OGH 3Ob21/25x

OGH3Ob21/25x26.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch Dr. Alexander Russ, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei V*, vertreten durch HSP Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen restlicher 59.419,22 EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Dezember 2024, GZ 46 R 282/24x‑246, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. September 2024, GZ 72 E 1483/22k‑240, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00021.25X.0226.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Exekutionsrecht, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurswird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Betreibende führt gegen den verpflichteten Verein aufgrund eines vollstreckbaren Urteils zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Kostenforderung von (nach Einschränkung infolge Teilzahlungen) 59.419,22 EUR sA Forderungsexekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung von angeblichen Forderungen des Verpflichteten gegen insgesamt 128 Drittschuldner. Die meisten Drittschuldner haben erklärt, dass ihnen gegenüber keine Forderung des Verpflichteten bestehe.

[2] Die Betreibende beantragte, soweit in dritter Instanz noch von Interesse, die Bewilligung der Exekution nach § 346 EO zur Herausgabe der über die gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Forderungen vorhandenen, näher umschriebenen Urkunden. Der Verpflichtete habe zwar mittlerweile einige Unterlagen über die gepfändeten Forderungen übermittelt, halte allerdings wesentliche Informationen nach wie vor zurück. Insbesondere fehlten Anhänge zu vorgelegten E‑Mails, weitere Unterlagen seien unzulässigerweise teilweise geschwärzt vorgelegt worden.

[3] Der Verpflichtete vertrat in seiner Äußerung zusammengefasst den Standpunkt die Vorlage weiterer Unterlagen sei nicht erforderlich. Soweit Unterlagen bereits (geschwärzt) vorgelegt worden seien, seien sie nicht nochmals ungeschwärzt vorzulegen.

[4] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Frage, ob die gepfändeten Forderungen zu Recht bestehen, sei keinesfalls im Exekutionsverfahren selbst zu klären. Folglich könnten im Exekutionsverfahren auch nicht jene Unterlagen begehrt werden, die diese Forderungen allenfalls begründen könnten. Soweit die Drittschuldner negative Drittschuldner-erklärungen abgegeben hätten, sei es Sache der Betreibenden, den Bestand der Forderungen mittels Drittschuldnerklage zu klären.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betreibenden dahin Folge, dass es das Vollstreckungsorgan gemäß § 27a Abs 2 iVm §§ 306, 346 EO beauftragte, die zu den mit näher bezeichneten Beschlüssen gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Forderungen vorhandenen, sich in der Gewahrsame des Verpflichteten befindlichen Urkunden, insbesondere näher umschriebene Unterlagen, dem Verpflichteten wegzunehmen und der Betreibenden gegen Empfangsbestätigung zu übergeben. Die Bestimmung des § 27a Abs 2 EO solle sicherstellen, dass der Betreibende die für die Betreibung der gepfändeten und überwiesenen Forderung (allenfalls im Wege der Drittschuldnerklage) erforderlichen Informationen erhalte. Mit der Durchsetzung der den Verpflichteten nach § 27a EO treffenden Mitwirkungsverpflichtung werde ausschließlich die Informationserteilung an den Betreibenden erwirkt, die ihn in die Lage versetzen solle, den Bestand der Forderung zu prüfen und diese in der Folge geltend zu machen. Bei Bewilligung eines Antrags nach § 27a EO sei nicht im Detail zu prüfen, ob die im Antrag genannten Unterlagen tatsächlich der Verfolgung des Anspruchs dienen könnten. Der Verpflichtete habe nämlich grundsätzlich alle die Forderungen gegen die Drittschuldner betreffenden und zur Verfolgung dieser Ansprüche dienlichen Unterlagen und Auskünfte herauszugeben bzw zu erteilen.

