OGH 3Ob223/24a

OGH3Ob223/24a17.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des Betroffenen M* K*, geboren am *, vertreten durch Dr. Robert Gwschandtner, Rechtsanwalt in Wien (Erwachsenenvertreterin MMag. Katrin Maringer, Rechtsanwältin in Wien), wegen pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung eines Vergleichs, über den Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Juli 2024, GZ 45 R 75/24y‑98, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 14. November 2023, GZ 2 P 92/21f‑82, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00223.24A.1217.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erwachsenenschutzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Beim Betroffenen besteht eine psychische Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis mit einem psychotischen Zustandsbild. Er hat unter anderem die Vorstellung, dass sich eine Gruppe von Menschen zusammengeschlossen hat, um seine Existenz zu vernichten, sowie dass er ständig gemobbt wird. Aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigung ist er der Vorstellung verhaftet, Schadenersatzklagen gegen diverse Personen und Unternehmen zufolge angeblicher Verfolgungs- und Mobbinghandlungen einbringen zu müssen. Aus diesem Grund fordert er die für ihn bestellte Erwachsenenvertreterin regelmäßig auf, Klagen einzubringen und Verfahrenshilfeanträge zu stellen.

[2] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der der im zugrunde liegenden Ausgangsverfahren gegen eine Elektrotechnik und Maschinenbau GmbH abgeschlossene Vergleich über die Zahlung von 500 EUR an den Betroffenen pflegschaftsgerichtlich genehmigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Mit dem – vom Rekursgericht über Zulassungsvorstellung des Betroffenen gemäß § 63 Abs 3 AußStrG – nachträglich für zulässig erklärten Revisionsrekurs wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

[4] 1. Die im Rechtsmittel aufgeworfene Rechtsfrage, ob bei der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung eines Vergleichs – im Anschluss an die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der zugrunde liegenden Klage – nur das Prozessrisiko oder auch das psychische Wohlbefinden des Betroffenen zu berücksichtigen ist, wenn dieser das Verfahren aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigung weiterführen möchte, ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt.

[5] 2.1 Gemäß § 258 Abs 4 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen eines Erwachsenenvertreters in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung des Gerichts, sofern die Vermögensangelegenheit – wie hier – nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört; § 167 Abs 3 ABGB gilt sinngemäß. Wird über den bereits zur Klagsführung pflegschaftsgerichtlich genehmigten Anspruch eine Verfügungshandlung vorgenommen, so erfordert dies eine erneute Genehmigung (1 Ob 148/16w Pkt 4. mwN). Die bereits erfolgte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der zugrunde liegenden Klagsführung entfaltet für das Verfahren auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des im Verfahren abgeschlossenen Vergleichs keine Bindungswirkung.

[6] 2.2 Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Rechtsgeschäft durch das Pflegschaftsgericht nur dann genehmigt werden, wenn der Abschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liegt und somit seinem Wohl entspricht. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn eine Verminderung des Vermögens des Pflegebefohlenen nicht ausgeschlossen werden kann (RS0048176). Es sind aber nicht nur allein materielle Gesichtspunkte maßgebend, sondern auch die Interessen und Wünsche des Pflegebefohlenen, seine Befindlichkeit und seine konkreten Lebensumstände zu berücksichtigen (9 Ob 57/23g; 8 Ob 106/23f). Da die zu beurteilende pflegschaftsgerichtliche Genehmigung die Vermögenssorge betrifft, kommt den finanziellen Aspekten, hier dem Prozesskostenrisiko, aber besondere Bedeutung zu. Letztlich ist für die Beurteilung darauf abzustellen, ob der beabsichtigte Vergleichsabschluss im wohlverstandenen Interesse des Pflegebefohlenen liegt oder daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Vermögensnachteil droht. Es kommt darauf an, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter den angebotenen Prozessvergleich abschließen würde oder nicht (RS0108029).

[7] Ob ein beabsichtigter Vergleich dem Wohl des Pflegebefohlenen entspricht und die Voraussetzungen für eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung vorliegen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0112025; RS0048176 [T2 und T6]).

[8] 2.3 Der Betroffene weist in seinem Rechtsmittel selbst darauf hin, dass als einziges günstiges Beweismittel seine eigene Aussage zur Verfügung steht. Er schätzt die Erfolgsaussichten im Schadenersatzprozess wegen angeblichen Mobbings damit selbst als gering ein und ist sich des enormen Prozesskostenrisikos offenbar bewusst. Die als erheblich einzuschätzende Gefahr eines beträchtlichen Vermögensnachteils kann durch den – aufgrund der psychischen Beeinträchtigung und den dadurch bedingten psychotisch veränderten Realitätsbezug hervorgerufenen – Drang zur objektiv aussichtslosen Prozessführung wegen vermeintlicher Mobbinghandlungen nicht aufgewogen werden. In der konkreten Situation hat die Erwachsenenvertreterin im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen gehandelt und als verantwortungsbewusste gesetzliche Vertreterin den Prozessvergleich abgeschlossen.

[9] 2.4 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass unter Bedachtnahme auf das Krankheitsbild des Betroffenen und die rechtskräftige Abweisung eines Klagebegehrens in einem vergleichbaren Fall mit ähnlichen Mobbingvorwürfen die Fortsetzung des hier zugrunde liegenden Verfahrens nicht gerechtfertigt sei, begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[10] 3. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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