder einem einheitlichen unter einem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilenden Lebenssachverhalt hergeleitet werden (Fasching ZP III 583, SZ 42/162, 5 Ob 139/73 u.a.). Abgelehnt wurde ein rechtlicher Zusammenhang etwa zwischen Forderung und Gegenforderung aus einem Dienstverhältnis, die sich auf verschiedene Zeitperioden dieses Dienstverhältnisses beziehen (Fasching ZP III 583 unter Berufung auf 4 Ob 12/57). Die Forderung der Klägerin und die eingewendeten Gegenforderungen beziehen sich im vorliegenden Fall nicht nur auf verschiedene Zeiträume, sondern auch auf einen geänderten Sachverhalt. Während nämlich die Forderung daraus abgeleitet wird, dass die Klägerin zu Lebzeiten des M* S* für diesen in dessen Betrieb Dienstleistungen erbracht habe, wird die Gegenforderung darauf gestützt, dass die Klägerin nach dem Tod M* S* dessen Betrieb eigenmächtig – somit als Unternehmerin – weitergeführt habe. Der Lebenssachverhalt, aus dem die Klagsforderung abgeleitet wird, unterscheidet sich somit auch in tatsächlicher Hinsicht wesentlich von dem, auf den die Gegenforderung gestützt wird. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht angenommen, dass die Fällung eines Teilurteils gemäß § 391 Abs 3 ZPO zulässig ist, weil zwischen Klagsforderung und Gegenforderung kein dem entgegenstehender rechtlicher Zusammenhang im Sinn dieser Gesetzesstelle gegeben war.
Dass die Zweckmäßigkeit der Fällung eines Teilurteiles nicht überprüfbar ist, wurde bereits betont. Gegenüber den Ausführungen in der Revision der beklagten Partei zu dieser Frage genügt es somit darauf zu verweisen, dass die bezogenen Belegstellen darüber, dass die Unzulänglichkeit des Nachlasses bereits im Erkenntnisverfahren und nicht erst im Exekutionsverfahren zu prüfen sei (Weiß‑Klang 2 III 984, 985), nicht den Fall einer Klage gegen die Verlassenschaft, sondern jenen einer Klage gegen bedingt haftende Erben betreffen und daher schon aus diesem Grund für den vorliegenden Fall nicht zielführend sind. Im vorliegenden Fall wird nämlich nicht ein (bedingt haftender) Erbe, sondern die noch nicht eingeantwortete Verlassenschaft geklagt. Damit gehen auch die Ausführungen über eine Kürzung allfälliger Ansprüche der Klägerin wegen Unzulänglichkeit der Verlassenschaft ins Leere.
Ob das der Klägerin vermachte Legat zu kürzen ist, ist hier nicht zu erörtern, weil diese Leistung nicht Verfahrensgegenstand ist.
Die Berechtigung des Anspruches der Klägerin auf ein angemessenes Entgelt wird von der beklagten Partei und den Nebenintervenienten an sich nicht mehr bestritten. Die beklagte Partei meint vielmehr nur, dass die Klägerin ein angemessenes Entgelt schon durch die Zuwendung eines Legates erhalten habe; dieses Legat müsse aber jedenfalls auf den Anspruch der Klägerin insoweit angerechnet werden, als es jenes übersteigt, das ihrer Schwester zugekommen ist. Die Nebenintervenienten machen geltend, dass die Klägerin Trinkgelder erhalten habe und diese auf ihr (angemessenes) Entgelt anzurechnen seien.
Zu diesen Ausführungen ist davon auszugehen, dass für den Anspruch der Klägerin wesentlich ist, dass sie nach den Feststellungen der Untergerichte im Oktober 1970 Gehaltsforderungen stellte, sich aber dann wegen der ausdrücklichen Zusage des M* S*, sie werde ohnehin das *schlößl bekommen, entschloss, „ohne Gehalt“ weiterzuarbeiten. Sie war bis zur Testamentseröffnung der Meinung, dass sie tatsächlich das *schlößl bekommen werde. Die Klägerin hat somit in der M* S* erkennbaren Erwartung einer späteren Zuwendung des *schlößls ab diesem Zeitpunkt Dienste ohne (angemessene) Entlohnung geleistet und M* S* musste erkennen, dass er eine angemessene Entlohnung der Klägerin nur dann nicht zahlen braucht, wenn diese tatsächlich das *schlößl bekommt, er also nur die Wahl habe, entweder der Klägerin das *schlößl zukommen zu lassen oder ihre geleisteten Dienste angemessen zu entlohnen (Bydlinski FS Wilburg 45 ff, Aicher ZAS 1974 100, ArbSlg 9171, 9127 u.a.). Da feststeht, dass die Klägerin das *schlößl nicht zugewendet erhielt, hat sie somit Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Entgeltes.
