European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00041.25Y.0429.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Spruch:
Der Akt wird dem Erstgericht zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zurückgestellt.
Begründung:
[1] Der werdende Vater stellte mit Schriftsatz vom 7. 8. 2024 den Antrag,
1. auf Ladung von Mutter und Vater zu Gericht zum Zwecke der gemeinsamen, persönlichen und unter gleichzeitiger Anwesenheit nach Belehrung über die Rechtsfolgen Abgabe der Obsorgeerklärung, konkret über die gemeinsame unbeschränkte Obsorge betreffend ihr gemeinsam gezeugtes Kind, zu welchem der Vater vor dem Standesamt * zur Zahl * die Vaterschaft vor der Geburt anerkannt hat, und
2. auf Feststellung, wonach die Obsorgeerklärung gemäß Punkt 1. bedingt mit der Lebendgeburt des Kindes ihre Wirksamkeit entfaltet.
[2] Die werdenden – nicht miteinander verheirateten – Eltern hätten die gemeinsame Obsorge für dasvon ihnen gezeugte Kind bereits vereinbart. Sie wollten diese Vereinbarung gemäß § 177 Abs 3 ABGB bei Gericht abgeben, sodass sie bedingt mit der Geburt des Kindes ihre Wirksamkeit entfalte.
[3] Das Erstgericht wies den Antrag ab.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
[5] Es treffe nicht zu, dass eine Vereinbarung der gemeinsamen Obsorge bereits vor der Geburt des Kindes sowohl beim Standesamt, als auch bei Gericht abgegeben werden könne. Vielmehr diene nach dem Willen des Gesetzgebers der Zeitpunkt der Geburt als Anknüpfungspunkt des Rechtsverhältnisses der Obsorge.
[6] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs beider Elternteile, der auf eine Antragsstattgebung abzielt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[7] Über dieses Rechtsmittel kann derzeit noch nicht entschieden werden.
[8] 1. Die Eltern geben in ihrem Revisionsrekurs an, dass ihr Kind am * 2024 zur Welt gekommen ist. Sie legen aber weder den Namen und die Anschrift noch den/die gesetzlichen Vertreter des Kindes offen.
[9] 2. Gemäß § 65 Abs 3 AußStrG hat der Revisionsrekurs (unter anderem) den allgemeinen Erfordernissen eines Anbringens zu entsprechen. Dazu zählen nach § 10 Abs 1 Z 3 AußStrG Namen und Anschriften der Parteien.
[10] 3. Parteistellung im Außerstreitverfahren besitzt nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde (Partei im materiellen Sinn). Das trifft im Verfahren über die Obsorge auf das Kind (unabhängig von seinem Alter) zu (Beck, Kindschaftsrecht³ Rz 1042; Barth/Erlebach, Kindschaftsrecht für Sozial‑ und Gesundheitsberufe [2018] 33). Der unmündige Minderjährige ist nicht selbständig verfahrensfähig (§ 104 Abs 1 AußStrG e contrario). Hat er also das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet, werden seine Verfahrensrechte durch den gesetzlichen Vertreter (obsorgeberechtige Eltern oder obsorgeberechtigter Elternteil) wahrgenommen (Barth/Erlebach aaO 34; Frohner in Schneider/Verweijen, AußStrG § 104 Rz 8 [Stand 1. 10. 2018, rdb.at]).
[11] Der Maxime des Kindeswohls ist im Obsorgeverfahren dadurch zu entsprechen, dass der Oberste Gerichtshof aktenkundige Entwicklungen, die die bisherige Tatsachengrundlage wesentlich verändern, – ungeachtet des im Revisionsrekursverfahren an sich herrschenden Neuerungsverbots – auch dann berücksichtigen muss, wenn sie erst nach der Beschlussfassung einer der Vorinstanzen eingetreten sind (RS0122192; RS0048056; RS0006893).
[12] Obwohl das Kind der Revisionsrekurswerber zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz noch nicht geboren war, ist daher im Rechtsmittelverfahren auf dessen – jedenfalls seit seiner Geburt bestehende – Parteistellung Bedacht zu nehmen.
[13] 4. Fehlen Angaben über Parteien, liegt ein Mangel vor, der zu einer Verbesserung (§ 10 Abs 4 AußStrG) führt (Schneider in Schneider/Verweijen, AußStrG § 10 Rz 22 [Stand 1. 10. 2018, rdb.at]), soweit dem Einschreiter die Identität dieser Parteien – wie hier – bekannt ist (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 10 Rz 31 [Stand 1. 6. 2019, rdb.at]).
[14] Der Akt ist daher dem Erstgericht zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens in Bezug auf die fehlenden Angaben zum Kind (Name, Anschrift und gesetzlichen Vertreter) zurückzustellen.
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