OGH 3Ob28/25a

OGH3Ob28/25a26.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.‑Prof. DDr. G*, vertreten durch Mag. Patrycja Pogorzelski, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. H*, vertreten durch Greiml & Horwath Rechtsanwalts‑Partnerschaft in Graz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2025, GZ 43 R 510/24d‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00028.25A.0226.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Exekutionsrecht, Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger verpflichtete sich gegenüber der Beklagten im vollstreckbaren Scheidungsvergleich vom 16. Oktober 2009, soweit im Oppositionsverfahren von Relevanz, unter Verzicht auf die Umstandsklausel zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von zumindest 2.000 EUR (wertgesichert; seit 1. Oktober 2023 demnach 2.950 EUR). Aufgrund dieses Titels wurde der Beklagten als Betreibender gegen den Kläger als Verpflichteten mit Beschluss des Erstgerichts vom 11. Dezember 2023 zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 2.950 EUR (zu ergänzen: für Oktober 2023) und des laufenden Unterhalts von monatlich 2.950 EUR die Fahrnis‑ und Gehaltsexekution bewilligt.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Vorinstanzen wiesen die auf geänderte Einkommensverhältnisse gestützte Oppositionsklage ab. Dem Kläger gelingt es in seiner außerordentlichen Revision nicht, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.

[3] 1.1. Sittenwidrigkeit des Beharrens des Unterhaltsberechtigten auf dem Ausschluss der Umstandsklausel wird nach der Judikatur insbesondere dann verwirklicht, wenn ohne Berücksichtigung der veränderten Umstände (hier infolge Pensionsantritts des Klägers mit 1. Oktober 2023 deutlich verminderte Einkünfte) die Existenz des Verpflichteten oder der Unterhalt Dritter gefährdet wäre oder ein krasses Missverhältnis zwischen Unterhaltsleistung und Einkommensrest bestünde (RS0016555 [T6]; RS0016554). Infolge geänderter Verhältnisse kann die ursprünglich zulässige Vereinbarung daher sittenwidrig werden, etwa wegen der Gefahr der Existenzvernichtung (RS0018900 [T9]).

[4] 1.2. Um zu verhindern, dass der an sich zulässige Ausschluss der Umstandsklausel im Nachhinein ohne zwingenden Grund aufgehoben wird, ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen (RS0016554 [T2]). Im Allgemeinen wird dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage nicht entzogen, wenn ihm zumindest noch Einkünfte in der Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage verbleiben (RS0016554 [T4]). Der Umstand allein, dass jemand mehr Unterhalt zahlen muss, als ihm selbst verbleibt, begründet noch kein „krasses Missverhältnis“ (3 Ob 136/16w).

[5] 1.3. Die Lösung der Frage, ob das Verhalten des Unterhaltsberechtigten Sittenwidrigkeit verwirklicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und verwirklicht deshalb grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage (3 Ob 85/20a mwN).

[6] 2. Dass die Vorinstanzen das Beharren der Beklagten auf dem Verzicht auf die Umstandsklausel als (noch) nicht sittenwidrig werteten, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar:

[7] 2.1. Soweit der Kläger auf dem Standpunkt steht, die Formulierung des Ausschlusses der Umstandsklausel im Scheidungsvergleich sei „unverständlich, weil widersprüchlich, und weise daher eine sittenwidrige Fallgestaltung auf“, ist ihm zu erwidern, dass die Vorinstanzen die entsprechende Passage des Titels ohnehin – im Einklang mit seinem Prozessvorbringen – dahin ausgelegt haben, dass sich der Verzicht auf die Umstandsklausel (jedenfalls) auf den vereinbarten Mindestunterhalt beziehe, weshalb die behauptete Sittenwidrigkeit des Beharrens der Beklagten auf dessen Leistung geprüft (und verneint) wurde.

[8] 2.2. Die im Zusammenhang damit gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die in der aktenwidrigen Verneinung des behaupteten erstinstanzlichen Verfahrensmangels bestehen soll, wurde geprüft; sie liegt nicht vor. Dass das Erstgericht seine Auslegung des Scheidungsvergleichs, wonach die Umstandsklausel nicht zur Gänze ausgeschlossen worden sei, nicht mit den Parteien erörterte, konnte schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel begründen, weil es sich im Bezug auf den vereinbarten Mindestunterhalt ohnehin dem Rechtsstandpunkt beider Parteien anschloss.

[9] 2.3. Die vom Kläger weiters als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob Raten für Kredite, die in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Ehescheidung von jenem Ehegatten, der aus der bisher gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen ist, zwecks Adaptierung bzw Renovierung der von ihm geerbten Eigentumswohnung aufgenommen wurden, „für die Zukunft einkommensmindernd zu berücksichtigen“ sind, stellt sich hier nicht. Es trifft zwar zu, dass der Kläger diese Kredite beginnend mit August 2010 zwecks Renovierung bzw Adaptierung der von ihm nach der Scheidung bezogenen Eigentumswohnung aufgenommen hat. Allerdings macht er die Belastung durch die von ihm dafür nach wie vor zu leistenden Kreditraten gerade nicht (unmittelbar) als Minderung der Bemessungsgrundlage geltend, sondern argumentiert – angesichts des vereinbarten Mindestunterhalts folgerichtig – damit, dass (auch) wegen der von ihm zu tragenden Kreditraten das Beharren der Beklagten auf den Mindestunterhalt (und damit auf den Verzicht auf die Umstandsklausel) seit Oktober 2023 sittenwidrig sei. Wie bereits ausgeführt, kommt es in einer Konstellation wie der hier vorliegenden allerdings im Ergebnis allein darauf an, ob der Kläger zumindest noch über Einkünfte in der Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage verfügen kann.

[10] 2.4. Gegen die (vom Berufungsgericht gebilligte) Berechnung des Erstgerichts, wonach dem Kläger nach Abzug der betriebenen Unterhaltsforderung ohnehin ein über dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegender Betrag verbleibt, wendet sich der Revisionswerber nicht.

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