Für die Behauptung, sie habe ein angemessenes Entgelt bereits zur Gänze oder teilweise erhalten, ist die beklagte Partei als Schuldnerin beweispflichtig. Die Revision der beklagten Partei wendet sich daher zu Unrecht dagegen, dass das Berufungsgericht der beklagten Partei die Beweislast dafür auferlegte, dass M* S* mit der Zuwendung eines Vermächtnisses die Entgeltansprüche der Klägerin befriedigen wollte. Da eine Feststellung, dass M* S* diese Absicht gehabt habe, von den Untergerichten nicht getroffen, sondern sogar ausdrücklich abgelehnt wurde, kann diese letztwillige Zuwendung auf die Entgeltsansprüche der Klägerin nicht angerechnet werden. Mit Recht haben die Untergerichte übrigens darauf verwiesen, dass die Klägerin, wenn auch nicht pflichtteilsberechtigt, so doch eine Verwandte des Erblassers war, und auch ihre – dem Erblasser weniger nahestehende – Schwester ein Legat zugewendet bekam. Auch das spricht dafür, dass die Zuwendung des Vermächtnisses unabhängig von der Arbeitsleistung der Klägerin erfolgte. Für den Entgeltsanspruch der Klägerin ist wesentlich, dass sie nicht jene Zuwendung erhielt, derentwegen sie die Dienste zunächst ohne angemessene Bezahlung leistete, nämlich das *schlößl. Da die Erwartung dieser Zuwendung die Geschäftsgrundlage für die zunächst (ganz oder teilweise) unentgeltliche Arbeitsleistung durch die Klägerin war, kann sie nicht durch eine andere Zuwendung ersetzt werden. Ihr Anspruch auf eine angemessene Entlohnung wegen des Unterbleibens der Zuwendung des *schlößls besteht daher trotz des erhaltenen Legates.
Der Auffassung der Nebenintervenienten, dass sich die Klägerin die erhaltenen Trinkgelder auf das ihr zustehende angemessene Entgelt anrechnen lassen müsse, kann nicht zugestimmt werden. Wenn auch die Eröffnung von Erwerbsmöglichkeiten für das Bedienungspersonal als eine Form der Naturalentlohnung angesehen wurde, so setzte sich jedenfalls im Gastgewerbe die Auffassung durch, dass die über die Trinkgeldablöse hinausgehenden oder bei Fehlen einer Trinkgeldablöse geleisteten echten Trinkgelder, die von den Gästen freiwillig an das Bedienungspersonal gegeben werden, zwar als Einkommen des Dienstnehmers, nicht aber als „Lohn“ anzusehen sind, sodass sie auf den vom Dienstgeber geschuldeten Lohn nicht anzurechnen sind. Das echte Trinkgeld steht nicht dem Dienstgeber, sondern dem Dienstnehmer zu, dem es von den Gästen ohne rechtlichen Anspruch als Anerkennung für die erbrachten Dienstleistungen gegeben wird. Damit unterscheidet es sich wesentlich vom Bedienungsgeld (Umsatzprozententlohnung), das nach den Feststellungen der Untergerichte im Betrieb des Erblassers nicht eingeführt war. Dieses echte Trinkgeld ist daher kein Lohn des Dienstnehmers, der auf seinen Entgeltanspruch anrechenbar wäre. (Vajna ZAS 1968/38 ff, insbesondere 40, Mayer‑Maly österreichisches Arbeitsrecht 83, ArbSlg 8363). Dass Dienstnehmer, die mit der Bedienung von Gästen beschäftigt sind, auch die Möglichkeit haben, Trinkgelder zu empfangen, ist im Gastgewerbe üblich; die Gewährung dieser Möglichkeit ist somit auch ein Teil des der Klägerin gebührenden „angemessenen“ Entgeltes, das aus Geldbzügen, freier Unterkunft und der Möglichkeit, Trinkgeld zu erhalten, besteht. Eine Kürzung der der Klägerin zustehenden Geldbezüge mit dem Hinweis darauf, dass sie ohnehin Gelegenheit hatte, Trinkgelder zu verdienen, ist daher nicht gerechtfertigt.
