European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00011.25A.0528.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I. Die mit der außerordentlichen Revision erfolgte Urkundenvorlage wird zurückgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht wies das – auf Ersatz der Sanierungskosten nach einem im September 2019 in der Wohnung des Klägers (bereits wiederholt) aufgetretenen Wasserschaden sowie auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden gerichtete – Klagebegehren wegen Verjährung ab.
[2] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der sich auf den Wasserschaden aus September 2019 beziehende Ersatzanspruch des Klägers mangels Erhebung einer rechtzeitigen Feststellungsklage verjährt ist.
Zu I.:
[4] Die mit der außerordentlichen Revision zur Ausführung der Rechtsrüge erfolgte Urkundenvorlage sowie das dazu erstattete Vorbringen verstoßen gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO; vgl RS0043575). Die Urkundenvorlage war daher zurückzuweisen.
Zu II.:
[5] Mit der außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[6] 1. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass es sich bei dem im September 2019 erfolgten Wasserschaden um einen Folgeschaden des bereits im Mai 2019 eingetretenen Wasserschadens gehandelt hat.
[7] 2.1 Nach ständiger Rechtsprechung beginnt die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 Satz 1 ABGB) nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen (RS0083144). Gleichartige Teil- oder Folgeschäden, die sich aus einer einzelnen schädigenden Handlung fortlaufend entwickeln, in einem überschaubaren Zusammenhang stehen und schon ursprünglich voraussehbar waren, stellen einen einheitlichen Schaden dar, dessen Verjährung bei Kenntnis des Geschädigten von Schädiger und erstem (Teil‑)Schaden mit dem Eintritt des Primärschadens beginnt (RS0087613; RS0097976; RS0034618 [insb T8]). Der drohenden Verjährung des Ersatzanspruchs für Folgeschäden ist – und zwar auch bei Nichteinklagung des Primärschadens – mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (RS0034618 [T5]; RS0097976 [T3]; RS0083144 [T25]). Demgegenüber beginnt die Verjährungsfrist für nicht (mit ausreichender Wahrscheinlichkeit) vorhersehbare neue Wirkungen eines Schadensfalls mit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme bzw sobald nach einem Primärschaden mit künftigen Schäden „mit Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist“ neu zu laufen (RS0034527 [T15]; RS0034618 [T10]; RS0083144 [T20]).
[8] Unvorhersehbar sind Schäden nach der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn sie sich von den früheren Schäden schon durch ihre Beschaffenheit und namentlich dadurch unterscheiden, dass sie auf bis dahin nicht wahrgenommene Zwischenursachen zurückzuführen sind (RS0034527 [T2]; 5 Ob 230/14f [5.1]; 10 Ob 18/13i [3.]). Folgeschäden sind demnach in der Regel dann nicht vorhersehbar, wenn zum schädigenden Ereignis, das den Erstschaden herbeigeführt hat, weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen und nicht abzusehen ist, ob es tatsächlich dazu kommen wird (RS0087613 [T8]; RS0034527 [T10]; 6 Ob 232/15h [4.7.]; 6 Ob 153/15s [4.4.]). Entscheidend ist die objektive Vorhersehbarkeit für den Geschädigten (RS0087613 [T7, T9]; RS0034618 [T7]).
[9] 2.2 Der Beginn der Verjährungsfrist und die Voraussehbarkeit eines Schadeneintritts können letztlich nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (RS0087613 [T5]; RS0034618 [T6]), sodass regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen sind.
[10] 3. Ausgehend von diesen Grundsätzen gelangte das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass für den Kläger der von ihm behauptete Folgeschaden aus September 2019 vorhersehbar gewesen sei. Dies begründete es vor allem damit, dass bei einem Wasserrohrgebrechen Wasser unkontrolliert in das Mauerwerk eintrete und nicht alle Schäden gleichzeitig sichtbar würden. Aufgrund des Schadensbildes im Mai 2019 hätte auch ein laienhafter Geschädigter mit weiteren Schäden der bereits bekannten Art rechnen müssen. Außerdem sei seit dem Primärschaden im Mai 2019 keine Zwischenursache eingetreten. Der Kläger wäre daher zur Vermeidung der Verjährung gehalten gewesen, eine Feststellungsklage zu erheben.
