OGH 1Ob577/77

OGH1Ob577/778.6.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I* H*, Arbeiterin, *, vertreten durcn Dr. Leopold Pramer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei A* AG, *, vertreten durch die Finanzprokuratur, *, wegen Anfechtung einer Vertragsaufkündigung (Streitwert S 100.000,—) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18. Jänner 1977, GZ 3 R 151/76‑16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landes- als Handelsgerichtes Linz vom 27. Oktober 1976, GZ 11 Cg 294/76‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0010OB00577.77.0608.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.430,— bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 4. April 1968 räumte die beklagte Partei der Klägerin auf unbestimmte Zeit die Führung der Tabaktrafik in *, ein. Vertragsinhalt waren die „Allgemeinen Vertragsbedingungen für Tabaktrafikanten“ sowie das Merkblatt für Tabaktrafikanten (Beilage C). Punkt 8 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Tabaktrafikanten verpflichtet den Trafikanten, die Trafik grundsätzlich persönlich zu führen. Bei längerer Abwesenheit oder Behinderung hat er der Monopolverwaltungsstelle einen Stellvertreter namhaft zu machen. Er kann sich zum Betrieb der Trafik entlohnter oder nichtentlohnter Hilfskräfte bedienen; die Mitarbeiter von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs 2 TabakmonopolG hat er der Monopolverwaltung bekanntzugeben. Punkt 8 der erwähnten Vertragsbedingung sieht weiters vor, daß der Tabaktrafikant für alle Handlungen und Unterlassungen jener Personen, deren er sich bei der Führung und beim Betrieb der Tabaktrafik bedient, haftet. Punkt 23 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Tabaktrafikanten enthält Anordnungen über die Vertragsbeendigung. Danach kann der Vertrag mit dem Trafikanten unter anderem gekündigt werden (Abs 3 lit h), wenn der Trafikant vorsätzlich oder grob fahrlässig die Monopolinteressen schädigt oder nicht pflichtgemäß wahrt. Der Trafikant bezieht die von ihm vertriebenen Tabakerzeugnisse im Tabakverlag der Monopolverwaltung. Nach dem dazu ergangenen „Merkblatt für Tabaktrafikanten“ hat er vor dem Bezug der Ware einen entsprechenden Vordruck auszufüllen und den darin im voraus ermittelten Rechnungsbetrag (sogenannte Gesamtfassungsschuldigkeit) grundsätzlich vor Ausfolgung der Tabakerzeugnisse auf ein Konto der Monopolverwaltung einzubezahlen. Mit der darüber erhaltenen Einzahlungsbestätigung tätigt er dann bei der Fassungsstelle seine Bestellung; die Einzahlungsbestätigung verbleibt bei der Fassungsstelle.

Der Gatte der Klägerin, I* H*, der im Trafikbetrieb seiner Ehefrau mitarbeitete, hatte durch Vorlage gefälschter Einzahlungsbestätigungen Bezüge an Tabakwaren im Gesamtwert von S 141.750,— erschlichen und zwar am 13. September 1974 um S 42.120,– am 8. November 1974 um S 51.840, — und am 10. Jänner 1975 um S 47.790,–. Er verschleierte seine Manipulationen dadurch, daß er wiederholt genau gleich hohe Einzahlungsbeträge entweder tatsächlich an die Monopolverwaltung überwies oder aber den betreffenden Bankbeleg fälschte, sodaß beim Tabakverlag bei oberflächlicher Prüfung der Eindruck entstand, es handle sich nur um Verzögerungen in der Überweisung tatsächlich bezahlter Beträge. I* H* verwendete dabei Bankformulare, die ihm vom Bankinstitut im voraus blanko mit der Bankstampiglie versehen übergeben worden waren; die dann noch erforderlichen Unterschriften fälschte er. Nach tatsächlicher Einzahlung eines Betrages von S 47.790,— versuchte I* H* am 2. März 1976 wiederum Ware beim Tabakverlag zu fassen. Dies wurde ihm aber wegen der mittlerweiligen Aufdeckung seiner Handlungsweise verweigert und die Einzahlung dem Konto der Klägerin gutgebracht, sodaß ihre Verbindlichkeit seit 8. November 1974 mit S 93.960,— unberechtigt aushaftet.

Unter Hinweis auf diese Verfehlungen kündigte die beklagte Partei mit Schreiben vom 1. März 1976 den Bestellungsvertrag mit sofortiger Wirkung auf und erklärte die monopolbehördliche Verschleißbefugnis für erloschen. Die Klägerin erhob dagegen die in den Allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehene Beschwerde an die Generaldirektion der beklagten Partei, die jedoch erfolglos blieb.

