OGH 2Ob191/77

OGH2Ob191/7720.10.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler, Dr. Fedra, Dr. Reithofer und Dr. Scheiderbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, Angestellter, *, vertreten durch Dr. Oskar Hoppe und Dr. Josef Lechner, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagten Parteien 1.) He* Kraftfahrzeugmechanikermeister, 4* 2.) H*, Automechaniker, *, beide vertreten durch Dr. Heinz Oppitz, Rechtsanwalt in Linz, wegen restlicher S 57.547,40 s.A. und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12. Mai 1977, GZ. 5 R 60/77‑39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 16. Februar 1977, GZ. 6 Cg 398/75‑33, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0020OB00191.77.1020.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit

S 2.372,78 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 233,40 Umsatzsteuer und S 600 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 1. August 1974 ereignete sich gegen 14 Uhr 15 auf der Salzkammergut‑Bundesstraße im Gemeindegebiet von Roith ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter eines Personenkraftwagens und der Zweitbeklagte als Lenker eines Lastkraftwagens beteiligt waren. Dieser Lastkraftwagen befand sich zur Zeit des Unfalles in der ausschließlichen Gewahrsame des Erstbeklagten, der das Fahrzeug zur Reparatur übernommen hatte. Bei dem Unfall wurde der Kläger verletzt; er erlitt auch Sachschäden. Der Zweitbeklagte wurde wegen dieses Unfalles der Übertretung nach § 335 StG rechtskräftig schuldig gesprochen. Der Kläger erhielt von den Beklagten eine Zahlung von S 26.666,67.

Der Kläger behauptet einen Schaden von S 194.642,20 erlitten zu haben. Er verlangt von den Beklagten zur ungeteilten Hand Zahlung von S 167.975,20 s.A. Ferner begehrt er die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem Unfall vom 1. August 1974. Er brachte vor, der beim Erstbeklagten beschäftigte Zweitbeklagte sei bei einer Überstellungsfahrt mit dem Lastkraftwagen nach links eingebogen, ohne sich vorher eingeordnet und die Einbiegeabsicht angezeigt zu haben. Dadurch sei der im Überholen begriffene Kläger zu einem Auslenkmanöver gezwungen worden, in dessen Verlauf er gegen einen Betonpfeiler gestoßen sei.

Die Beklagten wendeten unter anderem ein, den Kläger treffe ein Mitverschulden im Ausmaß von mindestens einem Drittel. An dem Lastkraftwagen sei der linke Blinker eingeschaltet gewesen. Der Kläger hätte daher das beabsichtigte Linkseinbiegen des Zweitbeklagten erkennen können. Er habe aber trotzdem ein Überholmanöver mit unverminderter Geschwindigkeit und ohne jede Kontaktaufnahme versucht.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten, ausgehend von einem Schadensbetrag von S 172.642,20 und einer Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten der Beklagten, zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 88.428,13 s.A. Ferner sprach es aus, daß die Beklagten dem Kläger für zwei Drittel aller künftigen Schäden und Nachteile aus dem Unfall vom 1. August 1974 zur ungeteilten Hand schadenersatzpflichtig seien. Die Prozeßkosten hob es gegenseitig auf. Eine ausdrückliche Abweisung des Mehrbegehrens unterblieb offenbar aus Versehen.

Die Berufung des Klägers, mit der eine Entscheidung auf der Grundlage eines Alleinverschuldens des Zweitbeklagte angestrebt wurde, hatte in der Hauptsache keinen Erfolg. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil lediglich im Kostenpunkt ab und ergänzte es bezüglich der Abweisung des Mehrbegehrens.

Dagegen richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß dem Kläger weitere S 57.547,40 s.A. zuerkannt werden und die Haftung der Beklagten für künftige Schäden des Klägers aus dem Unfall vom 1. August 1974 in vollem Umfange festgestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revisionist nicht gerechtfertigt.

Im Revisionsstadium ist nur mehr strittig, ob und allenfalls inwieweit den Kläger ein Mitverschulden trifft. Diesbezüglich liegen der Entscheidung des Berufungsgerichtes folgende Feststellungen zugrunde:

Der beim Erstbeklagten beschäftigte Zweitbeklagte hatte den erwähnten Lastkraftwagen, nachdem dessen Karosserie instandgesetzt worden war, in die Lackierabteilung der Werkstätte des Erstbeklagten zu bringen. Er fuhr mit dem Lastkraftwagen bei der südlichen Ausfahrt des Werkstättengeländes auf die Bundesstraße, um dann über die nördliche Zufahrt zum Werkstättengelände, und zwar zur Lackiererei, zu gelangen. Er fuhr auf der Bundesstraße bis zur Unfallstelle etwa 35 m. Bereits vor dem Einfahren in die Bundesstraße hatte der Zweitbeklagte den linken Blinker eingeschaltet, der auch bis zum Unfall und darüber hinaus in Tätigkeit blieb. Abgesehen vom Überqueren der Fahrbahn unmittelbar nach dem Einfahren in die Bundesstraße und dem Linkslenken unmittelbar vor dem Unfall bewegte sich der vom Zweitbeklagten gelenkte Lastkraftwagen unauffällig auf der rechten Fahrbahnhälfte. Der Zweitbeklagte unterließ also ein Einordnen zur Straßenmitte. Bei der Geschwindigkeit des Lastkraftwagens von rund 20 km/h bewegte sich dieser bis zum Unfall auf der Bundesstraße 6,3 Sekunden hindurch. Der Kläger hatte 180 m vor der südlichen Ausfahrt des Werkstättengeländes des Erstbeklagten erstmals Sicht auf den Lastkraftwagen, der gerade im Einfahren in die Bundesstraße begriffen war. Der Kläger beabsichtigte, den vor ihm in derselben Richtung fahrenden Lastkraftwagen mit einer Geschwindigkeit von zuletzt etwa 100 km/h zu überholen. Eine Kontaktaufnahme mit dem Fahrer des Lastkraftwagens durch Hupzeichen oder Betätigung der Lichthupe erfolgte nicht. Der Kläger, der den eingeschaltenen linken Blinker des Lastkraftwagens nicht gesehen hatte, wurde erst durch den Beginn des Einbiegemanövers auf die Absicht des Zweitbeklagten, nach links zum Werkstättengelände des Erstbeklagten zuzufahren, aufmerksam. Seine daraufhin sofort eingeleiteten Abwehrhandlungen, nämlich ein Brems- und ein Auslenkmanöver, konnten den Unfall nicht mehr verhindern.

