OGH 21Ds8/24z

OGH21Ds8/24z29.4.2025

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 29. April 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter sowie durch den Rechtsanwalt Dr. Fetz und die Rechtsanwältin Dr. Leb als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Boyer, LL.M. (WU), LL.M., in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer vom 14. Februar 2024, GZ D 32/21‑16, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, des Kammeranwalts Dr. Keber, des Disziplinarbeschuldigten und seines Verteidigers Mag. Siarlidis zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0210DS00008.24Z.0429.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in *, des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt und zu einer Geldbuße verurteilt.

[2] Danach hat er mit Schreiben vom 3. März 2021 gegenüber dem Ausschuss der * Rechtsanwaltskammer wissentlich falsch bestätigt, dass sich der bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsanwärter * während des Zeitraums von 2. April 2020 bis 15. März 2021 zu keinem Zeitpunkt in Kurzarbeit befunden habe, obwohl er für diesen im Rahmen eines Kurzarbeitsprojekts für den Zeitraum 6. April bis 4. Mai 2020 Ausfallstunden abgerechnet und vom AMS * abgegolten erhalten hat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich dessen (auch Nichtigkeit relevierende; vgl RIS-Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0128656&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T1]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 562) Berufung wegen Schuld und Strafe. Ihr kommt aus nachfolgenden Erwägungen keine Berechtigung zu.

[4] Unvollständigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO liegt vor, wenn der Disziplinarrat bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche (in der Disziplinarverhandlung vorgekommene) – seinen Feststellungen entgegenstehende – Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen hat. Zur prozessförmigen Darstellung des Nichtigkeitsgrundes müssen daher insoweit die Ergebnisse des Beweisverfahrens, die der Disziplinarrat nach Ansicht des Beschwerdeführers übergangen hat, deutlich und bestimmt bezeichnet werden (vgl RIS-Justiz RS0118316 [T4, T5]).

[5] Eine in diesem Sinn prozessordnungskonforme Bezeichnung von solchen Ergebnissen des Beweisverfahrens lässt die Mängelrüge aber vermissen. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, anhand einer Rekapitulation der Vorkommnisse aus Sicht des Berufungswerbers die festgestellte – vom Disziplinarrat (auch) aus dessen Verantwortung und aus dem äußeren Tatgeschehen (vgl insb ES 11 f, wonach RAA * von 6. April bis 3. Mai 2020 vereinbartermaßen nur im reduzierten Ausmaß von 20 Wochenstunden gearbeitet hat) gefolgerte – Wissentlichkeit in Bezug auf die Unrichtigkeit der ausgestellten Bestätigung (vgl ES 16 f) in Frage zu stellen und weiters eine „eingehende“ Auseinandersetzung des Disziplinarrats dazu, „aufgrund welcher Informationen und Unterlagen der Disziplinarbeschuldigten die monierte Bestätigung im März 2021 ausgestellt“ habe, zu fordern.

[6] Ein formaler Begründungsmangel im Sinn der Z 5 wird dadurch nicht aufgezeigt.

[7] Der – vor der Rechtsrüge zu behandelnden (Ratz, WK-StPO § 476 Rz 9) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (im engeren Sinn; § 464 Z 2 erster Fall StPO) kommt gleichfalls keine Berechtigung zu:

[8] Der Disziplinarrat hat sämtliche für und wider den Beschuldigten sprechenden Verfahrensergebnisse, so insbesondere auch dessen Verantwortung einer nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und der Lebenserfahrung entsprechenden Würdigung unterzogen (vgl dazu auch Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 49 DSt Rz 2) und mit schlüssiger Begründung dargelegt, wie er zu den entscheidungswesentlichen Sachverhaltsannahmen gelangte.

