OGH 2Ob163/77

OGH2Ob163/771.9.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Schragel, Dr. Reithofer und Dr. Scheiderbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, Angestellter, *, vertreten durch Dr. Paul Lechenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Ka*, *, 2.) I*, Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 2.540,40 s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 31. Mai 1977, GZ. 32 R 695/76‑16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 30. Juli 1976, GZ. 11 C 914/76‑6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0020OB00163.77.0901.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 1.122,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 76 Umsatzsteuer und S 96 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verlangt von den Beklagten zur ungeteilten Hand Zahlung von S 2.540,40 s.A. Er brachte dazu im wesentlichen vor:

Er sei am 3. November 1975 mit einem Personenkraftwagen Mercedes 230, dessen Eigentümer und Halter seine Ehegattin I* gewesen sei, auf der Autobahn in Richtung * gefahren. In Höhe der Autobahnausfahrt * sei er von einem Personenkraftwagen Citroen 2000 äußerst knapp überholt worden. Halter dieses von E* gelenkten Fahrzeuges sei der Erstbeklagte, deren Ehemann, gewesen. Als der Wagen des Erstbeklagten in geringem Abstand vor dem vom Kläger gelenkten Mercedes 230 wieder nach rechts gefahren sei, sei von einem Hinterreifen des Citroen 2000 ein Stein weggeschleudert worden, der die Windschutzscheibe des Mercedes 230 zertrümmert habe. Der Kläger habe die Reparaturkosten von S 2.540,40 getragen. Seine Ehegattin habe ihm ihre Schadenersatzansprüche abgetreten. Der Kläger verlange den Ersatz dieses Betrages „aus dem Titel des Schadenersatzes, in eventu nach den Bestimmungen des EKHG“.

Die Beklagten bestritten dieses Vorbringen und beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Sollte das behauptete Überholmanöver stattgefunden haben, sei es mit der erforderlichen Sorgfalt ausgeführt worden sodaß der behauptete Unfall ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 EKHG darstelle.

Außer Streit gestellt wurde, daß das Fahrzeug des Erstbeklagten bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war und daß die Reparatur der Windschutzscheibe S 2.540,40 kostete.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil es nicht als erwiesen annahm, daß die Beschädigung der Windschutzscheibe durch einen von dem Citroen 2000 aufgewirbelten Stein erfolgte.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil – nachdem ein Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach neuerlichen Verhandlung, zurückverwiesen worden war, nach durchgeführter Beweiswiederholung im Sinne des Klagebegehrens ab. Es ging dabei – so weit es für das Revisionsverfahren wesentlich ist – von folgenden Feststellungen aus:

Am 3. November 1975 fuhr der Kläger mit dem Personenkraftwagen Mercedes 230 auf der *autobahn von der Auffahrt * in Richtung * in * mit einer Geschwindigkeit von etwa 130 km/h. Als er sich etwa in Höhe des Schlosses * befand, wurde er von einem goldfarbenen Personenkraftwagen Citroen in einer ungebührlichen Weise geschnitten. Der Citroen fuhr ganz knapp in einer Entfernung von 10 bis 20 m vor dem Kläger nach rechts hinein auf den vom Kläger benützten Fahrstreifen. Dabei fuhr der Citroen mit einer Geschwindigkeit von etwa 150 km/h. Der Kläger mußte bremsen, weil er sonst auf den Citroen aufgefahren wäre. In dem Augenblick, in dem der Citroen vor dem Kläger nach rechts hereinbog, sah der Kläger „etwas wie einen Autoreifen vor sich“ und „dann war schon ein Knall“. Zuerst war auf der Windschutzscheibe rechts, ungefähr in der Mitte der rechten Hälfte, ein kreisrundes Loch, dessen Größe der Kläger nicht fest stellen konnte, weil ringsherum eine Kreisfläche von Sprüngen war, die sich rasch über die ganz Scheibe ausgedehnt hatten. Dadurch war die Scheibe in lauter kleine viereckige Teile geteilt, wie dies für das Brechen von Sicherheitsglas typisch ist. Einen von dem Citroen auf die Windschutzscheibe zufliegenden Stein selbst sah der Kläger nicht. In der Folge konnte er das Kennzeichen des Citroen und damit den Erstbeklagten als Halter dieses Wagens feststellen.

