OGH 1Ob17/77

OGH1Ob17/778.6.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Dr. Karl Zerner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur *, wegen 332.440,— S samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 8. 3. 1977, GZ 5 R 36/77‑18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10. 12. 1976, GZ 17 Cg 101/76‑13, hinsichtlich der Abweisung des Hauptbegehrens als Teilurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0010OB00017.77.0608.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.480,— S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (keine Barauslagen, keine Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit der vorliegenden Amtshaftungsklage begehrt der Kläger Schadenersatz in der Höhe seiner vollstreckbaren restlichen Forderung gegen Dipl.‑Ing. G*, weil infolge eines Verschuldens der zuständigen Beamten der Bezirksgerichte K* oder O* die Einverleibung eines Simultanpfandrechtes ob der dem Schuldner gehörigen Liegenschaft EZ * KG * unterblieben sei. (Ein Eventualklagebegehren ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.)

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab. Nach seinen Feststellungen bewilligte das Bezirksgericht K* mit Beschluß vom 12. 9. 1973, 9 E 5241/73, dem Kläger als betreibender Partei wider den Verpflichteten Dipl.‑Ing. G* auf Grund des Wechselzahlungsauftrages des Landesgerichtes K* vom 9. 8. 1973, 24 Cg 421/73, zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 352.440,— S die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung durch bücherliche Einverleibung des Simultanpfandrechtes auf den dem Verpflichteten gehörigen Liegenschaften EZ * KG * als Haupteinlage sowie EZ * KG * und EZ * KG *, Gerichtsbezirk O* als Nebeneinlagen. Während die Einverleibung des Pfandrechtes ob den Einlagezahlen * und * der KG * am 17. 9. 1973 erfolgte, wurde das Simultanpfandrecht ob der EZ * KG * nicht einverleibt. Das Bewilligungsgericht hatte zwar am 12. 9. 1973 die Zustellung von vier Beschlußausfertigungen sowie des Exekutionstitels in Ur- und Abschrift an das Bezirksgericht O* mit dem Ersuchen um Bekanntgabe des Ergebnisses behufs Anmerkung der Simultanhaftung in der dortigen Nebeneinlage bei der hier als Haupteinlage zu bestellenden EZ * KG * verfügt. Dieses Ersuchen ist jedoch beim Bezirksgericht O* nicht eingelangt. Aus welchen Gründen die Sendung den Bestimmungsort nicht erreicht hat und ob sie überhaupt an das Bezirksgericht O* abgefertigt wurde, läßt sich nicht feststellen. Möglich wäre ein Verlust der Sendung im Zuge der Beförderung durch die Post.

Hinsichtlich der Liegenschaften EZ * und KG * wurde über Betreiben mehrerer Gläubiger, nicht aber des Klägers, zu 11 E 19/74 des Bezirksgerichtes K* ein Zwangsversteigerungsverfahren durchgeführt, dem der Kläger als Pfandgläubiger dem Gesetz entsprechend beigezogen wurde. Dieses Versteigerungsverfahren wurde noch vor dem Versteigerungstermin 21. 5. 1975 infolge Zustimmung sämtlicher betreibender Gläubiger eingestellt. Der Kläger hatte keinen Barzahlungsantrag gestellt.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters ist das Hauptbegehren der Klage nicht berechtigt, weil der Kläger seiner Rettungspflicht nicht genügt habe. Er hätte im Zwangsversteigerungsverfahren über die beiden für seine Forderung haftenden Liegenschaften Befriedigung suchen müssen.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenkliches Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und hielt das Hauptbegehren schon mangels Eintritts eines Schadens für nicht berechtigt. Der Verlust einer bestimmten zusätzlichen Sicherstellung für eine Forderung könne erst dann als Schaden anerkannt werden, wenn feststehe, daß die Forderung beim Schuldner gänzlich oder teilweise uneinbringlich sei oder daß der Gläubiger bei ordnungsgemäßer Eintragung des Simultanpfandrechtes bereits durch dieses Pfandrecht gänzliche oder teilweise Befriedigung erlangt hätte. Derartiges habe der Kläger aber nicht einmal behauptet.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhebt der Kläger die Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Berufungsurteil oder beide vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Rechtssache an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen, oder aber das Berufungsurteil im Sinne des Hauptbegehrens der Klage abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der gerügte Mangel des Berufungsverfahrens durch Nachholung einer Feststellung über das Fehlen eines Schadens des Klägers ohne Beweiswiederholung liegt nicht vor, weil das Berufungsgericht zu dieser Beurteilung auf der Grundlage des unbestrittenen Sachverhalts aus rechtlichen Erwägungen gelangte. Auch in der Nichtbeischaffung des Ausgleichsaktes liegt mangels Relevanz der Ausgleichseröffnung für die Durchsetzbarkeit von Absonderungsrechten kein Verfahrensmangel.

