European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030NC00078.24M.0122.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Für die Bewilligung und Vollziehung der von der betreibenden Partei beabsichtigten Rechteexekution wird das Bezirksgericht Salzburg als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.
Der Antrag der betreibenden Partei auf Kostenzuspruch wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Nach dem Vorbringen im Ordinationsantrag und im angeschlossenen Exekutionsantrag hat der Betreibende gegen die Verpflichtete, eine Gesellschaft mit Sitz in Malta, zwei rechtskräftige und vollstreckbare Urteile auf Rückzahlung von Spielverlusten erwirkt. Da sich die Verpflichtete weigere, die Urteile zu erfüllen, beabsichtige der Betreibende, die Domain „www.p*.com“ pfänden und verkaufen zu lassen. Die Gesamtheit der schuldnerischen Ansprüche aus einer Internet-Domain sei ein pfändbares Vermögen im Sinn des § 331 EO. Die Pfändung geschehe durch Erlassung des Gebots an die Verpflichtete, sich jeder Verfügung über das Recht zu enthalten.
[2] Malta habe im Jahr 2023 ein Gesetz erlassen, das die Vollstreckung österreichischer Urteile gegen Gesellschaften in Malta verbiete, die über eine maltesische Glücksspiellizenz verfügten. Die maltesischen Gerichte weigerten sich zudem, die Frage der Vereinbarkeit des maltesischen Gesetzes mit dem Unionsrecht dem EuGH vorzulegen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Vollstreckung der zugrunde liegenden Urteile in Malta nicht möglich sei. Dementsprechend hätten sich die maltesischen Gerichte in zwei anderen über einen Vertrauensanwalt in Malta geführten Vollstreckungsverfahren auf besagtes maltesisches Gesetz und den ordre public berufen und die Vollstreckung in Malta abgelehnt. In einer in einem weiteren Verfahren ergangenen maltesischen Entscheidung sei festgehalten worden, dass besagtes Gesetz verfassungsrechtlicher Natur sei und über dem EU‑Recht stehe. Nach Ansicht der maltesischen Gerichte falle es ausschließlich in deren Zuständigkeit, über das maltesische Gesetz und den ordre public zu urteilen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Ordinationsantrag ist berechtigt.
[4] 1. Eine Ordination ist auch in Exekutionssachen zulässig, wenn es an einem örtlich (bzw international örtlich) zuständigen inländischen Gericht mangelt (RS0053178) und eine der in § 28 Abs 1 JN normierten besonderen Voraussetzungen vorliegt (3 Nc 44/24m).
[5] 2. Die Grundvoraussetzung jeder Ordination nach § 28 Abs 1 JN, dass für die betreffende Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind (RS0108569), ist hier erfüllt. Die Domain, deren Pfändung und Verkauf der Betreibende anstrebt, ist nämlich eine Top-Level-Domain („.com“), somit keine länderspezifische, sondern eine nicht gesponserte generische Domain, weshalb sie auch nicht bei der in Österreich ansässigen n*.at GmbH registriert ist, sondern nur von der in den USA ansässigen Non-Profit-Organisation ICANN kontrolliert wird (3 Ob 152/24k).
[6] 3.1 Darüber hinaus sind im Anlassfall auch die besonderen Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn der Kläger bzw im Exekutionsverfahren der Betreibende – wie hier – österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und darüber hinaus im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.
[7] 3.2 Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist eine Ordination für Verfahren gegen Parteien, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, zwar nur in Ausnahmefällen möglich (RS0053178 [T3 und T7]). Eine solche Ausnahme liegt grundsätzlich aber dann vor, wenn der Versuch einer Exekutionsführung im Ausland gescheitert ist oder die beabsichtigte zwangsweise Rechtsdurchsetzung nach der Rechtsprechung im anderen Mitgliedstaat generell nicht bewilligt würde (3 Nc 12/23d).
[8] 3.3 Im Anlassfall hat der Betreibende anhand konkreter in Malta eingeleiteter Vollstreckungsverfahren bescheinigt, dass die maltesischen (Exekutions-)Gerichte das (neue) Gesetz Nr XXI/2023 zur Anpassung des Glücksspielgesetzes (Kap 583) auf österreichische Urteile in Glücksspielfällen anwenden und die Vollstreckung von Urteilen ablehnen, mit denen ein maltesischer Glücksspielanbieter zur Rückzahlung von Spielverlusten verpflichtet wurde. Zudem ist bescheinigt, dass sich die maltesischen Gerichte weigern, die von der Betreibenden mit guten Gründen vertretene Unionsrechtswidrigkeit des erwähnten maltesischen Gesetzes – zufolge Verstoßes gegen die Freizügigkeit europäischer gerichtlicher Entscheidungen, insbesondere gegen Art 36 ff und Art 45 f EuGVVO 2012 – vom EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens überprüfen zu lassen. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass Exekutionen gegen maltesische Glücksspielanbieter aufgrund österreichischer Urteile in Malta derzeit nicht bewilligt werden und die Rechtsdurchsetzung in Malta daher jedenfalls unzumutbar ist. Der Betreibende hätte zwar noch die Möglichkeit, bei der Europäischen Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Malta anzuregen. Da auf die Einleitung eines solchen Verfahrens aber kein Rechtsanspruch besteht, wird durch diese Möglichkeit die Unzumutbarkeit der Rechtsdurchsetzung nicht beseitigt (3 Nc 36/24k; 3 Nc 41/24w; 3 Nc 44/24m).
[9] 4. In der hier maßgebenden Fallkonstellation des § 28 Abs 1 Z 2 JN wird die inländische Gerichtsbarkeit (im Sinn der internationalen Zuständigkeit) der österreichischen Gerichte durch die Ordinationsentscheidung geschaffen; es bedarf daher keines weiteren Anknüpfungspunktes zu Österreich (vgl 3 Nc 77/24i; vgl auch 3 Nc 72/24d).
[10] 5. Ausgehend von den angestellten Erwägungen erweist sich der Ordinationsantrag als berechtigt. Darauf, ob die beabsichtigte Exekutionsführung aufgrund der Situierung sowohl der Verpflichteten als auch der Organisation ICANN im Ausland erfolgversprechend sein kann, ist im Ordinationsverfahren nicht Bedacht zu nehmen (vgl 3 Ob 72/24d).
[11] 6. Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs zur Domain-Verwaltung war aus Zweckmäßigkeitsgründen als zuständiges Exekutionsgericht jenes Gericht zu bestimmen, in dessen Sprengel die n*.at GmbH ihren Sitz hat, also das Bezirksgericht Salzburg.
[12] 7. Im Ordinationsverfahren findet kein Kostenersatz statt, weil es sich dabei um ein einseitiges Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof handelt, dem der Gegner nicht beigezogen wird (3 Nc 12/23d; vgl RS0114932).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)