OGH 3Ob552/77

OGH3Ob552/7729.3.1978

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Dr. Gerhard Fulterer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei P*, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 130.000,– sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 17. März 1977, GZ 2 R 46/77‑16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 31. Dezember 1976, GZ 6 Cg 4558/75‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1978:0030OB00552.77.0329.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.224,40 (darin S 600,– Barauslagen und S 194,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des Klägers wurde am 13. Jänner 1975 das Ausgleichsverfahren eröffnet. Im Februar oder März 1975 bot der Kläger in einem Zeitungsinserat die Einrichtung seiner in der * in * betriebenen Diskothek zum Kauf an. Verschiedene dieser Einrichtungsgegenstände waren Eigentum dritter Personen (Eigentumsvorbehalt der Verkäufer) und mit exekutiven Pfandrechten belastet. Der Beklagte trat als Kaufinteressent auf. Er beabsichtigte, die Einrichtung der Diskothek für seinen Sohn zu erwerben.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 130.000,–samt 9 % Zinsen seit 1. Juni 1975. Er brachte hiezu vor, daß er sich mit dem Beklagten auf einen Kaufpreis von S 650.000,– für das gesamte Unternehmen samt 16 % Umsatzsteuer geeinigt habe. Der Kaufvertrag sei mit Handschlag bekräftigt worden. Der Beklagte habe verlangt, daß die mündlich getroffene Vereinbarung sofort schriftlich festgehalten werde. Der Kläger habe dies wegen des anhängigen Ausgleichsverfahrens ablehnen müssen. Der Beklagte habe erklärt, den Kaufpreis durch den Verkauf seines Hauses in *, das einen Wert von mindestens 1.000.000,– S habe und mit einer Hypothek von nur S 70.000,– belastet sei, aufbringen werde. Zwischen den Streitteilen sei außerdem vereinbart worden, daß der Betrieb der Diskothek im Innenverhältnis auf den Beklagten übergehen solle, während nach außen hin der Kläger als Konzessionsinhaber noch Inhaber des Unternehmens bleibe. Der Beklagte habe den Betrieb am 30. März 1975 übernommen, den dort tätigen Disc-Jokey F* zum Geschäftsführer bestellt, diesem Generalvollmacht erteilt und auf seine Kosten Isolierungsarbeiten in der * begonnen. Als der Kläger bei der Hypothekenbank in * nachgefragt und erfahren habe, daß der Beklagte entgegen seiner Behauptung keine Aussicht auf die Gewährung eines Hypothekarkredites habe, da sein Haus nur einen Wert von S 600.000,– habe und mit einer Hypothek von S 300.000,– belastet sei, habe er dem Beklagten den Rücktritt vom Vertrag freigestellt. Der Beklagte habe jedoch erklärt, daß er an der Aufrechterhaltung des Kaufvertrages interessiert sei. Auf Verlangen des Klägers habe der Beklagte vier vom Kläger ausgestellte Wechsel und zwar zwei Wechsel über je S 50.000,– einen Wechsel über S 160.000,– und einen weiteren Wechsel über S 390.000,– unterfertigt und nach Unterzeichnung durch seine Frau und seinen Sohn dem Kläger ausgehändigt. Mitte April 1975 sei der Kläger mit der Begründung, daß ihn der Beklagte über seine Vermögenslage und seine Zahlungsfähigkeit vorsätzlich in Irrtum geführt habe, vom Vertrag zurückgetreten. Der Beklagte habe dem Kläger auf dessen Verlangen die Schlüssel zur Diskothek zurückgestellt und kurz darauf auf Herausgabe der Wechsel geklagt. Die Wechsel habe der Kläger in der Zwischenzeit dem Beklagten zurückgegeben. In der Folge habe der Kläger die Diskothek um rund 449.000,– S zuzüglich Umsatzsteuer an F* verkauft. Für den Mindererlös von S 200.000,– habe der Beklagte aus dem Titel des Schadenersatzes aufzukommen, doch werde aus Gründen der Kostenersparnis vorläufig nur ein Teilbetrag von S 100.000,–geltend gemacht. Der Beklagte habe die Diskothek vom 30. März bis 13. April 1975 auf eigene Rechnung geführt und einen Reinerlös von mindestens S 30.000,– erzielt. Diesen Betrag habe er auf Grund seines Verhaltens herauszugeben.