Die Klägerin stellte das Begehren, die Aufkündigung des Bestellungsvertrages vom 3. Jänner 1976 als rechtsunwirksam zu erklären und die Beklagte schuldig zu erkennen, der Klägerin den Betrieb der Tabaktrafik mit dem Standort *, insbesondere den Verkauf der von der beklagten Partei geführten Waren zu gestatten. Die Klägerin brachte vor, sie selbst habe den Monopolinteressen nicht zuwidergehandelt und um die Verfehlungen ihres Gatten nicht gewußt. Ein Verstoß liege auch nicht darin, daß sie die offene Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten nicht erfüllt habe, weil die beklagte Partei selbst durch die Vertragsauflösung die Schuldtilgung verhindert habe.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und macht im wesentlichen geltend, die vertraglich ausbedungene Haftung des Trafikanten für seine Gehilfen umfasse auch die Verantwortlichkeit für Verfehlungen, wie sie hier vorlägen. Die Klägerin selbst habe gegen die Monopolinteressen aber auch dadurch zuwidergehandelt, daß sie sich um die Führung der Trafik zu wenig gekümmert habe, die Grundsätze einer ordentlichen Wirtschaftsführung vernachlässigte, dadurch die Verfehlungen ihres Ehegatten mitverursachte und die seit zwei Jahren fällige Warenschuld nicht berichtigt habe.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte über den eingangs dargestellten, außer Streit stehenden Sachverhalt noch fest:

Die Klägerin hatte die Trafik 1968 schuldenfrei von ihrer Mutter übernommen. Ihr Ehegatte arbeitete schon seit 1961 in der Trafik mit. Die Klägerin kümmerte sich um die eigentliche Geschäftsführung nur sehr wenig und überließ die diesbezüglichen Agenden ihrem Ehegatten I* H*. Dieser besorgte als Bevollmächtigter der Klägerin die Warenfassung beim Tabakverlag, er regelte die gesamte finanzielle Gebarung der Trafik und war über die Bankkonten der Klägerin zeichnungsberechtigt. I* H* nahm auch Kredite auf und besorgte die Buchhaltung, wobei ihm in letzterer Hinsicht ein Wirtschaftstreuhänder zur Seite stand. Auch im Zuge mehrerer finanzbehördlicher Betriebsprüfungen gab es nie wesentliche Beanstandungen. I* H* wurde als Angestellter geführt, sein Einkommen betrug zuletzt monatlich S 9.000,—, 14 x jährlich. Er ist nicht vorbestraft und gab der Klägerin auch sonst keine Anhaltspunkte für einen Verdacht in Richtung der sodann aufgetretenen Verfehlungen. Ohne Mitwirken und Wissen der Klägerin fälschte er in den letzten zwei oder drei Jahren vor der Vertragsauflösung mindestens zehn Bankbelege auf die eingangs geschilderte Art. Die dadurch erschlichene Ware wurde im Trafikbetrieb der Klägerin abgesetzt, die hiefür erzielten Erlöse kamen ihrem Betriebsergebnis zugute. Die Monopolverwaltung wußte um die Mitwirkung I* H* im Verschleißbetrieb seiner Gattin. Nachteiliges war ihr über seine Person nicht bekannt geworden. Die beklagte Partei erblickte in den aufgetretenen Unregelmäßigkeiten eine Gefahr in Verzug und verständigte das Landesgremium der Tabakverschleißer erst nach erklärter Vertragsauflösung. Von dieser Seite wurden keine Einwendungen dagegen erhoben. Die Klägerin bot der beklagten Partei nach Vertragsauflösung an, ihren Gatten künftighin nicht mehr in der Trafik zu beschäftigen. Die Tabaktrafik wies in den letzten Jahren Umsätze von 5 bis 5,5 Millionen Schilling jährlich auf; der bereits versteuerte Reingewinn des Tabaktrafikanten wird üblicherweise mit 5 bis 10 % des Umsatzes eingeschätzt, auch wenn sich der Trafikant einer entlohnten Verschleißkraft bedient. Im Falle der Klägerin lag die Umsatzrentabilität niedriger, weil sie von ihrer 19%igen Verdienstspanne 5,5 % an die V*, in deren Gelände sie ihren Betrieb hatte, abtreten mußte. Die Verbindlichkeiten der Klägerin außer ihrer Schuld gegenüber der beklagten Partei betrugen zuletzt S 400.000,—. Sie resultieren aus der Aufnahme von Krediten für die Finanzierung von Warenablösen, Geschäftsausstattung und Wohnungseinrichtung und der Abdeckung der Leibrentenforderung ihrer Mutter im Zusammenhang mit der Betriebsübergabe. Die Klägerin hat ihren Lebensstandard den erzielten Einkünften angeglichen und keine Ersparnisse angelegt.

