OGH 23Ds7/24t

OGH23Ds7/24t4.3.2025

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 4. März 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Musger als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Kreissl und Dr. Schlager als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Müller BSc in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 29. Februar 2024, GZ D 14/21-26, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner, des Kammeranwalts Dr. Lindner und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0230DS00007.24T.0304.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt und nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 4.000 Euro verurteilt.

[2] Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er dadurch (zu 1./) gegen § 15 RL-BA iVm § 9 RAO sowie (zu 2./) gegen § 19 Abs 3 RAO verstoßen, dass er

1./ den Anzeiger * S* weder vor Übernahme des Mandats noch vor Annahme weiterer Aufträge (im November 2017 und Jänner 2020), demnach nicht rechtzeitig über die voraussichtlichen Rechtsanwaltskosten aufgeklärt und

2./ seit 13. November 2023 (bis zum Erkenntnis erster Instanz) trotz Bestreitung seiner Honorarforderungen durch * S* einen Betrag von 12.000 Euro hierfür zurückbehalten hat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Nach den (mit hinreichender Deutlichkeit getroffenen) Feststellungen des Disziplinarrats (ES 4 f) bevollmächtigte* S* den Beschuldigten zu seiner Vertretung in mehreren, jeweils im Zusammenhang mit einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen ihm und A* sowie W* K* geführten gerichtlichen Straf- und Zivilverfahren.

[4] Weder vor Übernahme des Mandats (im Jahr 2017) noch vor Annahme des Auftrags zur (letztlich am 13. Jänner 2020 erfolgten) Einbringung einer Klage gegen A* K* wegen Zahlung von 70.000 Euro (zu AZ * des Landesgerichts *) klärte der Beschuldigte * S* über die Berechnungsgrundlagen für sein Honorar auf. Ein Pauschalhonorar wurde gleichfalls nicht vereinbart, über die Kosten für die Rechtsvertretung vielmehr gar nicht gesprochen.

[5] Während der Beschuldigte, dem die Vermögenslosigkeit seines Mandanten bekannt war, die Chancen für den Erfolg der gegen A* K* eingebrachten Klage hoch einschätzte und mit einer Bezahlung seines Honorars aus dem Realisat der dieser zugrunde liegenden Forderung rechnete, ging * S* (aufgrund eines weitschichtigen Verwandtschaftsverhältnisses zum Beschuldigten) von einer kostenlosen Vertretung aus.

[6] Das Zivilverfahren endete schließlich mit einem Vergleich, inhaltlich dessen sich die beklagte Partei A* K* zur Zahlung von 25.000 Euro an den Vertreter des Klägers verpflichtete.

[7] Ob es im Rahmen der Vergleichsverhandlung auch zur Vereinbarung eines Pauschalhonorars in Höhe von 12.000 Euro zwischen dem Beschuldigten und seinem Mandanten kam, wie Ersterer behauptete, ließ der Disziplinarrat offen, ging aber davon aus, dass * S* dem Vergleich in einem solchen Fall nicht zugestimmt hätte.

[8] Mit Schreiben vom 28. Oktober 2020 bestritt dieser jedenfalls die Richtigkeit, vor allem aber die Höhe des ihm vorgeschriebenen Honorars von 12.000 Euro, forderte gleichzeitig eine „Honorarbesprechung“ und machte dem Beschuldigten mit E-Mail vom 13. November 2020 ein „Vergleichsangebot“ mit einem Zahlungsvorschlag von 6.000 Euro. Dennoch überwies der Beschuldigte bloß 12.200 Euro der Vergleichssumme an seinen Mandanten und behielt den Rest ein. Einer Aufforderung zur Auszahlung weiterer Beträge kam er ebenso wenig nach wie er eine gerichtliche Hinterlegung veranlasste.

[9] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegen die Aussprüche über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen siehe RIS-Justiz RS0128656 [T1]) und die Strafe (§ 49 letzter Satz DSt) gerichtete Berufung des Disziplinarbeschuldigten.

[10] Das eingangs des Rechtsmittels unter der Überschrift „Sachverhalt“ erstattete Berufungsvorbringen erschöpft sich darin, den Feststellungen des Disziplinarrats eigene Wahrnehmungen des Beschuldigten zum Geschehen gegenüberzustellen, ohne Nichtigkeits- oder Berufungsgründe auch nur anzusprechen und entzieht sich damit einer inhaltlichen Erwiderung.

