OGH 2Ob45/25v

OGH2Ob45/25v29.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger als weitere Richter und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: 36.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. September 2023, GZ 3 R 39/23m‑15, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. Jänner 2023, GZ 57 Cg 19/22b‑10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00045.25V.0429.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

I. Das mit Beschluss vom 23. Jänner 2024 zu 2 Ob 236/23d unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.639,40 EUR (darin enthalten 439,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung und die mit 2.639,28 EUR (darin enthalten 439,38 EUR USt) bestimmten Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist ein gemäß § 29 Abs 1 KSchG zur Verbandsklage nach §§ 28, 28a KSchG berechtigter Verein. Die Beklagte ist eines der größten Bankinstitute Österreichs und verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern ein „Produktinformationsblatt Wohnkredite, Stand: 22. 2. 2022“. Darin enthalten sind allgemeine Warnhinweise bezüglich Verzugszinsen und Mahnkosten sowie ein Hinweis auf das aktuelle Preisblatt für Entgelte und gesetzliche Gebühren. Das Produktinformationsblatt unterscheidet Verträge mit hypothekarischer Besicherung mit abwechselnd variablen Zinsen und Festzinsphasen oder ausschließlichen Festzinsphasen sowie Verträge mit hypothekarischer Besicherung mit ausschließlich variablen Zinssätzen. Dabei enthält das Informationsblatt folgende Textpassagen:

Zinssatz

(…) Ab Annahme des Vertrages bis 31.01.2031 gelten für die Anpassung des Vertragszinssatzes zusätzlich die nachstehenden Bestimmungen: Fällt der in Punkt 1.1 angeführte 3‑Monats‑Euribor am jeweils maßgebenden Kalendertag unter 0 %, wird bei der nächsten Zinsanpassung für den 3‑Monats‑Euribor ein Wert von 0 % herangezogen, steigt der in Punkt 1.1 angeführte 3‑Monats‑Euribor am jeweils maßgebenden Kalendertag hingegen über 4,0 %, wird bei der nächsten Zinsanpassung ein Wert von höchstens 4,0 % herangezogen. (...)

Information nach § 7 Z 5a HIKrG

(…) Mögliche Auswirkungen auf den Verbraucher: Der Vertragszinssatz ist an Änderungen des Referenzwertes gebunden. Änderungen des Referenzwertes führen zu Änderungen des Vertragszinssatzes nach Maßgabe der in Punkt Zinssatz enthaltenen Zinsgleitklausel und können zu einer Erhöhung oder Senkung Ihrer Kreditrate führen.

 

[2] Als repräsentatives Beispiel für einen Wohnbaukredit ohne Hypothek wird ein Kredit über 35.000 EUR mit einer Laufzeit von 180 Monaten und einem jährlichen Nominalzinssatz von 4,58 % variabel angeführt. Als repräsentatives Beispiel für einen Wohnbaukredit mit Hypothek wird ein Kredit über 200.000 EUR mit einer Laufzeit von 240 Monaten und einem jährlichen Nominalzinssatz von 0,5 % variabel angeführt. Beide Beispiele enthalten Angaben zur Höhe der Zinsbelastung, des Effektivzinssatzes und der Gesamtbelastung. Die Beklagte bietet auch Kreditverträge mit einer Laufzeit von 35 Jahren und einer Festzinsperiode von 25 Jahren an.

[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, (1.) die im Informationsblatt enthaltene Zinsgleitklausel oder sinngleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden oder sich darauf zu berufen, sofern der 3‑Monats‑Euribor im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen negativen Wert hat, (2.) bei Hypothekar‑ und Immobilienkreditverträgen unrichtig oder nicht klar verständlich über die möglichen Auswirkungen eines variablen Zinssatzes zu informieren, insbesondere nicht darüber, in welchen Fällen Änderungen des Referenzwerts zu Änderungen der Kreditraten führen oder keine zahlenmäßig bestimmten Angaben zur möglichen Erhöhung der Kreditraten zu machen sowie (3.) solche Kreditverträge mit ausschließlich oder anfänglich festen Zinssätzen anzubieten, ohne ein repräsentatives Beispiel für einen Kredit mit ausschließlich oder anfänglich festen Zinssätzen anzugeben. Darüber hinaus wird ein Veröffentlichungsbegehren gestellt.

