European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00547.76.0601.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Die Kläger begehren mit der vorliegenden Klage als Eigentümer des Hauses K*, die beiden Beklagten zur Räumung und Übergabe des in der Südwestecke im Parterre des Hauses K* gelegenen Geschäftslokales und des in der Nordostecke des im ersten Stockwerk dieses Hauses gelegenen Zimmers zu verhalten, weil diese Objekte von den Beklagten ohne Rechtstitel benützt werden.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren. Der Erstbeklagte brachte im wesentlichen vor, er habe die Liegenschaft K* im Jahr 1967 von dem damaligen Eigentümer F* S* auf Grund eines Leibrentenvertrages erworben. Er habe den Betrag von 50.000,– S bar bezahlt; der Restkaufpreis von 30.000,– S sollte in Form einer Leibrente bezahlt werden. Der Erstbeklagte stützte sein behauptetes Eigentumsrecht aber auch auf ein mündliches Testament des F* S*, das dieser am 24. Oktober 1967 errichtet haben soll. Die Zweitbeklagte leitete ihr Benützungsrecht vom Eigentumsrecht des Erstbeklagten, ihres Gatten, ab. Beide Beklagten seien daher nicht titellose Benützer der zu räumenden Liegenschaftsteile.
Die Beklagten beantragten die Unterbrechung des erstgerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung des beim Landesgericht für ZRS Graz zu 14 Cg 118/72 (= 14 Cg 327/73) anhängigen Rechtsstreites, in dem der nunmehrige Erstbeklagte die Feststellung seines behaupteten Eigentumsrechtes an der Liegenschaft K* begehrte. Diesem Unterbrechungsantrag gab das Erstgericht statt (ON 7). Nach rechtskräftiger Beendigung dieses Rechtsstreites wurde das gegenständliche Verfahren wieder fortgesetzt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging hiebei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus: Der Erstbeklagte brachte am 30. Jänner 1969 beim Landesgericht für ZRS Graz zu 14 Cg 224/69 (= 14 Cg 118/72 = 14 Cg 327/73) gegen die nunmehrigen Kläger eine Klage mit dem Begehren ein, die Kläger seien schuldig, das Eigentumsrecht des Erstbeklagten an der Liegenschaft EZ * KG K* (auf welchem auch das Haus K* steht) anzuerkennen und in die bücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes einzuwilligen. Begründet wurde das Begehren mit auch im gegenwärtigen Rechtsstreit behaupteten rechtserzeugenden Tatsachen, nämlich, daß der Erstbeklagte auf Grund eines Leibrentenvertrages (vom 15. Oktober 1967) mit F* S* und auch auf Grund eines mündlichen Testamentes (vom 24. Oktober 1967) Eigentümer der genannten Liegenschaft sei. Das Klagebegehren wurde rechtskräftig abgewiesen (siehe 3 Ob 39/75). Hierbei wurde festgestellt, daß weder der behauptete Leibrentenvertrag, noch das behauptete gültige Testament vorliege. Diese Entscheidung sei für den vorliegenden Räumungsprozeß bindend. Es sei deshalb entbehrlich, über den behaupteten Kaufvertrag und das behauptete Testament Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen. Im Hinblick auf die Bindungswirkung der Vorentscheidung ergebe sich, daß die Einwendungen des Erstbeklagten gegen das Räumungsbegehren der Kläger ebenso unberechtigt seien, wie die Einwendungen der Zweitbeklagten, die ihr Benützungsrecht an den gegenständlichen Räumen von jenem des Erstbeklagten abgeleitet habe.
Die gegen dieses Urteil nur vom Erstbeklagten erhobene Berufung blieb erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Streitwert S 50.000 übersteige; es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und billigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Erstbeklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag angefochten, die Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Kläger haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Als Mangel des Berufungsverfahrens macht der Erstbeklagte geltend, daß das Berufungsgericht – wie das Erstgericht – die Vernehmung von Zeugen über seine Behauptung, er sei auf Grund des Leibrentenvertrages mit F* S* und eines Testamentes des Genannten außerbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ * (richtig *) KG K* (mit dem Haus Nr. *) für entbehrlich angesehen habe. Damit rügt der Erstbeklagte die Unterlassung von Feststellungen über angeblich rechtserhebliche Behauptungen, somit einen Mangel, der auf einer vermeintlich unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruht. Diese Revisionsausführungen sind daher der Rechtsrüge zuzuordnen, die im übrigen vom Revisionswerber nicht weiter ausgeführt wurde.
Der gerügte Feststellungsmangel liegt aber nicht vor. Es ist nämlich der Ansicht der Vorinstanzen, beizupflichten, daß ein Urteil eines Vorprozesses, auch dann, wenn es mangels Identität des Begehrens keine formelle Rechtskraftwirkung übt, doch zufolge der von ihm geschaffenen materiellen Rechtskraft zu einer inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichtes führt. Das ist der Fall, wenn Parteien und rechtserzeugender Inhalt identisch sind und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben, in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (Fasching III, 705 f.; MietSlg 22.618).
Dies trifft hier im vollen Maße zu, da die wesentliche Frage in beiden Prozessen die ist, ob der Erstbeklagte die Liegenschaft EZ * KG K* erworben hat oder nicht. Die Verneinung dieser Frage im Vorprozeß führte zur Abweisung des Begehrens auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erstbeklagten. Würde diese auch im vorliegenden Falle entscheidende Frage hier gegenteilig beantwortet werden, so würde dies zu dem untragbaren Ergebnis führen, daß der Erstbeklagte auf Grund des behaupteten Kaufvertrages bzw. mündlichen Testamentes nicht Eigentümer der Liegenschaft werden kann, weil weder der Kaufvertrag noch das mündliche Testament errichtet worden sind, daß der Erstbeklagte aber zur Räumung der Liegenschaft im vorliegenden Prozeß nicht verhalten werden könnte, weil in diesem Prozeß festgestellt wurde, daß er auf Grund des Kaufvertrages bzw. des mündlichen Testamentes doch die Liegenschaft erworben hat. Die Verneinung der Frage des Eigentumserwerbers des Erstbeklagten im Vorprozeß, die dort zur Abweisung des Klagebegehrens geführt hat, muß auch für den vorliegenden Prozeß als bindend angesehen werden (ebenso MietSlg 22.618; im ähnlichen Sinne EvBl 1969/6, MietSlg 15.630, 5 Ob 251/69, 1 Ob 77/69 u.a.). Es ist daher rechtsunerheblich, daß bezüglich des vom Erstbeklagten behaupteten Eigentumserwerbes betreffend die Liegenschaft EZ * KG K* im vorliegenden Prozeß keine Feststellungen getroffen wurden. Die Vorinstanzen haben demnach dem gegen den Erstbeklagten gerichteten Klagebegehren mit Recht stattgegeben.
Es war daher auch der Revision ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenausspruch stützt sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
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