[11] 3.1 Entgegen dem Standpunkt der Revision unterstellte das Berufungsgericht keinen Grundsatz dahin, dass bei Wasserschäden „stets“ mit Folgeschäden zu rechnen sei. Es stellte auch nicht etwa auf einen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweichenden Prüfungsmaßstab ab. Vielmehr gelangte es nach einer Gesamtschau zur Beurteilung, dass der Kläger aufgrund des im Mai 2019 eingetretenen Primärschadens mit Wahrscheinlichkeit mit weiteren Folgeschäden dieser Art rechnen musste.
[12] Inwieweit die Behebung der Schadensursache (Behebung des Ablaufgebrechens in der Wohnung Top 10 am 6. Juni 2019), die darauf gerichtete Mitteilung an den Kläger am 19. Juni 2019 oder die am 18. Juni 2019 erfolgte Verkleidung des (bereits 2015 erneuerten) Kunststoffrohrs im WC des Klägers mit Tellwolle und Rigipsplatten den Eintritt eines Folgeschadens unvorhersehbar gemacht hätten, vermag der Kläger nicht schlüssig darzulegen. Einerseits erscheinen diese Maßnahmen nicht dazu geeignet, die (weitere) Ausbreitung des aufgrund des Gebrechens im Mai 2019 in das Mauerwerk eingedrungenen Wassers – und damit die Entstehung weiterer Schadensbilder – zu verhindern. Andererseits konnte gerade nicht festgestellt werden, dass die Wohnung des Klägers mit Ende Juni 2019 vollständig saniert war.
[13] 3.2 Soweit der Kläger auf weitergehende Arbeiten zur Sanierung der Schäden in seiner Wohnung nach dem Rohrgebrechen im Mai 2019 abstellt, geht er von den Feststellungen der Vorinstanzen ab, wonach Gebäudefolgeschäden aus diesem Gebrechen zu diesem Zeitpunkt nicht saniert wurden. Die in der zweiten Junihälfte 2019 stattgefundenen Sanierungsarbeiten in der Küche und im WC des Klägers dienten vielmehr der Beseitigung des Wasserschadens aus dem Jahr 2015.
[14] Auch eine mangelhafte Behebung oder Sanierung des Wasserschadens aus Mai 2019 wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt. Mit der Argumentation, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass damit eine Zwischenursache nach Eintritt des Primärschadens hinzugetreten sei, weicht die Revision neuerlich vom festgestellten Sachverhalt ab.
[15] 3.3 Der Kläger kann sich weiters nicht darauf stützen, er sei nicht zur Erhebung einer Feststellungsklage verpflichtet gewesen, weil die Beklagte der Beseitigung des Mangels nicht hinreichend nachgekommen sei. Die in diesem Zusammenhang in der Revision zitierten Entscheidungen (3 Ob 227/12x [5. ff]; 6 Ob 232/15h [4.2. ff]; 10 Ob 72/07x) betrafen jeweils Sachverhalte, in denen Folgeschäden aufgrund einer fortgesetzten Schädigung durch Verzug mit einer Leistung eintraten. In diesen Fällen beginnt für jede weitere Schädigung eine neue Verjährung in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem sie dem Geschädigten zur Kenntnis gelangt (RS0034536). Eine solche Konstellation liegt hier aber nicht vor, weil die Feststellungen der Vorinstanzen keinen Anhaltspunkt dafür bieten, dass der geltend gemachte Schaden auf eine „fortgesetzte Schädigung“ zurückzuführen wäre.
[16] Der Kläger war an der Erhebung einer Feststellungsklage zur Verhinderung der Verjährung seines Ersatzanspruchs auch nicht durch ein fehlendes rechtliches Interesse gehindert. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Interesse an der Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden des Geschädigten im Sinne des § 228 ZPO nur dann zu verneinen, wenn weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis ausgeschlossen werden können (RS0038826). Hingegen ist das Interesse zu bejahen, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Möglichkeit offenbleibt, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen könnte (RS0038865; RS0039018; RS0038976).
[17] 4. Zusammenfassend begründet die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Verjährungsfrist für den vom Kläger geltend gemachten und für diesen vorhersehbaren Folgeschaden habe bereits mit Kenntnis des Klägers vom Primärschaden im Juni 2019 begonnen, weshalb der Schadenersatzanspruch im Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung am 26. 8. 2022 bereits verjährt gewesen sei, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die vom Berufungsgericht bejahte Vorhersehbarkeit des Folgeschadens auch keine (festgestellte bzw offenkundige) „Tatsache“, sodass es in dieser Hinsicht keiner Erörterung mit den Parteien bedurfte.
[18] Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)