OGH 3Ob26/24f

OGH3Ob26/24f3.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen die beklagte Partei E* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Mag. Gerhard Rigler, Dr. Ulrike Grünling, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen 6.007,92 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgerichtvom 12. Dezember 2023, GZ 18 R 148/23b‑18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 18. August 2023, GZ 14 C 222/22k‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00026.24F.0403.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 751,92 EUR (hierin enthalten 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Zwischen der Klägerin und dem beklagten Energieversorgungsunternehmen besteht seit Jänner 2009 (unter anderem) ein Gasliefervertrag zum Tarif „Giga‑Float“, nach dem die Beklagte auch ab 1. Jänner 2009 verrechnete. Dabei handelt es sich – anders als nach dem zuvor mit der Klägerin bestehenden Gasliefervertrag – um einen veränderlichen („Floating“‑)Tarif, der hinsichtlich des Arbeitspreises eine Preisanpassungsformel enthält, nach der der Arbeitspreis (ursprünglich) jeweils zu Beginn des Quartals angepasst wurde.

[2] Die Beklagte bot bereits im Jahr 2008 für „Float‑Kunden“ das Service an, Preisinformationen per E‑Mail zu erhalten. „Businesskunden“ wie die Klägerin, die damals noch ein Gasthaus betrieb, wurden im Zuge des Vertragsabschlusses in der Regel auf diese Möglichkeit hingewiesen. Ein solcher Wunsch der Klägerin wurde bei Abschluss des Tarifs „Giga Float“ allerdings nicht vermerkt, sie erhielt und erhält daher keine Preisinformationen per E‑Mail.

[3] Die Klägerin wurde mit Schreiben der Beklagten vom 2. Mai 2016, das ihr auch tatsächlich zukam, unter anderem über die Änderung der Berechnungsformel sowie der Grundpreiskomponente für den Tarif „Giga Float“ ab 1. Juli 2016 informiert; seither wird der Energie-Verbrauchspreis (nicht mehr vierteljährlich, sondern) monatlich angepasst. Auch nach dieser Tarifanpassung äußerte die Klägerin gegenüber der Beklagten nie den Wunsch, über die aktuellen Preise informiert zu werden. Sie kontaktierte das Kundenservice der Beklagten auch nicht telefonisch, um sich über die aktuellen Gaspreise zu informieren.

[4] Die Beklagte machte der Klägerin weder vor noch nach diesem Schreiben jemals Mitteilung über den für sie aktuell bzw ab dem nächsten Monat geltenden „Gaspreis“, also die konkreten Kosten, berechnet aufgrund der seit 1. Juli 2016 unveränderten Wertsicherungsformel, oder über bevorstehende Preiserhöhungen. Jedenfalls ab Oktober 2021 erhöhten sich die Gasverbrauchspreise massiv.

[5] Die Beklagte verrechnete für den Zeitraum 30. April 2021 bis 27. April 2022 für das von der Klägerin bezogene Gas (auf Basis der Preisanpassungsformel rechnerisch richtig) 7.199,85 EUR.

[6] Hätte die Klägerin zuvor eine Mitteilung über für sie bevorstehende Preiserhöhungen erhalten, hätte sie – wie auch nach Erhalt dieser Rechnung – aufgrund ihrer geringen Pension großteils mit Holz und weniger mit Gas geheizt, wodurch ihr geringere Gaskosten entstanden wären; die genaue Höhe der möglichen Ersparnis steht nicht fest.

[7] Die Klägerin begehrt den Betrag von 6.007,92 EUR sA als teilweise Rückzahlung des von ihr unter Vorbehalt der Rückforderung geleisteten Rechnungsbetrags für den Zeitraum 30. April 2021 bis 27. April 2022. Die Beklagte habe dadurch, dass sie die Klägerin nicht schriftlich über die massive Erhöhung der Verbrauchspreise für Gas informiert habe, gegen § 125 GWG 2011 verstoßen. Hätte sie die Beklagte informiert, hätte die Klägerin ab diesem Moment kein Gas mehr von der Beklagten bezogen, sondern andere Heizmöglichkeiten ausgenutzt. Damit wären ihr zumindest in Höhe des eingeklagten Betrags geringere Kosten entstanden. Auf eine Preisinformation habe die Klägerin nie verzichtet. Die Verständigungspflicht gemäß § 125 Abs 2 GWG bestehe unabhängig von einem Kundenwunsch.