[4] Der Kläger brachte dazu vor, dass die verwendete Zinsgleitklausel dazu führe, dass der geschuldete Zinssatz, wenn der 3‑Monats‑Euribor bei Vertragsabschluss einen negativen Wert habe, nur steigen, nicht aber fallen könne, sodass die Klausel nicht nur intransparent und überraschend sei, sondern auch gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoße. Der Verbraucher werde auch nicht hinreichend über die Auswirkungen von Änderungen des Referenzwerts aufgeklärt, sodass er nicht beurteilen könne, ob er aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse in der Lage sein werde, das mit der Zinsgleitklausel verbundene Risiko auf sich zu nehmen. Darüber hinaus fehle ein repräsentatives Beispiel für einen Kredit mit festem Zinssatz. Da ein Festzinssatz wesentlich höher als ein variabler Zinssatz sei, habe ein repräsentatives Beispiel, das die Kosten eines Kredits mit variablem Zinssatz abbildet, keinen Informationswert für einen Verbraucher, der einen Festzinskredit abschließen möchte.

[5] Die Beklagte wendet ein, dass das Informationsblatt keine Vertragsbestimmungen, sondern nur allgemeine Produktinformationen enthalte, sodass es nicht der Klauselkontrolle unterliege. Das Informationsblatt würde die Funktionsweise der Zinsgleitklausel in einfachen Worten zutreffend erklären. Es könne nicht verlangt werden, dass zu jeder denkbaren Verzinsungsform ein eigenes Beispiel angeführt wird.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Informationsblatt enthalte Vertragsbestimmungen, wobei die beanstandete Zinsgleitklausel gegen das Zweiseitigkeitsgebot des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoße. Darüber hinaus werde die Klausel den Anforderungen des § 7 HIKrG nicht gerecht, weil der Verbraucher nicht hinreichend klar darauf hingewiesen werde, dass der Zinssatz im Fall eines negativen 3‑Monats‑Euribor nur steigen, aber nicht sinken könne. Da die Beklagte Kredite mit längeren Festzinsperioden anbiete, das Produktinformationsblatt aber kein repräsentatives Beispiel für Kreditverträge mit festen Zinssätzen enthalte, verantworte sie zudem einen Verstoß gegen § 7 Z 7 HIKrG.

[7] Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass die Klage abgewiesen wurde. Es sei nicht behauptet worden, dass die Beklagte das Informationsblatt den von ihr abgeschlossenen Verträgen zugrundelege, sodass die dort enthaltenen Informationen nicht den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Vorschriften unterlägen. Die Informationen der Beklagten zur Zinsgleitklausel genügten den Anforderungen des § 7 HIKrG, ohne dass die Beklagte darauf hinweisen müsste, wie sich der Referenzzinssatz in Zukunft entwickeln könnte und welche Auswirkungen damit verbunden wären. Da § 7 Z 7 HIKrG nur „ein“ repräsentatives Beispiel verlange, sei die Beklagte nicht verpflichtet, in ihrem Informationsblatt ein zusätzliches Beispiel eines Kredits mit festem Zinssatz anzuführen.

[8] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 7 HIKrG zulässig sei.

[9] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der er beantragt, das Urteil des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Beklagte beantragt die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[11] Zu I. Der Senat hat das vorliegende Revisionsverfahren mit Beschluss vom 23. 1. 2024 zu 2 Ob 236/23d bis zur Entscheidung des EuGH über den vom Obersten Gerichtshof gestellten Antrag nach Art 267 AEUV unterbrochen und angeordnet, dass das Verfahren nach Einlangen der Vorabentscheidung von Amts wegen fortgesetzt werden wird. Die Entscheidung des EuGH vom 27. Februar 2025, C‑85/24 , liegt nunmehr vor. Das Revisionsverfahren ist daher fortzusetzen.