[11] Der im Anschluss ausgeführten – vor der Rechtsrüge zu behandelnden (Ratz, WK-StPO § 476 Rz 9) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (im engeren Sinn; § 464 Z 2 erster Fall StPO) kommt hinwieder keine Berechtigung zu.

[12] Der Disziplinarrat hat sämtliche für und wider den Beschuldigten sprechenden Verfahrensergebnisse einer nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und der Lebenserfahrung entsprechenden Würdigung unterzogen (vgl dazu auch Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 49 DSt Rz 2) und mit schlüssiger Begründung – der sich der Oberste Gerichtshof im Rahmen der Prüfung der Beweise anschließt (vgl Ratz, WK-StPO § 467 Rz 2) – dargelegt, wie er zu den entscheidungswesentlichen Konstatierungen gelangte (ES 4 ff).

[13] Soweit der Rechtsmittelwerber die Sachverhaltsannahmen zu einem Verwandtschafts- und/oder „Bekanntschaftsverhältnis“ zwischen ihm und * S* bestreitet und entsprechende Negativfeststellungen begehrt, bezieht er sich nicht auf eine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache (Ratz, WK-StPO § 464 Rz 2, 8).

[14] Gleiches gilt für die unter Berufung auf seine eigenen Angaben im Verfahren und das aktenkundige Schreiben an S* vom 12. November 2020 (Beilage zu ON 15) erhobene Forderung nach einer Feststellung, wonach er den Mandanten in der Vergleichstagsatzung zu AZ * des Landesgerichts * über die anfallenden Kosten von 12.000 Euro aufgeklärt und mit dem angesprochenen Schreiben „die Vereinbarung“ über diesen Betrag schriftlich festgehalten hätte. Denn abgesehen davon, dass damit inhaltlich gar nicht die (faktische) Richtigkeit tatsächlich getroffener Feststellungen bestritten wird (vgl dazu RIS-Justiz RS0122980; eingehend mwN Ratz, WK-StPO § 464 Rz 2 und 8), übersieht die Berufung, dass § 15 RL-BA 2015 dem Rechtsanwalt zwar die Möglichkeit der freien Vereinbarung eines (auch Pauschal- oder Erfolgs-)Honorars einräumt (Abs 1), gleichzeitig aber die Verpflichtung normiert, den Auftraggeber schon bei Übernahme eines neuen Auftrags über die Berechnungsgrundlage für die Honorierung (sowie die Berechtigung zur Zwischenabrechnung) zu informieren (Abs 2; vgl auch § 9 Abs 1 RAO; Cernochova/B. Fink in Murko/Nunner-Krautgasser, Anwaltliches und notarielles Berufsrecht 2022, § 15 RL-BA Rz 8, 11 f; zum Umfang der Aufklärungspflichten auch Engelhart/Hoffmann/Lehner/ Rohregger/Vitek, RAO11 §§ 15, 16 RL‑BA 2015 Rz 14 f; vgl auch 21 Ds 14/22d). Mangels Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen kommt dem Vorbringen daher auch unter dem Aspekt eines Feststellungsmangels (Z 9 lit a; vgl RIS‑Justiz RS0118580) keine Berechtigung zu.

[15] Indem weiters die Glaubwürdigkeit des Zeugen * S* in Bezug auf dessen Aussage, er sei von einer „kostenlosen Erledigung“ (gemeint: Vertretung) ausgegangen, angezweifelt wird, zeigt die Berufung keine Mängel auf, die geeignet wären, Bedenken gegen die Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung zu wecken und solcherart die dort getroffenen Konstatierungen zu entscheidenden Tatsachen substantiiert in Frage zu stellen.

[16] Im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet der Beschuldigte ein, der gegen ihn erhobene Vorwurf des Unterbleibens einer „Aufklärung über das Pauschalhonorar bereits bei Vertretungsübernahme“ scheine „in keiner Weise nachvollziehbar“, weil zu diesem Zeitpunkt keine Vereinbarung über ein „Pauschalhonorar für zukünftige Leistungen“ getroffen worden sei, er vielmehr erst im Rahmen des Vergleichsabschlusses im Zivilverfahren (zum AZ * des Landesgerichts *) eine Pauschalierung und Reduzierung seines Honorars für bereits erbrachte Leistungen vorgenommen hätte. Damit argumentiert er jedoch nicht auf Basis des angefochtenen Erkenntnisses (vgl dazu aber RIS-Justiz RS0099810) und der Rechtslage.