Der Beklagte gestand lediglich die Kaufabsicht zu, nicht jedoch den behaupteten Kaufabschluß. Dem Kläger sei es gelungen, die geschäftlich unerfahrenen und gutgläubigen Eheleute W* noch vor dem beabsichtigten Kauf zur Unterfertigung von 4 Wechseln und zu Investitionen von etwa 150.000,– S zu veranlassen. Über Empfehlung des Klägers habe der Beklagte F* als Manager engagiert und diesem unbeschränkte Vollmacht erteilt. Der Kläger habe dem Beklagten die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens verschwiegen und ihm vorgespiegelt, daß mit der Diskothek ein „Bombengeschäft“ zu machen sei. Er habe gemeinsam mit seinem Vertrauten F* versucht, sich auf Kosten des Beklagten zu sanieren. F* habe die Diskothek mit Verlust geführt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte fest, daß zwischen den Streitteilen ein Kaufvertrag über die Einrichtung der Diskothek nicht gültig zustande gekommen sei. Auf Grund der festgestellten Widersprüche könne eine Willenseinigung über den Kauf der Einrichtung nicht als erwiesen angenommen werden. Es könne lediglich als gesichert gelten, daß der Beklagte als Kaufinteressent aufgetreten sei und Maßnahmen zur Beschaffung des Kaufpreises getroffen habe. Es sei nicht einmal erwiesen, daß sich der Beklagte endgültig zum Abschluß eines Kaufvertrages entschlossen habe.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß das Zustandekommen eines Kaufvertrages die Willenseinigung der Parteien über den Kaufgegenstand und den Kaufpreis voraussetze. Die Einwilligung könne ausdrücklich oder durch konkludente Handlungen erklärt werden. Eine Willenserklärung durch konkludente Handlungen sei nur anzunehmen, wenn bei Überlegung der Umstände kein vernünftiger Grund bestehe, am Vertragswillen zu zweifeln. Da jedoch solche Zweifel hinsichtlich des Willens zum Kaufabschluß bestünden, reichten die vom Beklagten gesetzten Handlungen nicht aus, die fehlende ausdrückliche Willenserklärung zu ersetzen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers hinsichtlich der Abweisung des Teilbegehrens von S 100.000,– sA mit Urteil nicht Folge und bestätigte das Urteil erster Instanz in diesem Umfange als Teilurteil. Hinsichtlich der Abweisung des weiteren Begehrens von S 30.000,– sA hob das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz mit Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht übernahm die oben wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes, denen zufolge der rechtsgeschäftliche Kontakt der Streitteile über das Stadium von Vertragsverhandlungen nicht hinausgegangen sei, als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Die Annahme des Erstgerichtes, daß das offenbar irrtümlich in den Ausgleichsakt Sa 1/75 des Landesgerichtes Feldkirch geratene Inventar des Gemeinschuldners E* (S 1/75 des Landesgerichtes Feldkirch) den Kläger betreffe, sei zwar aktenwidrig, aber unwesentlich. Die Rechtsrüge des Klägers sei, soweit sie von einer Willenseinigung der Parteien ausgehe, nicht gesetzmäßig ausgeführt. Das Begehren des Klägers auf Zahlung von S 100.000,– sA wäre auch im Falle des Zustandekommens eines Kaufvertrages unschlüssig. Abgesehen davon, daß im Vorbringen des Klägers nicht die Prozeßbehauptung der vorsätzlichen Irreführung durch den Beklagten erblickt werden könne, wäre Voraussetzung für den Anspruch auf Genugtuung nach § 874 ABGB die Behauptung und der Nachweis, daß dem Kläger der anderweitige Verkauf der Einrichtung nur zu dem mit F* vereinbarten niedrigeren Kaufpreis von S 449.000,– möglich gewesen wäre. Ein solches Vorbringen habe der Kläger nicht erstattet. Der Kläger habe auch die Voraussetzungen für den Rücktritt vom Vertrag nach § 918 Abs 1 ABGB, daß er eine angemessene Nachfrist gesetzt oder daß der Beklagte die Erfüllung geradezu verweigert habe, nicht behauptet. Überdies sei der Verkäufer, der den Kaufgegenstand bereits übergeben habe, zum Rücktritt vom Vertrag nach § 918 ABGB nicht berechtigt; der Verkäufer könne in einem solchen Fall nur die Zahlung des Kaufpreises und Schadenersatz wegen Verspätung fordern.

