European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020NC00022.25W.0519.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Zur Führung der Verlassenschaftssache ist das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuständig.
Der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 13. März 2025, GZ 97 A 36/25h‑8, wird ersatzlos behoben.
Begründung:
[1] Das Standesamt Klagenfurt teilte dem Bezirksgericht Klagenfurt das Ableben des Erblassers mit.
[2] Das Bezirksgericht Klagenfurt erklärte sich für örtlich unzuständig und überwies die Rechtssache „gemäß § 105 Abs 1 JN“ (in offenkundiger Anwendung des § 44 JN) an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, weil der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich gehabt habe.
[3] Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien erklärte sich in der Folge ebenfalls für unzuständig und überwies den Akt an das „nicht offenbar unzuständige“ Bezirksgericht Klagenfurt. Der bloße Umstand, dass der Erblasser in Klagenfurt melderechtlich (nur) einen Nebenwohnsitz begründet habe, stehe der Annahme seines gewöhnlichen Aufenthalts in Österreich nicht entgegen, sodass weitere Erhebungen erforderlich seien.
Rechtliche Beurteilung
[4] Nunmehr legt das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Akt dem Obersten Gerichtshof „mit dem Ersuchen um Entscheidung der örtlichen Zuständigkeit“ vor.
[5] 1. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem – hier vorliegenden – negativen Kompetenzkonflikt (§ 47 JN) setzt nach der Rechtsprechung grundsätzlich voraus, dass die konkurrierenden Beschlüsse rechtskräftig sind (RS0046374). Eine Zustellung der Unzuständigkeitsbeschlüsse kommt aber dann nicht in Betracht, wenn – wie im Anlassfall – noch keine Partei bekannt ist, der Rekurslegitimation zukäme. Zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands ist in solchen Fällen eine sofortige Entscheidung im Kompetenzkonflikt geboten (2 Nc 39/23t Rz 6; 2 Nc 30/21s Rz 6).
[6] 2. Gemäß § 44 Abs 1 JN hat das unzuständige Gericht in den dort genannten Verfahren die Sache nach Möglichkeit an das zuständige Gericht zu überweisen. Nach ständiger Rechtsprechung bleibt der Überweisungsbeschluss für das Adressatgericht so lange maßgebend, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wurde (RS0081664). Das Adressatgericht kann seine Unzuständigkeit daher nicht mit der Begründung aussprechen, dass doch das überweisende Gericht zuständig sei (RS0002439). Bei der Entscheidung nach § 47 Abs 1 JN ist auf eine Bindungswirkung des ersten Beschlusses auch dann Bedacht zu nehmen, wenn dieser (vielleicht) unrichtig (RS0046391) oder im Zeitpunkt der Fassung des zweiten Unzuständigkeitsbeschlusses noch nicht in Rechtskraft erwachsen war (RS0046391 [T8]).
[7] 3. Der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, mit dem es seine Unzuständigkeit aussprach und den Akt wiederum an das überweisende Gericht überwies, verletzte demnach die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Klagenfurt und war daher ersatzlos zu beheben. Aus diesen Gründen obliegt dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien die (weitere) Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens, in dem vorerst die Frage des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers (Art 4 EuErbVO) und die daran anknüpfende Frage der inländischen Gerichtsbarkeit zu klären sein wird, wobei in diesem Zusammenhang auch auf Art 10 EuErbVO und die darin geregelten Voraussetzungen für die Annahme subsidiärer Zuständigkeit hinzuweisen ist.
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