OGH 3Ob58/25p

OGH3Ob58/25p23.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N* GmbH, *, vertreten durch die Skribe Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Mag. Dieter Ebner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe, aus Anlass der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 4. Februar 2025, GZ 18 R 202/24w‑19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 29. August 2024, GZ 2 C 439/24y‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00058.25P.0723.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Das Verfahren über die Revision der beklagten Partei wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts St. Pölten vom 19. Juni 2024 zu 21 R 81/24f, Rechtssache C-468/24 , Netz Niederösterreich, unterbrochen.

Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Strom-Verteilernetzbetreiberin. Der Beklagte ist Endverbraucher und bezieht aufgrund eines aufrechten Netzzugangsvertrags mit der Klägerin von dieser Strom. An der Wohnadresse des Beklagten befindet sich ein von der Klägerin dem Beklagten zur Verfügung gestelltes und im Eigentum der Klägerin stehendes Strommessgerät, das noch nicht eichfällig ist.

[2] Die Klägerin begehrte die Herausgabe dieser Strommesseinrichtung zum Zweck des Austauschs mit einem digitalen und den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Strommessgerät.

[3] Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei zum Austausch nicht verpflichtet. Durch den Einbau eines Smart Meter sei die Einhaltung der Datenschutz- und Konsumentenschutzbestimmungen nicht gewährleistet und er habe keine Sicherheit dafür, dass die Klägerin die Daten seines Stromverbrauchs nicht nachträglich in Einzelanalyse verwerte. Es gebe auch keine medizinischen Messergebnisse darüber, ob das Gerät bei dauerndem Betrieb Einfluss auf das vegetative Nervensystem habe.

[4] Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Klägerin sei aufgrund ihres Eigentumsrechts berechtigt, vom Beklagten die Herausgabe des bei diesem befindlichen Zählers zu fordern. Das danach einzubauende Messgerät sei nicht Gegenstand des Verfahrens.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision zur Frage für zulässig, ob sich die Verpflichtung zur Duldung des Austauschs eines Strommessgeräts schon aus dem Gesetz ergebe.

[6] Mit seiner Revision beantragt der Beklagte die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im klageabweisenden Sinn.

[7] Die Klägerin beantragt mit ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Aus Anlass der Revision ist das Verfahren zu unterbrechen.

[9] 1. Das Landesgericht St. Pölten hat mit Beschluss vom 19. Juni 2024 zu 21 R 81/24f in einem Parallelverfahren dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art 22 der Richtlinie 2019/944 / EU in Verbindung mit Anhang II dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu [berücksichtigen] hat und in diesem Fall verpflichtet ist, dem Endverbraucher an der Stelle eines intelligenten Messsystems einen konventionellen Zähler zur Verfügung zu stellen?

2. Ist Art 2 Abs 1 der Richtlinie 2014/32/EU , der ein ꞌMessgerätꞌ im Sinne der gerätespezifischen Anhänge III bis XII näher definiert (Elektrizitätszähler für Wirkverbrauch [MI-003]) in Verbindung mit Art 20 Buchst b und Buchst c und Art 23 Abs 3 der Richtlinie 2019/944 / EU dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts (§ 7 Abs 1 Z 31 Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz, in der Folge kurz: ElWOG), die keine konkreten Anforderungen an die Datensicherheit von Messgeräten stellt, entgegensteht?

3. Ist bei der Auslegung der Art 20 Buchst b und Buchst c, Art 21 Abs 1 Buchst a, Art 23 Abs 3 der Richtlinie 2019/944/EU auch auf Art 6 Abs 1 der Richtlinie 85/374/EWG in der durch die Richtlinie 1999/34/EG geänderten Fassung Bedacht zu nehmen?

4. Ist Art 5 Abs 3 der Richtlinie 2002/58/EG dahin auszulegen, dass der Begriff ꞌelektronisches Kommunikationsnetzꞌ auch auf ein Stromnetz anzuwenden ist, über welches Daten (Verbrauchsdaten, Meta-Daten, persönliche ID) nach den Zwecken der Art 20 Buchst b und Buchst c, Art 21 Abs 1 Buchst a und Art 23 Abs 3 der Richtlinie 2019/944 / EU übertragen werden?

5. Sind die Art 5 Abs 1 Buchst f, Art 13, Art 32 Abs 2 der Verordnung 2016/679 / EU und Art 7, Art 8 Abs 1 und 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: ꞌGRCꞌ) dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift (§ 1 Abs 6 Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung) entgegenstehen, nach welcher nur die jeweilige Konfiguration des Ableseintervalls für den Endverbraucher ersichtlich sein muss, nicht aber, ob der Netzbetreiber einen ꞌbegründeten Einzelfallꞌ (§ 84a Abs 1 ElWOG) erkannt hat und Daten des Endverbrauchers vor dem festgelegten Intervall abgerufen hat?

6. Ist im Hinblick auf Art 52 Abs 3 GRC, Abs 5 der Präambel und die Erläuterungen zu Art 7 GRC die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art 8 EMRK für die Auslegung der Art 20 Buchst b und Buchst c, Art 21 Abs 1 Buchst a und Art 23 Abs 3 der Richtlinie 2019/944 / EU heranzuziehen?

[10] 2. Dieses Vorabentscheidungsverfahren zur Rechtssache C‑468/24 , Netz Niederösterreich, ist für die Entscheidung im vorliegenden Fall zumindest in Teilbereichen präjudiziell.

[11] Da der Oberste Gerichtshof von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen sowie diese auch für andere Fälle als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden hat, ist es aus prozessökonomischen Gründen zweckmäßig, das Revisionsverfahren zu unterbrechen (RS0110583).

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