OGH 3Ob38/25x

OGH3Ob38/25x16.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I* Z*, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei B* Z*, vertreten durch die Jilek & Reif Rechtsanwälte GmbH in Leoben, wegen Rechnungslegung und Unterhalt, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2025, GZ 2 R 258/24a‑89.1, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00038.25X.0416.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Hat das Gericht zweiter Instanz das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO verneint und deshalb nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision ausgesprochen, so sind in der außerordentlichen Revision gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO gesondert die Gründe anzugeben, warum – entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts – nach § 502 Abs 1 ZPO die Revision für zulässig erachtet wird. Bei der Prüfung der Frage, ob die außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, hat sich der Oberste Gerichtshof auf jene Gründe zu beschränken, die in der „Zulassungsbeschwerde“ angeführt wurden; andere mögliche Rechtsfehler sind, selbst wenn diesen erhebliche Bedeutung zukommen könnte, nicht zu untersuchen (RS0043644 [T3 und T4]).

2. Zur außerordentlichen Revision der Klägerin:

[2] 2.1. Das Berufungsgericht schloss sich, soweit es die Abweisung des Begehrens der Klägerin auf Einsicht in bestimmte Unterlagen durch das Erstgericht bestätigte, dessen rechtlicher Beurteilung an. Das Erstgericht hatte dazu – unter Zugrundelegung der im ersten Rechtsgang ergangenen, insbesondere die Notwendigkeit einer Abwägung der Interessen der Klägerin und des Beklagten konstatierenden Entscheidung 3 Ob 29/23w (= EF‑Z 2023/102 [Gitschthaler]) – ausgeführt, dass es sich bei sämtlichen die H* GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte ist, betreffenden Unterlagen, in die die Klägerin Einsicht begehre, um rechtlich geschützte Geschäfts‑ oder Betriebsgeheimnisse handle. Der Beklagte habe einen Anspruch darauf, dass jene Daten nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß publik würden. Die begehrte Vorlage der Jahresabschlüsse samt Bilanz sowie Gewinn‑ und Verlustrechnung mit allen den Buchungsvorgängen zu Grunde liegenden Belegen, Abrechnungen und geschäftlichen Dokumentationen sei überschießend und unzumutbar, sodass daran kein berechtigtes Interesse der Klägerin bestehe.

[3] 2.2. Dem wird in der außerordentlichen Revision entgegengehalten, steueroptimierte Buchungsvorgänge beträfen auch die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Sie seien nur dadurch beurteilbar, dass in die ihnen zu Grunde liegenden Einzelbelege bzw Positionen Einsicht genommen werde. Es gelte, der Klägerin den nötigen Wissensstand über die der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen hinzuzurechnenden Positionen zu verschaffen. Ohne Einsicht in die den Buchungsvorgängen zu Grunde liegenden Belege wäre selbst für den Buchsachverständigen eine Beurteilung dessen, ob beispielsweise die Kilometergeldauszahlungen und Reisekosten dem Beklagten oder einer anderen Person zuflossen, nicht möglich. Diese grundsätzliche Beurteilung gelte für alle in den steuerlichen Unterlagen der GmbH veranschlagten Positionen. Jeder Einsichts‑, Bucheinsichts‑ und Rechnungslegungsanspruch wäre zweckverfehlt, müsste sich der Unterhaltsberechtigte mit der saldierten Darstellung ohne namentliche Zuordnung und inhaltliche Kontrollmöglichkeit der auf den Buchhaltungskonten saldierten Verrechnungspositionen begnügen.

[4] 2.3. Das Ergebnis der Interessenabwägung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und ist vom Obersten Gerichtshof nur zu korrigieren, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RS0021095 [T3]; vgl jüngst auch 4 Ob 188/24m [Rz 9]). Eine solche zeigt die außerordentliche Revision nicht auf. Der darin von der Klägerin vertretene Standpunkt, alle Belege zu benötigen und damit einen Anspruch auf diese zu haben, widerspricht dem Gedanken einer Interessenabwägung, auch widerstreitende Interessen der anderen Partei nicht gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Dass die vom Berufungsgericht – hinsichtlich des das Klagebegehren abweisenden Teils – gebilligte Interessenabwägung des Erstgerichts unvertretbar wäre, legt die außerordentliche Revision nicht dar.

3. Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

[5] 3.1. Im Rechtsmittel des Beklagten wird zunächst ins Treffen geführt, dass aufgrund der Einzelfallabhängigkeit keine einheitliche Rechtsprechung zum Umfang des Rechnungslegungsanspruchs bei selbstständigen Einkünften eines GmbH‑Gesellschafters vorliege.

[6] Wie der Beklagte selbst erkennt, schließt die hier typische Kasuistik des Einzelfalls eine beispielgebende Entscheidung in der Regel aus (RS0042405 [T1]). Inwiefern vergleichbare Fälle vom Obersten Gerichtshof uneinheitlich entschieden worden sein sollen, lässt sich dem Rechtsmittel nicht entnehmen.

[7] 3.2. Der Beklagte begründet die Zulässigkeit seines Rechtsmittels weiters damit, das Berufungsgericht sei von der – vom Beklagten als zutreffend angesehenen – Interessenabwägung des Erstgerichts abgegangen, ohne einen Grund dafür zu nennen.

[8] Richtig ist, dass das Berufungsgericht den Beklagten in Abänderung des insoweit klageabweisenden Ersturteils auch dazu verurteilte, der Klägerin auch eine Einsicht in die „Lohn‑ und Gehaltsnachweise des Beklagten als Dienstnehmer der Z* GmbH für die Jahre 2017 bis 2020 und 7‑12/2021“ und die „Jahreslohnkonten des Beklagten als Dienstnehmer der Z* GmbH für die Jahre 2017, 2018, 2020 bis 2023“ sowie Bucheinsicht in die „Bankkonten der H* GmbH“, in „auf den Namen des Beklagten lautende Giro‑ und Sparkonten“ und in „Wertpapierdepotauszüge betreffend Wertpapierveranlagungen des Beklagten“ zu gewähren und Rechnung durch folgende Unterlagen zu legen: „Jahreslohnkonto des Beklagten als Dienstnehmer der Z* GmbH für das Jahr 2022“, „Bankkonten der H* GmbH“, „auf den Namen des Beklagten lautende Giro‑ und Sparkonten in Österreich und Deutschland“ und „Wertpapierdepotauszüge der Wertpapierveranlagungen des Beklagten“. Das Berufungsgericht führte zu der durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang (3 Ob 29/23w [insb Rz 19]) aufgetragenen Interessenabwägung aus, dass der Beklagte in Bezug auf die genannten Unterlagen seine Geheimhaltungsinteressen nicht bescheinigt habe und angesichts seiner beherrschenden Stellung als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der [H*] GmbH eine umfassende Einsicht der Klägerin in die betreffenden Unterlagen gerechtfertigt sei. Dieser Begründung lässt sich keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung entnehmen, zumal bei den betreffenden Unterlagen das Informationsinteresse der Klägerin offenkundig, ein Geheimhaltungsinteresse des Beklagten hingegen nicht zu erkennen ist. Dies gilt auch für die Bankkonten der H* GmbH, zumal der Beklagte deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer ist.

[9] 3.3. Der Beklagte begründet die Zulässigkeit seines Rechtsmittels letztlich damit, die Klägerin habe entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ihr Begehren auf Bucheinsicht nicht ausreichend konkretisiert, weil sie zwar jene Belege/Unterlagen genannt habe, in welche sie Einsicht begehre, jedoch offenlasse, welche Informationen sie aus den geforderten Unterlagen zu gewinnen vermöge, weshalb von einem unzulässigen Erkundungsbeweis auszugehen sei. Augenscheinlich werde dies durch ihre pauschale Forderung auf Einsicht bzw Vorlage der Bankkonten der H* GmbH sowie der auf den Namen des Beklagten lautenden Giro- und Sparkonten bzw der Wertpapierdepots. Es sei völlig offen, welche Bankkonten bei welchem Bankinstitut konkret betroffen seien.

[10] Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird auch damit nicht aufgezeigt. Dass die Klägerin nunmehr die von ihr gewünschten Unterlagen konkret benannte, gesteht der Beklagte selbst zu. Dass sie zu den Giro‑ und Sparkonten bzw den Wertpapierdepots des Beklagten nicht das jeweilige Bankinstitut zu nennen vermochte, ist Folge ihres Informationsdefizits, dessen Ausgleich das Rechnungslegungsbegehren dient.

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