[12] Zu II. Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Zur Rechtsqualität des Informationsblatts

[13] 1.1. Was unter den in § 28 Abs 1 KSchG verwendeten Begriffen „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ und „Vertragsformblätter“ zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert. Nach der Rechtsprechung sind unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, wobei unerheblich ist, ob die Bestimmungen in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden oder einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden (RS0123499 [T1, T7]). Da sich § 28 Abs 1 KSchG demnach auf gesetz- oder sittenwidrige Vertragsbedingungen bezieht, worunter im Kern die Kontrolle von Willenserklärungen zu verstehen ist, sind Texte, die bloß der Aufklärung des Verbrauchers dienen, nicht erfasst (RS0131601).

[14] 1.2. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 Ob 17/23t, auf die sich der Kläger beruft, ist nicht einschlägig, weil sie „allgemeine Informationen“ betraf, die auf die mit Verbrauchern abgeschlossenen Kreditverträge anwendbar waren, sodass die darin enthaltenen Klauseln Bestandteil der mit den Verbrauchern abgeschlossenen Kreditverträge wurden. Demgegenüber hat der Kläger im vorliegenden Verfahren, obwohl die Beklagte von Anfang an eingewendet hat, dass das „Produktinformationsblatt“ keine Vertragsbestimmungen enthalte, nicht behauptet, dass das Informationsblatt den von der Beklagten abgeschlossenen Kreditverträgen zugrunde gelegt werde. Vielmehr führt der Weg der Kläger in seiner Revision aus, dass der Zweck des Informationsblatts darin bestehe, Verbraucher „in die Nähe des eigentlichen Kreditvertragsangebotes zu locken und sich näher mit diesem zu beschäftigen, um in weiterer Folge eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können.“ Damit handelt es sich beim Produktinformationsblatt der Beklagten aber gerade nicht um einen Vertragsbestandteil, dessen Verwendung einen Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG begründen könnte (ebenso bereits 2 Ob 184/20b und 3 Ob 161/21d).

[15] 1.3. Da es sich bei den Angaben im Informationsblatt um keine Vertragsbestimmungen handelt, ist § 28 KSchG nicht anwendbar. Das auf diese Bestimmung gestützte Unterlassungsbegehren muss daher schon aus diesem Grund scheitern.

2. Zur allgemeinen Informationspflicht

[16] 2.1. Nach § 7 Z 5 HIKrG hat der Kreditgeber jederzeit klare und verständliche allgemeine Informationen über Kreditverträge bereitzustellen, welche auch die Art der angebotenen Sollzinssätze mit der Angabe, ob es sich um einen festen oder einen variablen Zinssatz oder beide handelt, mit einer kurzen Darstellung der Merkmale eines festen und eines variablen Zinssatzes, einschließlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Verbraucher umfassen müssen. Der behauptete Verstoß gegen dieses Gebot ist Gegenstand der Unterlassungsklage nach § 28a KSchG.

[17] 2.2. Die Informationspflicht des § 7 HIKrG beruht auf Art 13 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU . Nach dem 39. Erwägungsgrund der Wohnimmobilienkreditrichtlinie sollen diese Informationen dem Verbraucher, dem aus der Werbung möglicherweise nur ein Kreditprodukt bekannt ist, eine umfassende Kenntnis der gesamten Palette angebotener Kreditprodukte verschaffen, damit er seine Entscheidung danach ausrichten kann. Die Informationspflicht des § 7 HIKrG richtet sich an potentielle Kreditnehmer und besteht dementsprechend schon vor der Aufnahme konkreter Vertragsverhandlungen (Stabentheiner, Das Hypothekar‑ und Immobilienkreditgesetz [Teil I] – Grundüberlegungen, Anwendungsbereich, Vorvertragliches, Bonitätsprüfung, ÖJZ 2016/22 [159]; Fleißner/Tamerl in Schwimann/Kodek 5 § 7 HIKrG Rz 13 f).