[17] Nach den – von der Berufung nicht erfolgreich bekämpften – Feststellungen wurde Rechtsanwalt * nämlich zu 1./ als Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt die unzureichende (bzw gänzlich unterlassene) Aufklärung seines bekanntermaßen vermögenslosen und von einer „kostenlosen Erledigung“ ausgehenden Mandanten iSd § 15 Abs 2 RL‑BA 2015 angelastet, welche Bestimmung – wie bereits dargelegt – die Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Information seines Auftraggebers über die Berechnungsgrundlage für die Honorierung bereits bei Übernahme des neuen Mandats oder Auftrags enthält (US 4 f; vgl zum Ganzen die oben zitierte Literatur und Judikatur). Inwiefern dem Disziplinarrat auf dieser Grundlage ein Rechtsfehler unterlaufen sein soll, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Berufung nicht substantiiert behauptet (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0047275, RS0123765 [insb T1]; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 1 DSt Rz 20). Im Übrigen wäre selbst die * S* unterstellte Kenntnis der grundsätzlichen Entgeltlichkeit von Anwaltsleistungen (im konkreten Fall in Bezug auf sieben Gerichtsverfahren) oder die behauptete Notorietät dieses Umstands nicht geeignet, den Beschuldigten von seinen – über einen entsprechenden Hinweis hinausgehenden – Aufklärungspflichten iSd § 15 Abs 2 RL‑BA 2015 zu befreien.

[18] Die zum Schuldspruch zu 2./ aufgestellte These, * S* habe die Richtigkeit und die Höhe der Honorarforderung gar nicht bestritten, lässt ein weiteres Mal die oben wiedergegebenen, unbekämpft gebliebenen Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats außer Acht, womit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit erneut verfehlt (RIS‑Justiz RS0099810). Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass nach § 19 Abs 3 RAO eine sofortige Hinterlegung (oder Ausfolgung) bei jeder Bestreitung vorzunehmen ist, mag diese auch früheren Vereinbarungen zwischen Rechtsanwalt und Mandanten widersprechen (Fuchs in Murko/Nunner-Krautgasser, Anwaltliches und notarielles Berufsrecht 2022, § 19 RAO, Rz 13; vgl auch Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 S 202).

[19] Der Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ein Erfolg zu versagen.

[20] Auch die als erhoben anzusehende (§ 49 letzter Satz DSt) Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe verfehlt ihr Ziel.

[21] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 4.000 Euro. Bei der Strafbemessung wertete er die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (von etwa vier Jahren) als mildernd und reduzierte die an sich als angemessen erachtete Geldbuße von 6.000 Euro aus diesem Grund um 2.000 Euro. Erschwerend fielen die mehrfachen einschlägigen früheren Disziplinarverurteilungen des Beschuldigten sowie der lange (in Bezug auf den Schuldspruch zu 2./ bis zum Entscheidungszeitpunkt anhaltende) Tatzeitraum ins Gewicht.

[22] Unter Zugrundelegung dieser richtig angeführten Strafzumessungsgründe, die noch um den Erschwerungsgrund des Zusammentreffens von zwei Disziplinarvergehen zu ergänzen sind (vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0054839), entspricht die immer noch im untersten Bereich des Strafrahmens von bis zu 45.000 Euro (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) bemessene Geldbuße Tatunrecht und Täterschuld sowie Präventionserfordernissen und trägt den (mangels diesbezüglicher Angaben des Beschuldigten zutreffend zugrundegelegten) durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eines Rechtsanwalts angemessen Rechnung (§ 16 Abs 6 DSt).

[23] Ein schriftlicher Verweis (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) oder die bedingte Nachsicht der Geldbuße kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil die dem Beschuldigten zur Last liegenden Vergehen nicht bloß geringfügige Verfehlungen darstellen (vgl RIS-Justiz RS0075487 [T1]) und die Verhängung einer unbedingten Geldbuße auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen geboten ist.

[24] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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