OGH 3Ob47/25w

OGH3Ob47/25w28.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J* H* und 2. Dr. C* E*, beide *, 3. L* W*, 4. S* C*, 5. S* Ö* und 6. A* Ö*, L.L.B., beide *, 7. Y* C*, 8. X* W*, 9. Dr. P* L*, 10. D* H*, MA, *, 11. Dr. C* B*, 12. DI A* M*, MBA, und 13. DI V* M*, beide *, 14. M* S*, und 15. E* C*, alle vertreten durch Mag. Wolfgang Maier, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. H* E*, vertreten durch Dr. Hans Kulka, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei DI A* G*, vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in Wien, wegen zu 1.) und 2.) 111.410 EUR, zu 3.) 85.020 EUR, zu 4.) 82.160 EUR, zu 5.) und 6.) 67.990 EUR, zu 7.) 62.088 EUR, zu 8.) 56.472 EUR, zu 9.) 55.900 EUR, zu 10.) 55.025,62 EUR, zu 11.) 52.728 EUR, zu 12.) und 13.) 49.608 EUR, zu 14.) 45.500 EUR und zu 15.) 45.500 EUR, über die ordentlichen Revisionen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2025, GZ 16 R 183/24k‑26.1, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13. Februar 2025, GZ 16 R 183/24k‑28.1, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 2024, GZ 25 Cg 3/24f‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00047.25W.0528.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 8.523,12 EUR (darin enthalten 1.420,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger nehmen den Beklagten als Treuhänder nach dem BTVG auf Wiederauffüllung ihrer Treuhandkonten wegen nicht dem Ratenplan entsprechender Auszahlungen an die Verkäuferin der von ihnen erworbenen Wohnungen in Anspruch. In den Verträgen warinsofern vorgesehen: „g) nach Bezugsfertigstellung des eigentlichen Vertragsgegenstandes inklusive Aufzug sowie inklusive Vorlage der Benützungsbewilligung bzw. Fertigstellungsanzeige bei der Behörde 17 % […] h) nach Fertigstellung der von der Erwerberin gewöhnlich nutzbaren Teile der Gesamtanlage (inkl. Rollläden) 9 %

[2] Der Beklagte überwies am 4. 7. 2022 für den Abschluss der Bauabschnitte g) und h) die entsprechenden Beträge von den Treuhandkonten der Kläger auf das Kreditkonto der Verkäuferin. Er tat dies aufgrund folgender Baufortschrittsfeststellung des Nebenintervenienten:

„1) Auftrag und Zweck des Auftrages:

Auf dem Grundstück in 1220 Wien, *, (EZ 1*, GSt.Nr. 1*, und EZ 4*, GSt.Nr. 1*) erfolgt die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit vier oberirdischen Geschoßen und einem Kellergeschoß mit Tiefgarage.

Für die Zahlung nach Ratenplan gem. Bauträgervertrag und Kaufverträgen ist der Abschluss des Bauabschnittes 'Fenster, Fassade und Dach' zu beurteilen.

2) Ortsaugenschein:

27.06.2022

3) Aufnahme:

Im Zuge des Ortsaugenscheines wurde folgender Baufortschritt festgestellt:

- Bezugsfertigstellung des eigentlichen Vertragsgegenstandes inklusive Aufzug

- Fertigstellung der nutzbaren Teile der Gesamtanlage

4) Feststellung:

Auf Grund des am 27.06.2022 festgestellten Baufortschrittes kann der Abschluss des Bauabschnittes:

- Stufe 3) g) h) gemäß VI. der Kaufverträge (7. und 8. TR) bestätigt werden.

Die Baufortschrittsfeststellung ersetzt keine Ausführungs- oder Qualitätsabnahme

Sowie auch keine anderwärtigen behördlich vorgeschriebenen Abnahmen bzw. Befunde.“

 

[3] Das Verfahren ergab, dass bislang weder eine Fertigstellungsanzeige bei der Behörde erfolgte noch mangels Abnahme durch den TÜV der Aufzug im Gebäude in Betrieb und auch sonst die Gesamtanlage noch nicht fertiggestellt ist. Die entsprechenden Probleme bestanden bereits vor Auszahlung der Raten g) und h).

[4] Das Berufungsgericht bestätigte das der Klage stattgebende Ersturteil. Der Beklagte sei lediglich Zivilingenieur für Bauwesen und erfülle als solcher nicht die entsprechende Anforderung des § 13 Abs 2 BTVG, sodass es am Beklagten selbst gelegen habe, den Baufortschritt festzustellen. Selbst wenn man den Nebenintervenienten als Ziviltechniker für den Hochbau im Sinne der genannten Vorschrift qualifizierte, würde der Beklagte haften, zwar wegen des letzten Halbsatzes der Vorschrift nicht für die Fehler des Nebenintervenienten, wohl aber, weil den Beklagten selbst ein Verschulden treffe. Mangels Konstatierung einer Benützungsbewilligung bzw Fertigstellungsanzeige sei die Baufortschrittsfeststellung des Nebenintervenienten nämlich unschlüssig gewesen, der Beklagte habe dennoch ohne Weiteres die Raten ausgezahlt.