[18] 2.3. Die Frage, ob die bereitgestellten Informationen klar und verständlich sind, ist aus der Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen („europäischen“) Verbrauchers zu beurteilen (vgl RS0123552; zum Lauterkeitsrecht RS0123292). Soweit der Kläger bemängelt, dass das Informationsblatt keine Darstellung der Merkmale eines festen und eines variablen Zinssatzes enthalte, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Begriff des festen Zinssatzes allgemein verständlich ist und deshalb keiner gesonderten Erläuterung bedarf. Darüber hinaus wird im Informationsblatt auf allgemein verständliche Weise dargelegt, dass der variable Zinssatz vom Referenzzinssatz abhängt, Veränderungen des Referenzzinssatzes aber nur innerhalb einer Bandbreite von 0 bis 4 % berücksichtigt werden. Die Beklagte hat damit sowohl die Merkmale des variablen Zinssatzes als auch die sich daraus für den Verbraucher ergebenden Konsequenzen klar und verständlich offengelegt. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist der im Informationsblatt enthaltene Hinweis, dass Änderungen des Referenzwerts zu einer Erhöhung oder Senkung der Kreditrate führen können, selbst für den Fall zutreffend, dass der Referenzzinssatz im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Null oder weniger beträgt, weil es auch in diesem Fall nach einer Erhöhung wieder zu einer Senkung der Kreditrate kommen kann.

[19] 2.4. Dass selbst geringe Schwankungen des Referenzzinssatzes – insbesondere bei hohen Kreditsummen – zu einem erheblichen Ansteigen der Kreditraten führen können, ist dem informierten und verständigen Kreditnehmer bekannt, sodass es dazu keines gesonderten Hinweises bedarf. Zudem enthält das Informationsblatt ohnehin zwei Beispiele mit unterschiedlichen Zinssätzen, aus denen sich die Auswirkungen des Unterschieds auf das Verhältnis zwischen Kreditbetrag und Gesamtbelastung deutlich ergeben. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers besteht im Rahmen des § 7 Abs 1 HIKrG auch keine Verpflichtung, die sich aus einer Zinsvereinbarung ergebenden Zahlungspflichten weiter zu spezifizieren. Da die Kreditraten ganz wesentlich von der jeweiligen Kreditsumme abhängen, die der Verbraucher in Anspruch genommen hat, sind „zahlenmäßig bestimmte Angaben zu der bei Änderung des Referenzwerts möglichen Erhöhung der monatlichen Kreditrate“, wie sie vom Kläger angestrebt werden, im Rahmen der Allgemeinen Informationen gemäß § 7 HIKrG von vornherein ausgeschlossen.

[20] 2.5. Soweit der Kläger bemängelt, dass ein Verbraucher aufgrund der von der Beklagten bereitgestellten Informationen nicht beurteilen könne, ob er angesichts seiner finanziellen Verhältnisse in der Lage ist, das Risiko einer Zinsänderung auf sich zu nehmen, ist er darauf hinzuweisen, das der Kreditgeber nach § 8 HIKrG erst, nachdem der Verbraucher Angaben über seine Präferenzen und seine wirtschaftliche Lage gemacht hat, dem Verbraucher die auf ihn zugeschnittenen Informationen zu erteilen hat, damit er die mit dem Kreditvertrag verbundenen finanziellen Belastungen prüfen und eine fundierte Entscheidung über den Abschluss eines Kreditvertrags treffen kann. Im Rahmen der allgemeinen Informationen nach § 7 HIKrG, die sich an alle potentiellen Kunden richten, bestehen demgegenüber keine derart weitreichenden Hinweispflichten.

