European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0010OB00569.76.0407.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.730,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 240 S Barauslagen und 110,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Erstrichters, womit die Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers geschieden wurde. Das Berufungsgericht übernahm folgende Feststellungen des Erstrichters:
Die am 15. Oktober 1949 geschlossene Ehe der Streitteile, aus der ein großjähriger Sohn und eine noch minderjährige Tochter hervorgegangen sind, verlief schon vor dem 27. September 1971 nicht gut. Die Beklagte ist im Gegensatz zum Kläger sehr streitsüchtig und will immer recht behalten. Dies führte dazu, daß es wöchentlich ein- bis zweimal wegen der vom Kläger durchgeführten Arbeiten zu Auseinandersetzungen kam, weil die Beklagte dauernd etwas auszusetzen hatte und selbst berechtigte Kritik in herabsetzender Weise ausübte. Obwohl es sich sehr oft nur um Kleinigkeiten handelte, bezeichnete sie die Arbeiten des Klägers als Schmarrn und Klumpert und brach solche Streitigkeiten immer wieder vom Zaun, ohne daß ein kritikwürdiges Verhalten des Klägers vorgelegen hätte. Die Beklagte änderte trotz Aufforderung des Klägers, diese Nörgeleien zu unterlassen, ihr Verhalten nicht. Sie beschimpfte den Kläger wiederholt mit Ausdrücken mit Tepp oder Dodel und war damit leicht bei der Hand. Beschimpfungen durch den Kläger waren umgekehrt nur äußerst selten. Die Beklagte nörgelte auch am Hobby des Klägers (Briefmarkensammeln) immer herum, obwohl dieses nicht das Ausmaß einer unerträglichen Leidenschaft erreichte und der Kläger sein normales Monatsgehalt bis auf 300 S immer hergab, sodaß niemand in der Familie Not zu leiden hatte.
Am 26. September 1971 kam der Kläger, was manchmal vorkam, angeheitert nach Hause. Die Beklagte beschimpfte ihn mit besoffenes Schwein und wiederholte über die provokativ gemeinte Aufforderung des Klägers diese Äußerung. Hierauf schlug und stieß sie der Kläger, sodaß sie einen blauen Fleck im Gesicht erlitt. Er war darüber so bestürzt, daß er einen weiteren solchen Vorfall auf jeden Fall vermeiden wollte. Er suchte eine Wohnung und zog am 26. November 1971 dorthin. Erst im September 1972 lernte der Kläger eine andere Frau kennen und unterhält seither mit dieser ehewidrige und ehebrecherische Beziehungen.
Nach der Ansicht der Untergerichte ist das jahrelange nörgelnde, streitsüchtige und rechthaberische Verhalten der Beklagten, das auch in wöchentlich sich wiederholenden Beschimpfungen des Klägers seinen Ausdruck fand, als schwere Eheverfehlung im Sinn des § 49 EheG zu werten, die zu einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe der Streitteile geführt hat. Das erst nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft erfolgte gleichfalls ehewidrige Verhalten des Klägers sei hiefür nicht kausal gewesen und stehe dem Scheidungsbegehren nicht im Weg.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhebt die Beklagte Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens oder Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückverweisung der Rechtssache an eines der Untergerichte.
Der Kläger, der den Ausspruch seines überwiegenden Verschuldens unangefochten ließ, beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Mit der Behauptung, daß das Berufungsgericht rechtserhebliche Feststellungen unterlassen habe, macht die Revisionswerberin einen Fehler der rechtlichen Beurteilung geltend (Fasching IV 40 und 326, SZ 23/175 uva). Dieses Vorbringen wird bei der Beurteilung der Rechtsrüge zu prüfen sein, zumal die bloß unrichtige Benennung des Revisionsgrundes nicht schadet. Die weitere Behauptung, die Vorinstanzen hätten die Parteiaussage der Revisionswerberin übergangen und bloße Vermutungen für wahr angesehen, stellt in Wahrheit eine unzulässige und daher unbeachtliche Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen dar. Das gilt im besonderen auch für die Behauptung, daß die Beklagte nur dann zurückgeschimpft habe, wenn sie vorher vom Kläger beschimpft worden sei.
Mit ihrer Rechtsrüge verläßt die Revisionswerberin insoferne den für die rechtliche Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Boden der Feststellungen der Vorinstanzen, als sie behauptet, daß sie sich nichts habe zuschulden kommen lassen und daß die Ehe erst durch die ehebrecherischen Beziehungen des Klägers zu einer anderen Frau zerrüttet worden sei. In diesem Umfang ist die Revision nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt und unbeachtlich. Was vom Revisionsvorbringen aus dieser Sicht übrigbleibt, ist die Rüge, daß keine konkreten Vorfälle, besonders aus letzter Zeit, festgestellt worden seien und daß die Beklagte den Beistand des Klägers benötige, sodaß die Scheidung sie besonders hart treffe. Beiden Ausführungen kommt jedoch Berechtigung nicht zu. Ständige Rechthaberei, Nörgelei und Widerspruchssucht der Ehefrau stellen eine schwere Eheverfehlung der Frau im Sinne des § 49 EheG dar (7 Ob 542/55 u.a.). Wenn die Untergerichte hier feststellen konnten, daß die Beklagte sich jahrelang in dieser einem ehelichen Zusammenleben abträglichen Weise verhielt und daß es ein- bis zweimal wöchentlich zu derartigen Auseinandersetzungen kam, daß dem aber bis zum Vorfall vom 26. September 1971 kein ins Gewicht fallendes ehewidriges Verhalten des Mannes gegenüberstand, dann bedurfte es keiner weitergehenden Darstellung einzelner Vorfälle. Dem Scheidungsbegehren fehlt auch nicht die sittliche Rechtfertigung, weil die Verfehlungen der Revisionswerberin in keiner Weise durch das Verhalten des lange Zeit passiven Klägers hervorgerufen oder begünstigt wurden und vielmehr seine Eheverfehlungen erst einsetzten, als jene der Beklagten schon zur Auflösung der Ehegemeinschaft geführt hatten; letztere treten auch nicht in den Hintergrund (vgl. SZ 38/181 und EFSlg 15.861). Die Revisionswerberin muß dann aber auch die unterhaltsrechtlichen Folgen der Ehescheidung, die wegen der unbekämpften Feststellung eines überwiegenden Verschuldens des Mannes ohnehin im geringsten möglichen Maße eintreten, tragen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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