[6] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil bisher höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Erwirkung der Mitwirkungspflicht des Verpflichteten nach § 27a Abs 2 iVm § 306 Abs 1 EO fehle, insbesondere zu den Antragserfordernissen und zum Umfang einer Prüfpflicht des Exekutionsgerichts.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[8] 1. Gemäß § 306 Abs 1 Satz 1 EO hat der Verpflichtete dem Verwalter oder dem betreibenden Gläubiger, dem die Forderung überwiesen wurde, die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Um dieser Bestimmung zu entsprechen, hat der Verpflichtete dem Verwalter oder (wie hier) dem betreibenden Gläubiger sämtliche zur überwiesenen Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Der Urkundenbegriff des § 306 Abs 1 EO ist weit zu verstehen; erfasst sind alle Urkunden die für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung behilflich sein können, wobei es unerheblich ist, ob es sich um private oder öffentliche Urkunden handelt (Leb in Garber/Simotta, EO § 306 Rz 4 mwN; vgl auch Markowetz in Deixler-Hübner, EO § 306 Rz 5 und Oberhammer in Angst/Oberhammer 3 § 306 EO Rz 1 je mwN).

[9] 2. Kommt der Verpflichtete seiner Auskunfts- und Ausfolgungspflicht nach § 306 Abs 1 EO nicht (ausreichend) nach, kann das Exekutionsgericht gemäß § 27a Abs 2 EO die Ausfolgung der Unterlagen durch den Verpflichteten und dessen Mitwirkung auch nach §§ 346 ff EO im Wege einer Exekution zur Erwirkung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen erzwingen (Leb in Garber/Simotta, EO § 306 Rz 6 mwN). Im Fall einer solchen Antragstellung hat der Betreibende (oder der Verwalter) die vom Verpflichteten herauszugebenden Urkunden genau zu bezeichnen (Markowetz in Deixler‑Hübner, EO § 306 Rz 18 mwN). Dabei handelt es sich um eine Hilfsexekution im anhängigen Forderungsexekutionsverfahren (Oberhammer in Angst/Oberhammer 3 § 306 EO Rz 2).

[10] 3. Entgegen der Ansicht des Verpflichteten war die Betreibende nicht gehalten, in ihrem Antrag zu behaupten, dass sich die herauszugebenden Urkunden in der Gewahrsame des Verpflichteten befinden (Höllwerth in Deixler‑Hübner, EO § 346a Rz 22 mwN; RS0004351).

[11] 4. Es trifft zwar zu, dass nach § 306 Abs 1 iVm § 27a Abs 2 EO kein allgemeines Recht auf Bucheinsicht besteht (Markowetz aaO § 306 Rz 16 mwN). Allerdings hat die Betreibende in ihrem Antrag jene Urkunden, die der Verpflichtete ihr herauszugeben hat, ohnehin detailliert umschrieben. Es ist daher ohne Relevanz, dass es durch Herausgabe der vom Rekursgericht näher bezeichneten Urkunden nach Auffassung des Verpflichteten zu einer „quasi vollständigen“ Einsichtnahme in seine Bücher käme.

[12] 5. Soweit der Verpflichtete auf dem Standpunkt steht, vor Bewilligung des Antrags nach § 27a iVm § 306 EO wäre zu prüfen gewesen, ob die begehrten Urkunden tatsächlich der Verfolgung der Ansprüche dienen, ist ihm zu entgegnen, dass eine solche Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag – also vor der Abnahme der Urkunden durch das Vollstreckungsorgan und damit ohne Kenntnis ihres Inhalts – wenn überhaupt, dann nur abstrakt möglich ist. Da auf Basis der Umschreibung der Urkunden durch die Betreibende nicht der geringste Anhaltspunkt für die Annahme besteht, sie seien für die Prüfung und Durchsetzung der überwiesenen Forderungen jedenfalls nicht notwendig, ist die Stattgebung des gesamten Antrags durch das Rekursgericht nicht zu beanstanden.

[13] 6. Ob die in bereits vorgelegten Unterlagen geschwärzten Passagen, wie der Verpflichtete behauptet, nicht relevant sind, kann bei Beschlussfassung und damit ohne Kenntnis ihres (vollständigen, also ungeschwärzten) Inhalts ebenfalls nicht beurteilt werden.

[14] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO. Die Revisionsrekursbeantwortung der Betreibenden im hier einseitigen Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen ist zwar nicht zurückzuweisen (RS0118686 [T1]), aber nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch nicht zu honorieren (RS0118686 [T12]).

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