Als der erwähnte Knall an der Windschutzscheibe des Mercedes 230 war, fuhr ein Personenkraftwagen mit deutschem Kennzeichen unmittelbar links neben dem vom Kläger gelenkten Mercedes 230, also zur Gränze links vom Fahrzeug des Klägers. Dieser Wagen fuhr auf der Überholspur weiter und überholte sohin auch noch den Citroen.

Anläßlich der Reparatur wurde der Mercedes 230 im Innern von Splittern gereinigt. Dabei wurde im Fahrzeug kein Stein gefunden.

Im Zusammenhang mit seinen rechtlichen Erwägungen führte das Berufungsgericht aus, der Beweis des ersten Anscheines spreche dafür, daß durch den Personenkraftwagen des Erstbeklagten ein Gegenstand von der Fahrbahn hochgeschleudert wurde und gegen die Windschutzscheibe des Mercedes 230 geprallt ist. Eine ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit einer anderen Ursache sei weder behauptet worden noch im Verfahren hervorgekommen. Daß von dem erwähnten Personenkraftwagen mit deutschem Kennzeichen ein Gegenstand gegen die Windschutzscheibe des Mercedes 230 geschleudert worden sein könnte, sei auszuschließen, weil sich dieses Fahrzeug im Moment der Beschädigung links neben dem Mercedes 230 befunden habe, die Beschädigung der Windschutzscheibe aber in deren rechten Hälfte erfolgt sei. Auf Grund des nicht erschütterten prima‑facie‑Beweises sei daher festzustellen gewesen, daß der Schaden an der Windschutzscheibe des Mercedes 230 durch einen vom Fahrzeug des Erstbeklagten weggeschleuderten Gegenstand verursacht wurde.

Die Haftung der Beklagten für diesen Schaden bejahte das Berufungsgericht aus der rechtlichen Erwägung, daß die Gattin des Erstbeklagten gegen die Schutzbestimmungen des § 11 Abs. 1 und des § 20 Abs. 1 StVO verstoßen und keineswegs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet habe. Den Beklagten sei somit der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht gelungen.

Dagegen richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Beklagten machen geltend, es fehle nach wie vor an einer Feststellung, daß die Beschädigung der die Windschutzscheibe des Mercedes 230 durch einen von dem Citroen 2000 des Erstbeklagten aufgewirbelten Gegenstand erfolgt sei; das Berufungsgericht gehe zunächst wieder von der Übertretung einer Schutznorm aus und gelange von dieser aus „prima facie zur Beschädigung der Windschutzscheibe des Mercedes 230 durch einen vom Citroen 2000 weggeschleuderten Stein“. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich das Berufungsgericht, wenn auch im Zusammenhang mit rechtlichen Erörterungen, eingehend damit auseinandergesetzt hat, ob die Beschädigung der Windschutzscheibe des Mercedes 230 durch einen von dem Ciroen 2000 aufgewirbelten Gegenstand erfolgt ist. Wenn es diese Frage schließlich aus der Erwägung bejaht hat, daß die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Geschehensablauf spreche und daß eine andere, ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit weder behauptet worden noch im Verfahren hervorgekommen sei, dann handelt es sich dabei nicht um eine aus der Verletzung eines Schutzgesetzes gezogene rechtliche Konsequenz, sondern um einen Vorgang der Beweiswürdigung (siehe die bezüglichen Ausführungen in dem hg. Aufhebungsbeschluß vom 13. Jänner 1977, ONr. 14). Die so vom Berufungsgericht gewonnene Feststellung über die Schadensursache kann daher unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht bekämpft werden.

Daß der Schaden des Kläger, dessen Aktivlegitimation im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist, den Beklagten zuzurechnen ist, ergibt sich daraus, daß die Gattin des Erstbeklagten als Lenkerin des Citroen 2000 eindeutig schuldhaft gegen Schutzvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB verstoßen hat, die auch einer solchen Beschädigung, wie sie hier vorgekommen ist, vorbeugen sollen. Daß derselbe Schaden auch bei richtigem Fahrverhalten der Gattin des Erstbeklagten eingetreten wäre, ist bei dem festgestellten Sachverhalt auszuschließen. Für das Verschulden seiner, mit seinem Willen beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig gewesenen Ehegattin haftet der Erstbeklagte nach § 19 Abs. 2 EKHG, die Zweitbeklagte nach § 63 KFG.

Demzufolge mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 46 Abs. 2 und 50 ZPO.

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