OGH 22Ns2/25a

OGH22Ns2/25a7.3.2025

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 7. März 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Pressl und Dr. Raming als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwältin in *, AZ KA 390/24 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, über den Antrag des Disziplinarrats auf Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0220NS00002.25A.0307.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte

 

Spruch:

Die Durchführung des Disziplinarverfahrens wird dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich übertragen.

 

Gründe:

[1] Beim Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien wurde gegen *, Rechtsanwältin in *, Disziplinaranzeige erstattet.

[2] * übt die Funktion der Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer Wien aus.

[3] Der Präsident des Disziplinarrats legte die Disziplinaranzeige dem Obersten Gerichtshof mit dem Antrag vor, die Durchführung des Disziplinarverfahrens an den Disziplinarrat einer anderen Rechtsanwaltskammer zu delegieren.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gemäß § 25 Abs 1 DSt kann die Durchführung des Disziplinarverfahrens wegen Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats oder aus anderen wichtigen Gründen auf Antrag des Beschuldigten, des Kammeranwalts oder des Disziplinarrats selbst einem anderen Disziplinarrat übertragen werden.

[5] Der Umstand, dass die angezeigte Rechtsanwältin die Funktion der Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer Wien ausübt, stellt einen wichtigen Grund im Sinn des § 25 Abs 1 zweiter Fall DSt dar (RIS‑Justiz RS0055477; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 [2023] § 25 DSt Rz 4). In analoger Anwendung dieser Bestimmung ist die Delegierung an den Disziplinarrat einer anderen Rechtsanwaltskammer schon im Stadium vor der Entscheidung über die Erhebung eines Verfolgungsantrags möglich, weil auch diesfalls schon der bloße Anschein einer Voreingenommenheit der zur Entscheidung berufenen Organe zu vermeiden ist (RIS‑Justiz RS0106278 [insbesondere T3 und T5]; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 [2023] § 25 DSt Rz 1 [mit eingehender Darstellung der Fortentwicklung der diesbezüglichen Judikatur]).

[6] Die Sache war daher dem Disziplinarrat der (benachbarten) Rechtsanwaltskammer Niederösterreich zu übertragen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte