European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00067.25X.0527.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin, ein Leckortungsunternehmen, kontaktierte im Frühjahr 2021 die Beklagte, weil sie ein EDV‑Programm für das Berichtswesen, verknüpft mit einem Rechnungsprogramm und einem Terminmanagementsystem, benötigte. Vor Auftragserteilung wurden die Ist-Situation der Handhabung der Anlage von Kunden und des Berichtswesens bei der Klägerin sowie die groben Spezifika besprochen, die das neue EDV-Programm aufweisen musste. Dabei wurden der Beklagten unter anderem auch Muster eines damals verwendeten Leckortungsberichts übergeben und als Ziel definiert, mehrere Fotos in einen Bericht einfügen zu können. Dass ein und dasselbe Foto in einem Bericht mehrmals verwendet werden können muss, wurde nicht besprochen. Im April 2021 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit den im Vorgespräch näher definierten Softwaredienstleistungen sowie der Lieferung von zugehöriger Hardware (Tablets). Für die letztlich erbrachten Leistungen verrechnete die Beklagte gesamt 39.321,54 EUR, die die Klägerin zur Gänze bezahlte.
[2] Bei der Erstellung von Leckortungsberichten mit der gelieferten Software können Fotos dem Bericht nicht mehrfach hinzugefügt werden. Bei Mehrfachverwendung eines Fotos erscheint dieses zumindest einmal nicht, ohne dass dazu eine Fehlermeldung im Programm angezeigt wird. Die Behebung dieser Fehlfunktion würde 2.400 bis 12.000 EUR kosten.
[3] Der mit der Software erstellte Leckortungsbericht weist zudem einige ästhetische Mängel in der Formatierung auf. Auch insoweit ist eine Mängelbehebung möglich.
[4] Die Klägerin verwendete die Software in ihrem Betrieb nur 14 Tage, weil die Kunden mit den damit erstellten Berichten unzufrieden waren und sich hierüber beschwerten.
[5] Die Klägerin begehrt die Aufhebung des zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrags sowie die Rückzahlung des geleisteten Entgelts (abzüglich einer für die Investition in das Softwareprogramm bezogenen Förderung von 6.000 EUR), sei doch die zugesagte Leistung nicht in der vereinbarten Qualität erbracht worden. Die – trotz Aufforderung nicht verbesserten – Mängel der Software seien nicht bloß geringfügig, sie beeinträchtigten den Arbeitsablauf schwerwiegend; zudem erweckten die damit erstellten Berichte aufgrund der Formatierungsfehler einen unprofessionellen Eindruck. Die Software könne daher nicht genutzt werden.
[6] Die Beklagte sowie die Nebenintervenientin hielten dem im Wesentlichen entgegen, sie hätten ihre jeweiligen vertraglichen Zusagen gegenüber der Klägerin eingehalten. Allfällige Mängel lägen nicht in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich. Darüber hinaus wandte die Beklagte ein, die Voraussetzungen für eine Wandlung lägen nicht vor, da sie lediglich „Unschönheiten“ zu vertreten habe.
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Vertragsaufhebung statt und verpflichtete die Beklagte zur Rückzahlung von 33.321,54 EUR sA Zug um Zug gegen Herausgabe bzw Deinstallation der Software von allen Geräten der Klägerin sowie Herausgabe der Tablets.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts bei, wonach es sich nicht nur bei der Fehlfunktion der Software in Zusammenhang mit der beabsichtigten Mehrfachverwendung von Fotos bei der Erstellung von Leckortungsberichten, sondern auch bei den Formatierungsmängeln um einen nicht geringfügigen Mangel handle.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[10] Dass sie für die Mängel der Software – hier infolge des vor dem 1. 1. 2022 geschlossenen Vertrags aufgrund der Bestimmung des § 932 ABGB idF vor dem GRUG, BGBl I 2021/175 (§ 1503 Abs 20 ABGB) – Gewähr zu leisten hat, zieht die Beklagte in ihrer Revision zu Recht nicht mehr in Zweifel. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage, ob die in Rede stehenden Mängel nicht bloß geringfügig im Sinn des § 932 Abs 4 Satz 1 ABGB sind und damit zur Wandlung berechtigen.
[11] 1. Einer von der Beklagten geforderten Klarstellung der Frage, wann bei Softwareverträgen, insbesondere bei bloß optischen Mängeln in Form von „Unschönheiten“ und Mängeln, die die technische Funktionalität nicht ausschließen, Geringfügigkeit anzunehmen ist, bedarf es indes nicht.
[12] Hat nämlich das Berufungsgericht einen vom Obersten Gerichtshof noch nicht ausdrücklich behandelten Fall mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung (zur vorzunehmenden Interessenabwägung bei der Beurteilung der Frage der Geringfügigkeit des Mangels vgl RS0119978; eingehend zuletzt 8 Ob 13/21a Rz 37 ff) gelöst, liegt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor (RS0042656 [T48]; RS0042742 [T13]; RS0107773 [T3]). Das ist hier der Fall.
[13] 1.1. Entgegen der Darstellung der Beklagten in der Revision sind die Vorinstanzen im Rahmen der gebotenen umfassenden Abwägung der Interessen der Vertragspartner, bei der sowohl die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Aufhebung des Vertrags im Hinblick auf die damit verbundenen Folgen für die Parteien, als auch die „Schwere“ des Mangels zu berücksichtigen sind (RS0119978 [insb T5]), gerade nicht von bloßen „Schönheitsfehlern“ der Software ausgegangen, die deren Funktionalität im Wesentlichen nicht berühren.
[14] Vielmehr zogen sie ins Kalkül, dass die Software es der Klägerin nicht nur verunmöglicht, in den automationsunterstützt erstellten Leckortungsberichten Fotos mehrfach abzubilden: Diesen Berichten hafteten zudem erkennbare Formatierungsfehler an, die im Außenauftritt einen unprofessionellen Eindruck vermitteln würden, weshalb der Klägerin die Verwendung solcher Formulare im Geschäftsverkehr (aus wirtschaftlichen Gründen) unzumutbar, die Software damit aber für die Klägerin im Berichtswesen im Ergebnis gar nicht einsetzbar gewesen sei.
[15] Mit dieser rechtlichen Argumentation, die auf die Annahme einer durch die Schlechtleistung bewirkten wesentlichen Einschränkung der Funktionalität der erworbenen Software hinausläuft, setzt sich die Revision nicht auseinander.
[16] Alleine daraus ergibt sich aber eine massive Beeinträchtigung der Interessen der Übernehmerin, die, verwehrte man ihr das Recht auf Wandlung, dazu gezwungen wäre, ein Produkt (wenngleich zu einem geringeren Preis) zu behalten, das sie – ausgehend von ihrem bereits vor Vertragsabschluss deklarierten Erwerbszweck – für die Beklagte erkennbar nie haben wollte (vgl bereits 8 Ob 13/21a Rz 38, 52; weiters RS0119978 [T1, T12, T15]).
[17] 1.2. Ebenso wenig geht die Revision auf den vom Berufungsgericht ins Treffen geführten weiteren Umstand ein, dass im vorliegenden Fall angesichts festgestellter Behebungskosten von bis zu 12.000 EUR alleine für die Beseitigung eines der beiden Mängel von einer leichten Behebbarkeit nicht die Rede sein kann, setzt man diese Kosten mit der Rechnungssumme von insgesamt knapp 40.000 EUR in Relation. Das Berufungsgericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin – zumal sich die Beklagte bisher weder zur Verbesserung noch zur Vorfinanzierung der Kosten der Ersatzvornahme durch einen (qualifizierten) Dritten bereit erklärt hat – einen beträchtlichen Betrag für die Mängelbehebung vorstrecken müsste. Von einem geringen Behebungsaufwand für den Übernehmer, der grundsätzlich die Geringfügigkeit des Mangels indizieren könnte (RS0119978 [T8, T9]), sei hier also nicht auszugehen (idS schon 8 Ob 13/21a Rz 45, 51).
[18] 1.3. Wenn nun das Berufungsgericht angesichts dieser besonderen Umstände des Falls im Rahmen der einzelfallbezogenen Prüfung (vgl RS0119978 [insb T7]) zum Ergebnis gelangte, dass ein nicht bloß geringfügiger Mangel der Software vorliegt, bedarf diese rechtliche Beurteilung keiner Korrektur.
[19] Entgegen dem Rechtsstandpunkt der Beklagten fällt bei der anzustellenden Interessenabwägung zu ihren Gunsten nicht wesentlich ins Gewicht, dass die Mängel die Funktionalität des Softwareprogramms „nicht gänzlich ausschalten“, zumal für die Beklagte ausgehend von der Beurteilung der Vorinstanzen bereits bei Vertragsabschluss offenkundig war, dass die Klägerin an einer Software, die für das Berichtswesen in ihrem Unternehmensbetrieb nicht verwendbar ist, von vornherein kein Interesse haben kann.
[20] Mit Blick auf den zumindest stark eingeschränkten Nutzen der mangelhaften Software für die Klägerin kommt es aber ebenso wenig entscheidend darauf an, dass die Beklagte im Fall der Rückabwicklung des Vertrags das gerade auf die spezifischen Bedürfnisse der Klägerin zugeschnittene Programm nicht mehr anderweitig einsetzen kann.
[21] Darüber hinausgehende Gründe, die dafür sprechen würden, dass die vollständige Vertragsbeseitigung für die Beklagte unzumutbar wäre, machte diese im Verfahren nicht geltend und sind auch nicht ersichtlich.
[22] 2. Ausgehend von den zuvor dargelegten Erwägungen stellen sich die in der Revision aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen zum Verständnis der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 1999/44/EG bzw der Warenkauf-Richtlinie 2019/771/EU nicht. Das angeregte Vorabentscheidungsersuchen ist somit nicht erforderlich.
[23] 3. Der Oberste Gerichtshof teilt auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten gegen die Regelung des § 932 Abs 4 Satz 1 ABGB (aF).
[24] Ein Verstoß gegen das in Art 18 Abs 1 B-VG verankerte Bestimmtheitsgebot liegt nicht vor. Dass der Gesetzgeber unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Behördenhandelns Abstand nimmt, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich in Einklang mit Art 18 Abs 1 B-VG (vgl VfGH G 48/2018 ua VfSlg 20.279/2018 mwN). Der Anordnungsgehalt der fraglichen Gewährleistungsbestimmung lässt sich unter Heranziehung aller Auslegungsmethoden klären; diese weist damit aber einen hinreichenden Determinierungsgrad auf (allgemein dazu VfGH G 590/2023 ua mwN).
[25] Wieso dem Übergeber schließlich im Rahmen der Prüfung des Bestehens eines gegen ihn gerichteten Wandlungsrechts keine (effektiven) „Abwehrrechte“ gegenüber Eigentumseingriffen durch den gewährleistungsberechtigten Übernehmer zur Verfügung stehen sollen, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar.
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