Die Behauptung der Revision der Nebenintervenienten, zwischen der Klägerin und M* S* sei zumindest stillschweigend vereinbart worden, dass das Trinkgeld zu dem ihr zustehenden Entgelt gehöre, ist durch den festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt. Darnach erhielt sie nämlich außer freier Unterkunft und Verpflegung sowie einem einmaligen Betrag von S 9.000,— keinerlei Entgelt und deckte sie ihre persönlichen Bedürfnisse durch die vereinnahmten Trinkgelder. Daraus geht hervor, dass diese ihr direkt zukamen und nicht auf die Leistungsverpflichtungen des M* S* anzurechnen waren.
Damit erweisen sich die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenienten als unberechtigt.
Die Klägerin bekämpft in ihrer Revision die Ansicht der Untergerichte, dass ihre Ansprüche für die Zeit vor dem 1. Jänner 1970 verjährt seien. Sie behauptet, sie habe die Entgeltansprüche für diese Zeit nur deswegen im Oktober 1970 nicht geltend gemacht, weil auch diese Ansprüche durch die Zuwendung des *schlößls abgegolten werden sollten. Es beginne daher auch die Verjährung dieser Ansprüche erst mit dem Tod des Erblassers, weil vereinbart gewesen sei, dass diese Ansprüche vorher nicht fällig seien. M* S* habe die Arbeitsleistung der Klägerin auch während der Zeit von März 1969 bis September 1970 nur unter der Voraussetzung als unentgeltlich ansehen dürfen, dass die zugesagte Überlassung des *schlößls an die Klägerin tatsächlich erfolgt. Diese Zuwendung sei daher (nachträglich) auch zum Geschäftszweck der Arbeitsleistungen der Klägerin während der Zeit vor Oktober 1970 gemacht worden.
Diese Ausführungen gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Darnach hat nämlich die Klägerin erst ab Oktober 1970 „ohne Gehalt“ im *schößl „weitergearbeitet“, weil ihr von M* S* zugesagt worden war, dass sie das *schlößl bekomme, während sie vor dieser Zeit keinerlei Arbeitsleistungen in Erwartung dieser Zuwendung erbrachte (AS 198, 215). Damit fehlt eine Grundlage für eine Forderung nach Bezahlung der vor Oktober 1970 geleisteten Arbeiten aus dem Grund, dass sie den zur Geschäftsgrundlage gemachten Zweck nicht erreicht hätten. Dass die Zuwendung des *schlößls an die Klägerin im Oktober 1970 auch für die bis dahin geleisteten Arbeiten nachträglich zur Geschäftsgrundlage gemacht worden sei oder eine Stundung des Entgeltsanspruches bis zum Tod des M* S* vereinbart worden wäre, wurde nicht festgestellt. Der Anspruch auf ein Entgelt für die Arbeitsleistungen vor Oktober 1970 könnte sich daher nur auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses stützen. Die daraus zustehenden Ansprüche verjähren aber gemäß § 1486 Z 5 ABGB innerhalb von drei Jahren (ArbSlg 8844, 7042, u.a.). Diese Frist war hinsichtlich der Entgeltsansprüche für die Zeit vor Oktober 1970 im Zeitpunkt der Klagserhebung (18. Jänner 1974) bereits abgelaufen. Diese Ansprüche sind daher jedenfalls bereits verjährt, sodass es darauf, ob auf weitergehende Ansprüche bis zur Zahlung des Betrages von S 9.000,– zu Weihnachten 1969 verzichtet wurde oder ob wegen des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin und M* S* überhaupt bei den gegebenen Umständen eine entgeltliche Dienstleistung anzunehmen sei, nicht mehr ankommt. Das bereits verjährte Entgelt kann aber auch nicht mehr aus dem Titel der Bereicherung oder einer Kondiktion gefordert werden (JBl 1958 522).
Es war daher auch der Revision der Klägerin ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 2 ZPO.
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