[5] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision zur Frage, ob ein Ziviltechniker für Bauwesen die Voraussetzung des § 13 Abs 2 BTVG erfülle und bejahendenfalls, ob der Treuhänder trotz Haftungsbefreiung nach § 13 Abs 2 BTVG zur eigenständigen Prüfung des Vorliegens der Fertigstellungsanzeige verpflichtet sei, für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die von der Beklagten und dem Nebenintervenienten gegen das Berufungsurteil erhobenen Revisionen sind – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts – mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[7] 1. Zur Feststellung des Abschlusses des jeweiligen Bauabschnitts kann der Treuhänder gemäß § 13 Abs 2 Satz 1 BTVG einen für den Hochbau zuständigen Ziviltechniker, einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Bauwesen oder eine im Rahmen der Förderung des Vorhabens tätige inländische Gebietskörperschaft beiziehen. Diese haften dem Erwerber gemäß § 13 Abs 2 Satz 2 BTVG unmittelbar und gelten nicht als Erfüllungsgehilfen des Treuhänders.

[8] 2. In der Literatur ist allgemein anerkannt, dass sich ein Treuhänder, der einen Sachverständigen oder Ziviltechniker iSd § 13 Abs 2 BTVG beizieht, auf dessen Bekanntgabe über einen Baufortschritt dann nicht verlassen darf, wenn diese offensichtlich falsch oder unschlüssig ist (Böhm, Der formal „untaugliche“ Baufortschrittsprüfer im BTVG, immolex 2017, 266 [269 FN 24]; Pittl, Bauträgervertragsgesetz3 [2019] § 13 Anm 7; Böhm, Nur eingeschränkte Haftung des Treuhänders bei verfrühter Weiterleitung des Treuhanderlags an den Bauträger? wobl 2021, 81 [82]; Böhm/Höllwerth in GeKo Wohnrecht III [2023] § 13 BTVG Rz 27; Prader/Pittl in Schwimann/Kodek, BTVG-Praxiskommentar2 [2023] § 13 Rz 2). Diese Ansicht steht wertungsmäßig mit der ständigen Rechtsprechung im Einklang, wonach auch der Tatrichter immer nur befugt ist, dem Gutachten eines Sachverständigen zu folgen, sofern ihm dessen Darlegungen schlüssig und überzeugend erscheinen dürfen (RS0043235). Dass sich ein Treuhänder auch bei offenbarer Unrichtigkeit und/oder Unschlüssigkeit einer Baufortschrittsfeststellung auf diese verlassen dürfe, ist entgegen der erkennbaren Ansicht der Beklagten keine „ernstlich in Betracht zu ziehende“ Auslegung des § 13 Abs 2 BTVG. Das Fehlen einer expliziten höchstgerichtlichen Rechtsprechung dazu macht die Revision daher nicht zulässig (vgl RS0042656 [T24]).

[9] 3. Ob eine Baufortschrittsbekanntgabe schlüssig ist, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl RS0042828 [T19] [zur Schlüssigkeit von Prozessbehauptungen]; RS0037780 [zur Schlüssigkeit einer Klage]; RS0043253 [T2] [zur Schlüssigkeit eines Verhaltens]).

[10] Wenn – wie hier – die Bauträgerin den Klägern eine bezugsfertige Wohnung schuldet, umfasst die vertragliche Verpflichtung nach der Rechtsprechung auch das Vorliegen der baubehördlichen Benützungserlaubnis (3 Ob 123/13d [Pkt 14]; 8 Ob 79/21g [Rz 17]). Zudem war für den Bauabschnitt g) in den zugrunde liegenden Verträgen ausdrücklich die „Bezugsfertigstellung des eigentlichen Vertragsgegenstandes inklusive Aufzug sowie inklusive Vorlage der Benützungsbewilligung bzw. Fertigstellungsanzeige bei der Behörde“ vorgesehen. In der Baufortschrittsfeststellung des Nebenintervenienten wurde demgegenüber lediglich die „Bezugsfertigstellung des eigentlichen Vertragsgegenstandes inklusive Aufzug“ angeführt. Ob eine Benützungsbewilligung bzw Fertigstellungsanzeige bei der Behörde vorlag, blieb damit offen. Da der Abschluss des Bauabschnitts g) auch die „Vorlage der Benützungsbewilligung bzw Fertigstellungsanzeige bei der Behörde“ verlangte, war Punkt 4) der Baufortschrittsfeststellung des Nebenintervenienten jedenfalls unschlüssig, was der Beklagte als Jurist hätte erkennen müssen. Die diesen Grundsätzen entsprechende Beurteilung des Berufungsgerichts ist nicht korrekturbedürftig.

[11] Da eine Fertigstellungsanzeige bei der Baubehörde nicht erfolgte und dementsprechend – bis dato – keine Benützungsbewilligung vorliegt, entsprachen die vom Beklagten (schuldhaft) vorgenommenen Auszahlungen nicht den Vereinbarungen.

[12] 4. Die vom Berufungsgericht eingenommene Rechtsansicht, mangels der Voraussetzungen für eine den Bauabschnitt g) betreffende Auszahlung habe auch für den Bauabschnitt h) keine Auszahlung erfolgen dürfen, wird in den Revisionen nicht angefochten.

[13] 5. Kam dem Beklagten – wie vom Berufungsgericht vertretbar angenommen – ein Eigenverschulden zu, kann die Frage, ob der Nebenintervenient die formalen Voraussetzungen des § 13 Abs 2 BTVG erfüllte, mangels Entscheidungsrelevanz offen bleiben. Da die Revisionen auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen, waren diese zurückzuweisen.

[14] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben in den Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revisionen hingewiesen.

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