Der Kläger erhebt Revision aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß der Beklagte zur Zahlung von S 100.000,-samt 9 % Zinsen seit 1. Juni 1975 verurteilt werde. Hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mit dem Vorbringen in der Mängelrüge, die Aktenwidrigkeit habe sicher dazu beigetragen, daß das Erstgericht dem Kläger die Glaubwürdigkeit versagt habe, wird weder eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens noch eine Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles aufgezeigt, sondern in Wahrheit eine Aktenwidrigkeit des Urteiles erster Instanz geltend gemacht. Das Berufungsgericht erachtete diese Aktenwidrigkeit als unwesentlich, weil es auch ohne die aktenwidrige Annahme den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt als erwiesen ansah. Die Verneinung des Berufungsgrundes der Aktenwidrigkeit wegen Unwesentlichkeit der Aktenwidrigkeit beruht also auf einem in dritter Instanz unüberprüfbaren Beweiswürdigungsvorgang des Berufungsgerichtes.

Die vom Erstgericht unterlassene Vernehmung der Zeugin H* hat der Kläger bereits im Berufungsverfahren ohne Erfolg als Verfahrensmangel geltend gemacht. Wegen eines Mangels des Verfahrens erster Instanz kann nicht Revision begehrt werden, wenn das Berufungsgericht bereits erkannt hat, daß dieser Mangel nicht vorliegt (SZ 22/106, SZ 24/4 ua). Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO ist daher nicht gegeben.

Der Kläger stützte sein Schadenersatzbegehren auf die Behauptung, daß ein Kaufvertrag über die Einrichtung der Diskothek durch ausdrückliche mündliche Erklärungen der Parteien zustande gekommen sei. Das Erstgericht hat jedoch eine solche ausdrückliche übereinstimmende Willenserklärung der Streitteile nicht als erwiesen angenommen. Der Kläger bekämpft diese tatsächliche Annahme der Vorinstanzen, weil sie seiner Ansicht nach mit den Erfahrungen des täglichen Lebens und mit den Denkgesetzen nicht in Einklang zu bringen sei. Der Revisionswerber übersieht dabei, daß die Feststellung des Vertragswillens oder des Fehlens eines solchen in den Bereich der Tatsachenfeststellung gehört und daher in dritter Instanz nicht mehr erörtert werden kann. Entgegen der Ansicht der Revision kann auch bei Bedachtnahme darauf, daß der Beklagte die Schlüssel der Diskothek übernahm, sich dem Publikum als neuer Chef vorstellen ließ, F* mit der Führung der Diskothek beauftragte, in der Diskothek Isolierungsarbeiten vornahm und Wechsel über die vom Kläger behauptete Kaufsumme gab, keine Rede davon sein, daß die Schlußfolgerungen der Vorinstanzen gegen die Denkgesetze verstoßen. Es ist zwar ungewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen, daß der Verkäufer einem präsumtiven Käufer den Kaufgegenstand schon vor Abschluß des Kaufvertrages übergibt. Ebensowenig ist es denkgesetzwidrig, daß der Kaufinteressent den Kaufvertrag erst nach Beschaffung der für die Bezahlung des Kaufpreises erforderlichen beträchtlichen Mittel durch Verkauf seines Hauses oder Aufnahme eines Hypothekarkredites schließen will, sich aber mit Rücksicht auf seine Kaufabsicht schon vor Vertragsabschluß zur Übernahme des Kaufobjektes und Wechselbegebung bereit findet. Es ist daher von der in dritter Instanz unüberprüfbaren Feststellung auszugehen, daß eine ausdrückliche Willenseinigung der Streitteile nicht erfolgt ist.

Die von den Untergerichten festgestellten Umstände reichen aber auch nicht aus, um das Zustandekommen eines Kaufvertrages durch konkludente Handlungen annehmen zu können. Da der Beklagte den vom Kläger geforderten Kaufpreis von mehreren hunderttausend Schillingen nur durch den Verkauf seines Hauses oder die Aufnahme eines Hypothekarkredites hätte aufbringen können, was er dem Kläger auch mitgeteilt hat, hat das Erstgericht die Willensmeinung des Beklagten, durch die oben erwähnten Handlungen, einen Kauf abzuschließen, mit Recht bezweifelt. Es ist daher den Untergerichten beizupflichten, daß ein Kaufvertrag über die Einrichtung der Diskothek des Klägers nicht zustandegekommen ist. Damit fehlt aber auch jede Grundlage für einen Schadenersatzanspruch des Klägers aus einem angeblich durch den Rücktritt des Klägers aufgehobenen Kaufvertrag.

Die Frage, ob der Beklagte deshalb schadenersatzpflichtig geworden ist, weil er angeblich den Kläger über seine Vermögenslage und Zahlungsfähigkeit in Irrtum geführt habe, bedarf keiner Erörterung, da nicht behauptet wurde, daß ein anderer Kaufinteressent zur Zahlung eines Kaufpreises von S 650.000,– samt Umsatzsteuer bereit gewesen wäre.

Die Revision erweist sich daher als unberechtigt, sodaß ihr der Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

 

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