Vor und bei dem Einbiegemanöver von der Bundesstraße in die nördliche Zufahrt zum Werkstättengelände des Erstbeklagten beobachtete der Zweitbeklagte den Nachfolgeverkehr nicht ausreichend, sodaß der nachkommende und bereits im Überholen begriffene Kläger zum Abbremsen und Auslenken seines Wagens gezwungen wurde, dabei gegen einen Betonpfeiler stieß und schwer verletzt wurde. Die Unfallsverletzungen haben Dauerfolgen nach sich gezogen. Auch Spätfolgen des Unfalles können beim Kläger nicht ausgeschlossen werden.

Beide Instanzen gingen davon aus, daß beide Lenker ein Verschulden treffe. Dem Zweitbeklagten sei vorzuwerfen daß er ein Linkseinbiegemanöver durchgeführt habe, ohne den nachfolgenden Verkehr entsprechend zu beobachten und ohne sich vorher zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet zu haben. Das Mitverschulden des Klägers bestehe darin, daß er infolge von Unfaufmerksamkeit den eingeschalteten Blinker des Lastkraftwagens nicht bemerkt habe. Durch den eingeschalteten linken Blinker sei für den Kläger eine unklare Verkehrssituation gegeben gewesen, die er in bedenklichem Sinne hätte auslegen müssen. Wenn auch das Verschulden des Erstbeklagten überwiege, so komme doch dem Mitverschulden des Klägers erhebliche Wertigkeit zu, weil eine unaufmerksame Beobachtung der Verkehrssituation bei einem mit etwa 100 km/h versuchten Überholmanöver eine erhebliche Gefahr für das Zustandekommen eines Verkehrsunfalles in sich berge.

Dagegen bringt der Kläger vor, das Übersehen des am Lastkraftwagen eingeschaltenen linken Blinkers könne ihm nicht bzw. nicht in dem von den Vorinstanzen angenommenen Ausmaß von einem Drittel als Mitverschulden angelastet werden.

Da der Zweitbeklagte sich nicht eingeordnet habe, habe der Kläger trotz des eingeschaltenen linken Blinkers nicht mit einem Linkseinbiegen des Lastkraftwagens rechnen müssen. Auch wenn er den eingeschaltenen linken Blinker bemerkt hätte, hätte er die Verkehrslage als geklärt ansehen und das Überholmanöver durchführen dürfen.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden.

Wie das Berufungsgericht richtig dargelegt hat, kann von einem fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Übersehen des am Lastkraftwagen eingeschalteten linken Blinkers durch den Kläger und dem Unfall nicht die Rede sein. Hätte der Kläger den eingeschaltenen linken Blinker bemerkt, was bei Anwendung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt der Fall hätte sein müssen, dann hätte er die Verkehrssituation als bedenklich auffassen müssen. Der vom Zweitbeklagten gelenkte Lastkraftwagen fuhr zwar nicht zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet, wie es § 12 Abs. 1 StVO vorsieht, doch bewegte er sich mit nur geringer Geschwindigkeit. Der Kläger durfte sich daher keinesfalls darauf verlassen, daß der Lenker des Lastkraftwagens nicht nach links einbiegen, sondern auf das Zurückstellen des Blinkers vergessen hatte und seine Fahrt geradeaus fortsetzen wollte. Dieser unklaren Situation hätte er durch Abstehen von einem Überholmanöver Rechnung tragen müssen (ZVR 1966/92 u.a.m.). Hat aber der Kläger ein Überholmanöver in dieser Situation dennoch eingeleitete, weil er den in Tätigkeit befindlichen Blinker infolge Unaufmerksamkeit übersehen hat, dann ist ihm diese Unaufmerksamkeit mit Recht als Mitverschulden angelastet worden. Das Übersehen eines in Tätigkeit befindlichen Blinkers ist aber stets schwerwiegend (2 Ob 157/73), denn der Lenker eines überholenden Fahrzeuges ist auch zur Beobachtung des vor ihm befindlichen, zu überholenden Fahrzeuges verpflichtet (2 Ob 162/75). In der Ausmessung des Mitverschuldensanteiles des Klägers mit einem Drittel ist somit ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

Demzufolge mußte der Revision der Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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