[9] Indem sich der Disziplinarbeschuldigte im Wesentlichen darauf beruft, dass er – aufgrund der Chronologie der Ereignisse – im Zeitpunkt des inkriminierten Schreibens der Rechtsansicht gewesen sei und auch habe sein dürfen, dass sich RAA * – formal besehen – nicht in (anerkannter und damit förderbarer) Kurzarbeit befunden hat, und davon ausgehend jeglichen Vorsatz auf die Unrichtigkeit seiner Angaben bestreitet, gelingt es der Berufung nicht, Bedenken an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung zu wecken und solcherart die getroffenen Feststellungen substantiiert in Frage zu stellen. Gänzlich unberücksichtigt gelassen wird nämlich der unbestritten gebliebene Umstand, dass mit dem gegenständlichen Schreiben (zu dessen Zweck als Entscheidungsgrundlage für Veranlassungen im Zusammenhang mit der Ausbildung von Rechtsanwälten vgl Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 39 RL-BA 2015 Rz 2) – inhaltlich ohne jegliche weitere Erläuterungen oder Einschränkungen – eine durchgehende Vollzeitbeschäftigung des Rechtsanwaltsanwärters bestätigt wurde (ES 13).

[10] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zunächst erneut die Wissentlichkeit des Disziplinarbeschuldigten in Bezug auf die Unrichtigkeit der gegenständlichen Bestätigung bestreitet (vgl aber ES 13: „Obwohl er wusste, dass RAA * im Zeitraum von 6. April 2020 bis 4. Mai 2020 nur im Ausmaß von 20 Wochenstunden in seiner Kanzlei als Rechtsanwaltsanwärter tätig war, bestätigte der Disziplinarbeschuldigte im Zusammenhang mit dem Austritt des zuvor genannten Rechtsanwaltsanwärters aus seiner Kanzlei […], dass sich RAA * im Zeitraum von 2. April 2020 bis 15. März 2021 zu keinem Zeitpunkt in Kurzarbeit befunden habe und hauptberuflich als vollzeitbeschäftigter Rechtsanwaltsanwärter in seiner Kanzlei beschäftigt gewesen sei.“), verfehlt sie den in den Erkenntnisannahmen gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

[11] Gleiches gilt der Sache nach für die Forderung des Disziplinarbeschuldigten nach (weiteren) Feststellungen dazu, „inwieweit er selbst in die Gegebenheiten rund um die Antragstellung zur Gewährung von Kurzarbeit eingebunden“ gewesen sei.

[12] Warum im Übrigen über die konstatierte Wissentlichkeit hinaus Feststellungen zur Wollenskomponente des Vorsatzes des Disziplinarbeschuldigten erforderlich gewesen wären (vgl aber RIS-Justiz RS0088835 [T4]), macht die Rechtsrüge nicht klar.

[13] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war demgemäß der Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe und wegen Schuld nicht Folge zu geben.

[14] Auch der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt keine Berechtigung zu.

[15] Art und Höhe der Strafe wurden vom Disziplinarrat auf Basis des Verschuldens und der daraus entstandenen Nachteile angemessen bemessen. Als Milderungsgrund für die Strafzumessung wurde vom Disziplinarrat die Tatsache gewertet, dass der Disziplinarbeschuldigte disziplinarrechtlich unbescholten ist. Die vom Disziplinarbeschuldigten als Milderungsgrund reklamierte „überlange Verfahrensdauer“ wurde vom Disziplinarrat ohnehin als mildernd berücksichtigt, indem anstelle der als tatangemessen angesehenen Geldbuße in Höhe von 3.500 Euro eine solche von 2.700 Euro ausgesprochen wurde. Weitere Milderungsgründe vermochte auch der Disziplinarbeschuldigte in seinem Rechtsmittel nicht aufzuzeigen. Erschwerungsgründe wurden keine angenommen.

[16] Ausgehend von den vom Disziplinarrat vollständig erfassten Strafbemessungsgründen und dem dargestellten disziplinarrechtlichen Fehlverhalten erweist sich auf der Grundlage der Schuld (§ 32 Abs 1 StGB) sowie unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten (§ 16 Abs 6 DSt) die ausgesprochene Sanktion – der Berufung zuwider – einer Reduktion nicht zugänglich.

[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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