[8] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, sie habe der Klägerin die neue Berechnungsformel für den Floating‑Tarif ohnehin mitgeteilt. Zu einer weitergehenden schriftlichen Verständigung von bevorstehenden Preiserhöhungen sei sie nicht verpflichtet gewesen. Sie biete zwar auf Kundenwunsch als weitergehenden Service aktuelle Preisinformationen per E‑Mail an, dies habe die Klägerin allerdings nicht in Anspruch genommen. Bei einem Floating‑Tarif könne naturgemäß niemals im Vorhinein gesagt werden, welcher exakte Betrag für eine Einheit zu bezahlen sei; vielmehr könne nur die Berechnungsformel angegeben werden, wie dies in der Energieliefervereinbarung erfolgt sei. Sofern sich diese Formel zur Errechnung des Arbeitspreises verändere, sei die neue Formel dem Kunden bekannt zu geben, was im Jahr 2016 auch geschehen sei.

[9] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe nach dem Jahr 2016 keine Verständigungspflicht getroffen, weil eine solche nach § 125 GWG 2011 im hier vorliegenden Fall eines Floating‑Tarifs nur bei einer Änderung der seit 2016 unveränderten Berechnungsformel bestanden hätte.

[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die zur vergleichbaren Regelung des § 25 Abs 2 TKG 2003 ergangene Entscheidung 8 Ob 132/15t lasse sich auf die Bestimmung des § 125 GWG 2011 übertragen. Wenn der Gaslieferant wie hier die Beklagte in der Preisformel des Vertrags keinen Einfluss auf die Preisgestaltung habe, weil bei dem Floating‑Tarif der zu zahlende Betrag unter Zugrundelegung einer Berechnungsformel an einen Börsenpreis gekoppelt sei, komme es durch die Preisanpassung nicht zu einer neuen Vereinbarung, sondern nur zum Vollzug der vertraglich vereinbarten Preisregelung. Damit werde aber gerade nicht einseitig ein neuer Preis in den Vertrag eingebracht. Für diesen Standpunkt spreche auch die (hier allerdings noch nicht anwendbare) Bestimmung des § 125 Abs 4a GWG 2011. Wäre nämlich der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass schon aufgrund der bisherigen Rechtslage jede Preisänderung bereits eine Vertragsänderung darstelle, über die zu informieren wäre, hätte sich eine solche Regelung erübrigt. Das Erstgericht habe daher zu Recht einen Verstoß der Beklagten gegen § 125 Abs 2 GWG 2011 verneint.

[11] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob eine Änderung des Gaspreises aufgrund einer Preisanpassungsklausel, die auf einen Börsenpreis (statt etwa auf einen Index) abstelle, eine Änderung des vereinbarten Entgelts iSd § 125 Abs 2 GWG 2011 bedeute.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[13] 1. Gemäß § 125 Abs 2 GWG sind Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der vertraglich vereinbarten Entgelte nur nach Maßgabe des ABGB und des KSchG zulässig. Solche Änderungen sind den Kunden schriftlich in einem persönlich an sie gerichteten Schreiben oder auf deren Wunsch elektronisch mitzuteilen. In diesem Schreiben sind die Änderungen der Allgemeinen Bedingungen nachvollziehbar wiederzugeben. Wird das Vertragsverhältnis für den Fall, dass der Kunde den Änderungen der Geschäftsbedingungen oder der Entgelte widerspricht, beendet, endet das Vertragsverhältnis mit dem nach einer Frist von drei Monaten folgenden Monatsletzten.

[14] 2. Der Klägerin ist zunächst dahin zuzustimmen, dass sich die Entscheidung 8 Ob 132/15t nicht auf eine vergleichbare Rechtslage bezieht. In der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Vorabentscheidung des EuGH ging es nämlich um Art 20 Abs 2 Universaldienstrichtlinie (Richtlinie 2002/22/EG ), in der nur von „Änderungen der Vertragsbedingungen“, aber nicht auch von Änderungen der Entgelte die Rede ist. Dass der EuGH eine auf einer Entgeltanpassungsklausel (Wertsicherungsvereinbarung) beruhende Änderung der Entgelte für die Bereitstellung elektronischer Netz‑ und Geschäftsbedingungen nicht als „Änderung der Vertragsbedingungen“ wertete, kann also nicht entscheidend zur Klärung der im vorliegenden Fall zu lösenden Frage beitragen, ob § 125 Abs 2 GWG 2011, der sich ausdrücklich auch auf Änderungen der vertraglich vereinbarten Entgelte bezieht, auf Floating‑Tarife anwendbar ist.

[15] 3. Im Bereich der Energiewirtschaft ist ein Floating‑Tarif, wie er hier zwischen den Parteien vereinbart wurde, dadurch gekennzeichnet, dass der Preis des Produkts an einen Börsenpreis gekoppelt ist und daher, je nach Entwicklung dieses Börsenpreises nach einer im Vertrag vereinbarten Formel, volatil ist, also ohne weiteres Zutun der Vertragsparteien „gleitet“ (vgl Oberndorfer, Zum neuen AGB- und Preisänderungsrecht der Stromlieferanten im ElWOG, wbl 2022, 545 [550]).

[16] 4. Hintergrund der Bestimmung des § 125 Abs 2 GWG 2011 (wie auch des vergleichbaren § 80 Abs 2 ElWOG) ist das Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit für die (Versorgungs-)Unternehmen (hier: Erdgaslieferanten), auf oft unvorhersehbare wirtschaftliche Entwicklungen mit Anpassung des Preises ihres Produkts reagieren zu können, und dem Schutzbedürfnis des Kunden mit oftmals „verdünnter“ Willensfreiheit vor Willkür der Unternehmen (vgl Oberndorfer, wbl 2022, 545).

[17] 5. § 125 Abs 2 GWG 2011 zielt also, soweit es um Änderungen der vertraglich vereinbarten Entgelte geht, auf den (durchaus typischen, hier aber gerade nicht vorliegenden) Fall ab, dass zwischen dem Erdgaslieferanten und dem Kunden ein fixer Tarif (Preis pro gelieferter KWh Erdgas) vereinbart wurde, den der Lieferant während aufrechten Bestands des Liefervertrags einseitig „ändern“ (also erhöhen) möchte.

[18] 6. Die im Schrifttum umstrittene Frage, ob § 125 Abs 2 GWG 2011 und § 80 Abs 2 ElWOG ein gesetzliches Preisänderungsrecht des Lieferanten normieren oder aber eine vertragliche Änderungsregel, etwa einen Änderungsvorbehalt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, voraussetzen (vgl zum Meinungsstand Oberndorfer, wbl 2022, 545 [548] mwN), stellt sich hier nicht, weil im Fall eines Floating‑Tarifs bereits bei Vertragsabschluss völlig klar (und vom Kunden gewünscht) ist, dass sich der verrechnete Energiepreis ändern kann.

[19] 7. Dass § 125 Abs 2 GWG 2011 auf Änderungen des Preises im Rahmen eines Floating‑Tarifs nicht anwendbar ist, ergibt sich zweifelsfrei im Zusammenhalt mit der – wenngleich im vorliegenden Fall noch nicht anwendbaren – Bestimmung des § 125 Abs 4a GWG 2011:

[20] 7.1. Nach dieser (mit BGBl I 145/2023 eingeführten) Norm muss ein Versorger, der Lieferverträge anbietet, welche die Preisschwankungen der Großhandelspreise widerspiegeln (Spotmarkt‑Produkte oder andere Produkte mit automatischer Preisänderung), Verbraucher iSd § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmer nachweislich vor Abschluss des Vertrags über Chancen sowie Kosten und Risiken von diesen Produkten informieren. Weiters hat er die Kunden während der Vertragslaufzeit laufend in geeigneter Weise über die Preisentwicklungen und über auftretende Risiken rechtzeitig und auf verständliche Weise zu informieren; Verträge nach dieser Bestimmung dürfen jederzeit unter Einhaltung der Fristen gemäß § 123 Abs 1 erster und zweiter Satz GWG 2011 gekündigt werden.

[21] 7.2. Ziel dieser Bestimmung ist nach den Gesetzesmaterialien (3531/A vom 7. Juli 2023, 27. GP), dass Endkunden für die hohe Volatilität solcher Produkte sensibilisiert werden. Der Lieferant soll die Kunden leicht verständlich und transparent, etwa durch eine Vergleichsrechnung, über Chancen sowie Kosten und Risiken informieren, und zum Schutz der Endkunden muss eine jederzeitige Kündigung solcher Lieferverträge, auch im ersten Vertragsjahr, möglich sein.

[22] 7.3. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn der Lieferant auch im Fall eines Floating‑Tarifs mit monatlicher Tarifanpassung den Kunden jeweils im Vorhinein über jede Änderung des Entgelts hätte informieren müssen und der Kunde der Erhöhung widersprechen (diese also verhindern) und damit letztlich das Vertragsverhältnis hätte beenden können.

[23] 8. Soweit die Klägerin damit argumentiert, dass die Beklagte sie mit Schreiben Beilage ./A über konkrete ziffernmäßige Preiserhöhungen und nicht bloß über eine Änderung von Berechnungsformeln informiert habe, was die Auffassung der Klägerin und nicht jene der Vorinstanzen bestätige, übersieht sie, dass das Schreiben Beilage ./A vom 9. Oktober 2008 und damit aus der Zeit vor Vereinbarung des Tarifs „Giga Float“ zwischen den Parteien stammt.

[24] 9. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

[25] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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