Rechtlich ging der Erstrichter davon aus, daß die im Punkt 8 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Trafikanten normierte Haftung des Trafikanten für alle Handlungen und Unterlassungen seiner Betriebsgehilfen das Resultat der grundsätzlich persönlichen Betriebspflicht sei. Demzufolge stelle es aber einen Auflösungsgrund dar, wenn ein Auflösungstatbestand in der Person des Betriebsgehilfen gesetzt werde. Es bedürfe keiner weiteren Erörterung, daß I* H* durch seine Malversationen vorsätzlich oder doch grob fahrlässig Monopolinteressen geschädigt habe. Die Klägerin hafte für sein Verhalten wie für ihr eigenes, sodaß die von der Beklagten ausgesprochene Vertragskündigung zu Recht erfolgt sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 60.000,— übersteigt.

Das Berufungsgericht führte zunächst aus, die begehrte Feststellung, die Beklagte hätte rechtsunwirksam aufgekündigt, ziele nicht auf die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses, sondern auf die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer bestimmten Rechtshandlung; ein derartiges Begehren sei aber nicht feststellungsfähig. Im übrigen sei aber die Aufkündigung des Vertrages zu Recht erfolgt, wie sich dies aus Punkt 23 der Allgemeinen Bedingungen im Zusammenhalt mit Punkt 8 ergebe. Wenn der Trafikant aus irgendwelchen Gründen die Tabaktrafik nicht persönlich oder nicht ausschließlich persönlich führe, so habe er für alle sich daraus ergebenden Folgerungen einzustehen. Pflichtverletzungen, die hinsichtlich des Trafikanten einen Auflösungsgrund darstellten, berechtigten die Monopolverwaltung auch dann zur vorzeitigen Auflösung, wenn sie durch einen Erfüllungsgehilfen des Trafikanten gesetzt wurden. Ein solcher Auflösungsgrund, für den die Klägerin einzustehen habe, liege hier vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Soweit die Revisionswerberin erklärt, ihre bisherigen Rechtsausführungen auch zum Inhalt der Revisionsschrift zu erheben, ist dies unbeachtlich, weil die Revisionsschrift insoweit der Bestimmung des § 506 ZPO nicht entspricht (vgl. MGA ZPO13 § 506/4, 5). Die Revisionswerberin bestreitet nicht die zutreffende Auffassung der Vorinstanzen, daß es sich beim Vertragsverhältnis des Tabaktrafikanten zur A* AG um ein Privatrechtsverhältnis eigener Art handelt (vgl. EvBl 1971/93), das seinem Wesen nach als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren ist. Im vorliegenden Fall, so führt die Revisionswerberin aus, seien die Voraussetzungen für die Auflösung dieses Vertragsverhältnisses aber nicht gegeben, weil der Vertrag nur dann gelöst werden könnte, wenn der Tabaktrafikant selbst die in Artikel 23 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Tabaktrafikanten näher angeführten Verstöße begehe, insbesondere wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig Monopolinteressen schädige oder nicht pflichtgemäß wahre. Die beklagte Partei habe aber nicht einmal behauptet, daß sich die Klägerin solcher Verstöße schuldig gemacht habe.

Nun ist der klagenden Partei einzuräumen, das zweifelhaft sein kann, ob Punkt 8 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Tabaktrafikanten eine Zurechnung aller Handlungen und Unterlassungen, welche die mit der Führung der Tabaktrafik betrauten Personen begehen auch als Kündigungsgrund ermöglicht, der Trafikant also auch kündigungsrechtlich für jede vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung der Monopolinteressen, welche jene Personen begehen, einzustehen hat. Es kann auch nicht von vorneherein gesagt werden, daß die hier festgestellten betrügerischen Manipulationen als Schädigung der Monopolinteressen verstanden werden können, da das Tabakmonopolgesetz 1968 darunter offenbar anders geartete Verletzungen des Tabakmonopols des Staates versteht (vgl. §§ 29 TabMG 1968). Entscheidende Bedeutung kommt dem aber im vorliegenden Fall nicht zu. Gemäß Punkt 8 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Tabaktrafikanten ist der Trafikant verpflichtet, die Tabaktrafik grundsätzlich persönlich zu führen. Nach den getroffenen Feststellungen bediente sich die Klägerin bei der Führung der Trafik ihres Ehegatten, dem sie diesbezüglich weitgehende Vollmachten einräumte. Sie selbst kümmerte sich um die Geschäftsführung sehr wenig; daß die Klägerin nicht in der Lage war, persönlich die Führung der Trafik zu überwachen wurde nicht einmal behauptet. Dieser Umstand, nämlich die Unterlassung jeder Überprüfung der Geschäftsgebahnung stellt aber ein eigenes Verschulden der Klägerin dar, das die Auflösung aus richtigem Grund des mit der Klägerin abgeschlossenen, als Dauerschuldverhältnisses zu qualifizierenden Vertrages über die Überlassung der Tabaktrafik rechtfertigt.

Demzufolge war der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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