[21] 2.6. Da das Informationsblatt der Beklagten hinreichende Angaben zu den Auswirkungen der Zinsgleitklausel enthält, hat die Beklagte ihrer allgemeinen Informationspflicht nach § 7 Z 5 HIKrG entsprochen, sodass insoweit kein Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 28a KSchG besteht.

3. Zum repräsentativen Beispiel

[22] 3.1. Nach § 7 Abs 1 Z 7 HIKrG (Art 13 Abs 1 Buchst g Wohnimmobilienkreditrichtlinie) müssen die vom Kreditgeber bereitzustellenden allgemeinen Informationen über Kreditverträge auch ein repräsentatives Beispiel des Gesamtkreditbetrags, der Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, des vom Verbraucher zu zahlenden Gesamtbetrags und des effektiven Jahreszinses enthalten. Der Kläger macht nach § 28a KSchG geltend, dass die Beklagte in ihrem Informationsblatt auch ein repräsentatives Beispiel für einen Kredit mit teilweiser oder durchgehender Festzinsperiode anführen hätte müssen. Ein Beispiel mit einem variablen Zinssatz sei für eine Festzinsvereinbarung nicht repräsentativ. Die Beklagte verantworte eine irreführende Geschäftspraktik, weil sie dem Verbraucher Informationen vorenthalte, die er benötige, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Das Beispiel eines Kreditvertrags mit variablen Zinsen sei für eine Festzinsvereinbarung schon deshalb nicht repräsentativ, weil die Beklagte im Februar 2022 keine Festzinsvereinbarungen mit 0,5 % Zinsen angeboten habe.

[23] 3.2. Der EuGH hat das im gegenständlichen Verfahren mit Beschluss vom 23. 1. 2024 zu 2 Ob 236/23d gestellte Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 27. 2. 2025, C‑85/24 , wie folgt beantwortet: „Art 13 Abs 1 lit g der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr 1093/2010 ist dahin auszulegen, dass ein Kreditgeber, der zur Finanzierung des Baus einer Wohnung Kreditverträge, die durch eine Hypothek gesichert sind oder nicht, mit festem Zinssatz, mit variablem Zinssatz oder mit abwechselnd variablen Zinssätzen und Festzinsphasen anbietet, in den allgemeinen Informationen nur ein einziges Beispiel der von ihm angebotenen Kredite anzugeben hat, sofern dieses Beispiel repräsentativ ist.

[24] 3.3. Der EuGH begründete diese Auslegung damit, dass schon der Wortlaut von Art 13 Abs 1 Buchst g der Wohnimmobilienkreditrichtlinie durch die Verwendung des unbestimmten Artikels „ein“ darauf hindeutet, dass vom Kreditgeber lediglich ein einziges Beispiel erwartet wird. Da erst die in Art 14 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie genannten „vorvertraglichen Informationen“ den Verbraucher in die Lage versetzen sollen, die auf dem Markt verfügbaren Kreditprodukte zu vergleichen, ihre jeweiligen Auswirkungen zu prüfen und eine fundierte Entscheidung über den Abschluss eines Kreditvertrags zu treffen, wäre es unangebracht, schon die in Art 13 Abs 1 Buchst g der Wohnimmobilienkreditrichtlinie vorgesehenen „allgemeinen Informationen“ im Sinne einer erschöpfenden Informationspflicht auszulegen. Die Angaben, die der Verbraucher bei der Suche nach Krediten in einem frühen Stadium seiner Überlegungen benötigt, um sich mit einem Kredit mit festem Zinssatz, einem Kredit mit variablem Zinssatz oder einem gemischt verzinslichen Kredit auseinanderzusetzen, müssen in den allgemeinen Informationen, nicht aber im repräsentativen Beispiel enthalten sein.