In rechtlicher Beziehung hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß jeder Amtshaftungsanspruch das Entstehen eines Schadens am Vermögen oder an der Person voraussetzt; hier kommt nur ersteres in Betracht. Der Begriff des Schadens ist nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilen. Schaden ist nach § 1293 ABGB jeder Nachteil, der jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Eine Verminderung des Vermögens kann auch ohne Veränderung der Rechte eintreten, nämlich durch Entstehen einer Verbindlichkeit. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst somit jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (Wolff in Klang2 VI 1, Loebenstein-Kaniak, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz 65). In diesem Sinne haben sowohl das Berufungsgericht als auch der Revisionswerber richtig erkannt, daß der Verlust der Sicherstellung einer vollstreckbaren Forderung einen Schaden darstellen kann. Besonders beim Wegfall einer zusätzlichen Sicherheit muß das aber nicht der Fall sein. Es kommt darauf an, ob die verlorengegangene zusätzliche Sicherheit bereits zur Befriedigung geführt hätte und die aufrecht gebliebenen Sicherheiten schon als unzulänglich zu erkennen sind. Steht hingegen nicht fest, daß die fortbestehenden Sicherheiten nicht ausreichen, und hätte auch die fortgefallene weitere Sicherheit nicht zur Befriedigung geführt, dann hat die Vermögenslage des Gläubigers durch den Wegfall einer von mehreren Sicherheiten keine Verschlechterung erfahren, ein Schaden ist noch nicht eingetreten. Der Revisionswerber selbst erkennt diese Rechtslage, wenn er nun behauptet, daß sein Vermögensstand bei Durchführung der Eintragung des Pfandrechtes auf der weiteren Liegenschaft infolge des nachfolgenden Verkaufes dieser Liegenschaft und der Befriedigung sämtlicher eingetragener Pfandgläubiger um den Klagsbetrag höher und die offene Forderung somit bereits ausgeglichen wäre, während der Verkehrswert der bloßen Buchforderung von der begründeten Aussicht auf Befriedigung aus der belasteten Liegenschaft abhänge.

Gerade in diesen entscheidenden Punkten fehlte es aber an einem ausreichenden Tatsachenvorbringen in erster Instanz. Dort hatte der Kläger bloß behauptet, daß die dritte Liegenschaft, auf der die Einverleibung des Pfandrechtes durch ein angebliches Verschulden von Gerichtsbeamten unterblieben ist, inzwischen verkauft wurde und daß die einverleibt gewesenen Pfandrechte dabei voll befriedigt worden seien. Nach der zutreffenden Ansicht der Revisionsgegnerin enthält dieses Vorbringen nicht die Behauptung, daß auch eine weitere Pfandforderung des Klägers in der eingeklagten Höhe im Kaufpreis dieser dritten Liegenschaft Deckung gefunden oder daß der Käufer sein Angebot auch noch um diesen Betrag erhöht hätte. Einer solchen Behauptung hätte es bedurft, weil keinesfalls offenkundig ist, daß neben anderen Pfandforderungen auch die Klagsforderung in der Höhe von mehreren hunderttausend Schillingen im Kaufpreis Deckung gefunden hätte oder ein höherer Kaufpreis erzielbar gewesen wäre. Dem Revisionswerber kommt auch nicht zugute, daß er in diesem entscheidenden Punkt von einer Rechtsansicht der Rechtsmittelgerichte überrascht worden wäre. Denn die Beklagte hat den Klagsanspruch schon in erster Instanz u.a. mit der ausdrücklichen Einwendung bestritten, daß kein Schaden eingetreten sei, weil die verkaufte Liegenschaft bereits überbelastet gewesen sei und der Kläger sich andererseits aus den verhafteten Liegenschaften Befriedigung verschaffen könne (S 8, ähnlich noch S 37). Dennoch hat der Revisionswerber weder sein Vorbringen noch sein Beweisanbot ergänzt. Mit den allein angebotenen beiden Grundbuchsauszügen Beil ./C und ./D war aber bloß zu beweisen, daß die dritte Liegenschaft beim oder nach dem Verkauf lastenfrei gestellt wurde. Damit ist nicht einmal die volle Befriedigung der rechtzeitig einverleibten anderen Forderungen dargetan, weil die Gläubiger bei Erzielung eines angemessenen Preises auch mit einer Teilbefriedigung einverstanden gewesen sein konnten. Das Vorbringen des Klägers in erster Instanz war demnach für den Eintritt eines Schadens in Bezug auf die inzwischen veräußerte Liegenschaft in der KG * nicht schlüssig.

Ähnliches gilt für die Frage, ob die weiteren, tatsächlich verhafteten Liegenschaften für die Forderung des Klägers ausreichende Deckung bieten. Der Revisionswerber hat hiezu in erster Instanz nichts vorgebracht, das Exekutionsverfahren wurde hinsichtlich dieser beiden Liegenschaften mit Zustimmung der betreibenden Gläubiger eingestellt. Eine solche Einstellung besagt nichts über eine vorhandene Deckung der Pfandforderung des Klägers, die entgegen seiner Meinung auch nicht erst nach Ablauf der Judikatsverjährung feststellbar ist.

Die Klage ist daher nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes schon im Punkte des Eintritts eines Schadens nicht schlüssig. Auf weitere Fragen ist die zweite Instanz mit Recht nicht mehr eingegangen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

 

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