OGH 3Ob70/76

OGH3Ob70/7622.6.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Schubert als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei W*, vertreten durch Dr. Heinrich Orator, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Dr. R*, Ausgleichsvermittler, *, vertreten durch Dr. Josef Friedrich, Rechtsanwalt in Graz, wegen Erwirkung von Unterlassungen infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für ZRS. Graz als Rekursgerichtes vom 18. März 1976, GZ. 1 R 110/76-20, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für ZRS. Graz vom 16. Oktober 1975, GZ. 9 E 847/74-10, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00070.76.0622.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss der ersten Instanz wieder hergestellt wird.

Die Revisionsrekurskosten der betreibenden Partei werden mit S 1.159,74 (darin S 40,-- Barauslagen und S 82,94 Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

 

Begründung:

Dr. R* ist auf Grund des von der betreibenden Gläubigerin erwirkten Urteiles des Handelsgerichtes Wien vom 27. Dezember 1973, GZ. 17 Cg 112/73 verpflichtet, in Ausübung des Gewerbes als Ausgleichsvermittler a) die Vertretung von Personen (Schuldnern) vor Behörden ... b) die Verfassung von Eingaben seiner Auftraggeber (Schuldner) an Behörden ... c) die Erteilung von gem. lit. a oder b einschlägigen Auskünften, insbes. die Beratung seiner Auftraggeber (Schuldner) vor Gerichten im Konkurs- oder Ausgleichsverfahren, b) das Anerbieten zu Tätigkeiten gemäss lit. a bis c in schriftlichen oder mündlichen Kundgebungen zu unterlassen. Wegen Zuwiderhandelns gegen diesen Exekutionstitel bewilligte das Titelgericht am 26. August 1974 gegen Dr. R* gemäss § 335 EO die Exekution. Mit den Beschlüssen vom 29. November 1974, ON. 3 und vom 12. Dezember 1974, ON. 5, verhängte das Erstgericht als Vollzugsgericht gegen den Verpflichteten wegen neuerlichen Zuwiderhandelns gegen die Exekutionsbewilligung Geldstrafen von S 2.000,-- und S 4.000,--. Den gegen den Strafvollzugsbeschluss ON. 5 gemäss § 36 Abs. 1 Z. 1 EO erhobenen Einwendungen des Verpflichteten gab das Erstgericht mit dem Urteil vom 26. Mai 1975, 9 C 13/75-14, statt. Der Oberste Gerichtshof stellte dieses von der zweiten Instanz abgeänderte Urteil mit der Begründung wieder her, dass selbst bei Annahme eines allfälligen Zuwiderhandelns des Verpflichteten gegen Punkt c) des Exekutionstitels, weil jedenfalls vor dem Strafvollzugsbeschluss vom 29. November 1974 erfolgt, die weitere Strafverhängung auf Grund des Antrages vom 12. Dezember 1974 nicht gerechtfertigt gewesen sei. Auf Grund des Antrages der betreibenden Gläubigerin vom 15. September 1975, in welchem eine Vielzahl neuerlicher Zuwiderhandlungen des Verpflichteten gegen seine Unterlassungspflicht behauptet wurde, verhängte das Erstgericht mit Beschluss vom 16. Oktober 1975, ON. 10, gegen den Verpflichteten an Stelle der begehrten Haftstrafe eine Geldstrafe von S 10.000,--. Das Rekursgericht setzte die Strafe auf S 4.000,-- herab. Die bei wiederholter Androhung der Beugemittel vorgesehene Erhöhung der Strafe müsse in einem gewissen Verhältnis zur zeitlich früheren Strafe stehen, doch könne die Strafverfügung vom 12. Dezember 1974, ON. 5 nicht zum Ausgangspunkt einer Straferhöhung genommen werden, weil sie nach dem über die Einwendungen nach § 36 EO ergangenen Urteil des Obersten Gerichtshofes nicht gerechtfertigt gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Gläubigerin, dem Berechtigung zukommt.

Der Revisionsrekurs ist mit der Ansicht, dass die Strafverfügung vom 12. Dezember 1974 nur aus einem „reinen Formalgrund“ aufgehoben wurde, nicht im Recht. Der Exekutionsvollzug nach § 355 EO besteht darin, dass der Verpflichtete durch einen stufenweise zu verschärfenden Zwang zur Befolgung des Exekutionstitels bzw. der Exekutionsbewilligung verhalten wird. Mit der Verhängung einer Strafe beginnt im Verlaufe des Vollzuges eine neue Stufe des verschärften Zwangs, ein neuer Zeitabschnitt, in dem die Verhängung einer weiteren Strafe für ein weiteres Zuwiderhandeln in einem früheren Zeitabschnitt nicht mehr zulässig ist, gleichgültig, ob dieses weitere Zuwiderhandeln bei der den betreffenden Zeitabschnitt beendenden Verhängung der Strafe schon bekannt war oder nicht (Heller‑Berger‑Stix S. 2588, SZ 45/79). Der Strafvollzugsbeschluss vom 12. Dezember 1974 wurde deshalb aufgehoben, weil das von der betreibenden Gläubigerin behauptete Verhalten des Verpflichteten nicht als neuerliches Zuwiderhandeln – nach Erlassung der Strafverfügung vom 29. November 1974  qualifiziert werden konnte und daher die Voraussetzungen für die Verhängung einer weiteren Geldstrafe fehlten.

Dem Revisionsrekurs ist jedoch zuzugeben, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung, es müsse die vom Erstgericht verhängte Geldstrafe von S 10.000,-- deshalb herabgesetzt werden, weil der Strafvollzugsbeschluss vom 12. Dezember 1974 im Prozessweg beseitigt wurde, nicht stichhältig ist. Es ist auch richtig, dass eine Strafe mehr als das Doppelte der zuletzt verhängten Strafe betragen darf, da das Exekutionsgericht bei Anwendung von Zwangsmittel nur an die Grenzen des § 355 Abs. 1 und 3 EO gebunden ist. Innerhalb dieser Grenzen unterliegt die Auswahl und Bemessung der einzelnen Strafen dem zweckgebundenen Ermessen des Vollzugsgerichtes. Es entspricht dem Zweck der Beugemittel, dass sie mit dem Grad und der Hartnäckigkeit des Zuwiderhandelns eine Steigerung erfahren müssen (Heller-Berger-Stix S. 2590). Nun ist nach den Antragsbehauptungen davon auszugehen, dass der Verpflichtete in der Zeit zwischen der Erlassung der Strafverfügung vom 29. November 1974 und dem Strafvollzugsbeschluss vom 16. Oktober 1975 der Exekutionsbewilligung wiederholt zuwidergehandelt und damit deutlich gezeigt hat, zur Erfüllung seiner Unterlassungspflicht trotz gerichtlichen Zwanges nicht bereit zu sein. Mit Rücksicht auf diese Hartnäckigkeit des Zuwiderhandelns ist die Steigerung der Geldstrafe auf S 10.000,-- zweckmässig und gerechtfertigt.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der Beschluss der ersten Instanz wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, 78 EO.

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