European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00026.25T.0325.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Verfahrens sind Schadenersatzansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem Bauverfahren, in dem er die Umwidmung eines entgegen dem Einreichplan und der Baubewilligung ausgeführten Mehrfamilienhauses hätte erreichen wollen. Dem Erstbeklagten – einem Baumeister – lastet der Kläger an, es schuldhaft unterlassen zu haben, ein ordnungsgemäßes Bauansuchen zu stellen und ihn darüber aufzuklären. Der Zweitbeklagten als Rechtsträgerin der Baubehörde wirft er – gestützt auf das AHG – vor, durch ihr irreführendes Verhalten in Bezug auf die Einreichung falsch informiert, dadurch eine rechtzeitige Verbesserung des Bauansuchens verhindert und damit schuldhaft einen Schaden verursacht zu haben.
[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren gegen beide Beklagte übereinstimmend ab.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Zum Erstbeklagten
[4] 1.1. Die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall ist vom Obersten Gerichtshof – von (hier nicht vorliegenden) groben Auslegungsfehlern und sonstigen Fehlbeurteilungen abgesehen – nicht zu überprüfen (RS0042555; RS0044358 [T31]; uva). Die Frage, ob auch eine andere Auslegung dieser Willenserklärungen möglich wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042555 [T4]).
[5] 1.2. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass eine Beauftragung des Erstbeklagten mit der Erstellung eines den Abweichungen von der ursprünglichen Planung entsprechenden Einreichplans aus den Feststellungen nicht abgeleitet werden könne; dem Erstbeklagten sei nicht einmal (unmissverständlich) mitgeteilt worden, dass statt eines Einfamilienhauses bereits ein Mehrfamilienhaus errichtet worden sei.
[6] 1.3. An dieser Beurteilung weckt der Kläger mit dem Hinweis auf das E‑Mail vom 24. 8. 2017 keine Bedenken, wonach die Nachbarschaft der Gemeinde gemeldet habe, dass er „das Haus vermietet als drei Wohnungen“, und der Bürgermeister einen Brief geschickt habe, „dass mindestens 3 Stellplätze für 3 Wohnungen sein soll, dafür soll [bis 25.8.] Skizze gemacht [werden]“, keine Bedenken. Es kann nämlich keine Rede davon sein, dass darin für einen redlichen Erklärungsempfänger der Wunsch des Klägers eindeutig zum Ausdruck käme, der Erstbeklagte möge für eine Widmungsänderung von einem Einfamilienhaus in ein Mehrfamilienhaus mit mehreren separaten Wohneinheiten durch Erstellung einer Bauanzeige und aller dafür erforderlicher Unterlagen Sorge tragen. In die (erhellende) Kommunikation des Klägers mit der Zweitbeklagten war der Erstbeklagte nach den Feststellungen nicht eingebunden.
2. Zur Zweitbeklagten
[7] 2.1. Der Amtshaftungsanspruch ist insofern formell subsidiär, als ein Geschädigter zunächst verpflichtet ist, die ihm von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten und die Abwendung oder Minderung des Schadens ermöglichenden Rechtsbehelfe auszunützen. Amtshaftung hat demnach nur einzutreten, wenn das von den Gesetzen primär zur Verfügung gestellte Sicherheitsnetz an Rechtsbehelfen nicht ausreicht oder ausreichen könnte, den Schaden noch zu verhindern (RS0053077 [T6]; RS0053128 [T5]). Mit der Rettungspflicht ist die Konsequenz verbunden, dass die Partei das Rechtsmittel nicht nur überhaupt erheben, sondern es darüber hinaus auch so formulieren muss, dass die darüber entscheidende Instanz in der Lage ist, den behaupteten Beurteilungs- oder Verfahrensfehler aufzugreifen und zu korrigieren (1 Ob 215/18a [Pkt 4.2. mwN]).
[8] 2.2. Das Berufungsgericht hat dem Kläger entgegnet, dass er gegen die Entscheidung des Gemeindevorstands, mit dem der erstinstanzliche – das Bauansuchen des Klägers mangels Verbesserung abweisende – Bescheid der Baubehörde ersatzlos aufgehoben wurde, weil kein Bauansuchen im Akt ersichtlich sei, eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht hätte erheben können. Selbst wenn der in der Berufung des Klägers an die Baubehörde zweiter Instanz ausdrücklich gestellte Antrag, den Bescheid ersatzlos zu beheben, dazu geführt hätte, dass der Kläger durch die Entscheidung zweiter Instanz formal nicht beschwert gewesen wäre – wovon nicht auszugehen sei –, hätte der Kläger seine Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG verletzt, weil er schon sein Recht, gegen den Bescheid der Baubehörde erster Instanz Berufung an die Baubehörde zweiter Instanz zu erheben, „nicht vollständig“ (gemeint: im Sinn der Bewilligung des Bauvorhabens) ausgeübt hätte.
[9] Mit dieser – selbständig tragfähigen – Begründung setzt sich der Revisionswerber nicht auseinander, sodass er schon aus diesem Grund keine für die Entscheidung erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen vermag (RS0118709 [T1]).
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