[25] 3.4. Zudem weist der EuGH darauf hin, dass nach dem 53. Erwägungsgrund der Wohnimmobilienkreditrichtlinie bei der Auswahl des repräsentativen Beispiels die Häufigkeit bestimmter Arten von Kreditverträgen auf einem bestimmten Markt berücksichtigt werden sollte, sodass es für den einzelnen Kreditgeber wünschenswert sein kann, das repräsentative Beispiel auf einen Kreditvertrag zu stützen, der für die Produktpalette und erwartete Zielgruppe dieses Kreditgebers repräsentativ ist. Der EuGH leitet daraus ab, dass bei der Beurteilung, ob ein Beispiel repräsentativ ist, bestimmte Elemente berücksichtigt werden können, beispielsweise die durchschnittliche Laufzeit und der Gesamtbetrag des gewährten Kredits für die Art des betreffenden Kreditvertrags sowie die Verbreitung bestimmter Kreditverträge auf einem speziellen Markt. Was den im Informationsblatt angegebenen effektiven Jahreszins betrifft, sollten die vom Verbraucher mitgeteilten Präferenzen und Informationen soweit möglich berücksichtigt werden und der Kreditgeber sollte deutlich machen, ob die angegebenen Informationen lediglich Beispielcharakter haben oder den mitgeteilten Präferenzen und Informationen Rechnung tragen. Auf keinen Fall sollten die repräsentativen Beispiele den Anforderungen der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken zuwiderlaufen. Die Beurteilung, ob die von der Beklagten in ihren allgemeinen Informationen angeführten Beispiele repräsentativ sind, überließ der EuGH dem vorlegenden Gericht.

[26] 3.5. Das Informationsblatt der Beklagten enthält sowohl ein Beispiel für einen Kreditvertrag mit einer variablen Verzinsung von 0,5 % als auch eines mit einer variablen Verzinsung von 4,58 %. Dass diese Beispiele für die von der Beklagten angebotenen Kreditverträge mit variablen Zinsen repräsentativ sind, stellt der Kläger nicht in Abrede, sodass die Frage nicht weiter zu prüfen ist. Der Kläger stützt sich vielmehr darauf, dass die Beklagte kein gesondertes Beispiel für Festzinskredite angeführt hat, wozu sie aber angesichts der Vorabentscheidung des EuGH nicht verpflichtet ist. Auch wenn die von der Beklagten angebotenen Festzinssätze höher sein sollten als die in den Beispielen genannten variablen Zinssätze, wie dies vom Kläger behauptet wird, liegt es doch in der Natur der Sache, dass ein Beispiel zwar die Wirkungsweise einer Zinsvereinbarung veranschaulichen kann, aber nur sehr beschränkte Aussagekraft hinsichtlich der Auswirkungen einer konkreten, davon abweichenden Zinsvereinbarung hat. Das Informationsblatt der Beklagten lässt auch keinen Zweifel daran, dass die angegebenen Informationen lediglich Beispielcharakter haben und die Zahlungspflichten von der jeweiligen Vereinbarung im Einzelfall abhängen, sodass die im Informationsblatt angeführten Beispiele auch für den Fall, dass bei einem Festzinskredit höhere Zinsen anfallen, nicht irreführend sind.

[27] 3.6. Im Ergebnis ist daher festzuhalten: Angesichts der Vorabentscheidung des EuGH zu C‑85/24 zur Auslegung von Art 13 Abs 1 Buchst g der Wohnimmobilienkreditrichtlinie reicht es im Rahmen der vom Kreditgeber bereitzustellenden allgemeinen Informationen nach § 7 Abs 1 Z 7 HIKrG aus, dass ein repräsentatives Beispiel für einen Kreditvertrag mit variablen Zinsen angegeben wird, selbst wenn die für Festzinskredite angebotenen Zinssätze höher sind.

[28] 3.7. Da die Beklagte sohin nicht gegen ihre Informationspflicht nach § 7 Abs 1 Z 7 HIKrG verstoßen hat, besteht auch insofern kein Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 28a KSchG.

[29] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Das Vorabentscheidungsverfahren ist als Zwischenstreit des Revisionsverfahrens anzusehen, sodass der Beklagten auch die Kosten der Stellungnahme an den EuGH zuzusprechen waren (RS0109758).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte