OGH 1Nc6/25k

OGH1Nc6/25k11.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Steger und die Hofrätin Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der beim Landesgericht Korneuburg zu AZ 6 Nc 4/24w anhängigen Verfahrenshilfesache des Antragstellers H* K*, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010NC00006.25K.0311.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Delegierung wird zurückgewiesen.

2. Der Akt wird dem Landesgericht Korneuburg zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller begehrte beim Landesgericht Krems an der Donau die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Amtshaftungsklage, die er auf ein behauptetes Fehlverhalten eines Richters dieses Landesgerichts in seinem Schadenersatzprozess stützte.

[2] Das – vom Oberlandesgericht Wien nach § 9 Abs 4 AHG als zuständig bestimmte – Landesgericht Korneuburg wies den Verfahrenshilfeantrag des Antragstellers mit Beschluss vom 23. 7. 2024 ab.

[3] Dagegen erhob der Antragsteller Rekurs und beantragte – an den Obersten Gerichtshof gerichtet – „gemäß § 30 JN“ die Delegierung der Entscheidung über sein Rechtsmittel an das Oberlandesgericht Linz. Er leitet seine Amtshaftungsansprüche nunmehr auch aus der behauptungsgemäß fehlerhaften Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in seinem Schadenersatzprozess ab.

Rechtliche Beurteilung

[4] Das Landesgericht Korneuburg legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 9 Abs 4 AHG vor.

[5] 1. Eine Delegierung nach § 30 JN käme nur in Betracht, wenn ein Gericht (hier: Oberlandesgericht Wien) aufgrund der festgestellten Ausgeschlossenheit oder Befangenheit sämtlicher Richter an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert wäre, was der Antragsteller gar nicht behauptet. Da ihm auch kein Recht zusteht, die notwendige Delegierung nach dieser Bestimmung zu beantragen, ist sein darauf gestützter Antrag zurückzuweisen (1 Nc 12/19h mwN).

[6] Nach der Judikatur sind die Fälle des § 9 Abs 4 AHG solche notwendiger und der Parteiendisposition entzogener Delegierung (RS0050131 [T4]). Ein Antragsrecht kommt den Parteien nicht zu (RS0056449 [T27]). Ein solcher Delegierungsantrag – sollte ihn der Antragsteller dem Inhalt nach anstreben – ist daher ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen (RS0056449 [T33]).

[7] 2. Nach § 9 Abs 4 AHG ist ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung – auch über Verfahrenshilfeanträge zur Erhebung einer Amtshaftungsklage (RS0050123 [T1, T2, T3]; RS0122241) – unter anderem dann zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch aus der Entscheidung eines Landesgerichts oder aus dem kollegialen Beschluss eines Oberlandesgerichts abgeleitet wird, das im Instanzenzug zuständig wäre. Der Delegierungstatbestand des § 9 Abs 4 AHG liegt daher (nur dann) vor, wenn Richter eines Gerichtshofs über Amtshaftungsansprüche zu erkennen hätten, die ein Verfahren auch nur irgendeines Mitglieds desselben Gerichtshofs oder auch des im Instanzenzug übergeordneten Gerichtshofs zum Gegenstand haben (RS0056449 [T32]).

[8] Der zu beurteilende Verfahrenshilfeantrag hatte ausschließlich die beabsichtigte Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen aus der erstinstanzlichen Entscheidung des Landesgerichts Krems an der Donau in seinem Schadenersatzprozess zum Gegenstand. Seinen allein auf ein vermeintliches Fehlverhalten eines Richters dieses Landesgerichts gestützten Sachvortrag hat der Antragsteller in erster Instanz weder ergänzt noch erweitert. Erstmals in seinem gegen den antragsabweisenden Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 23. 7. 2024 erhobenen Rekurs führte der Antragsteller aus, dass auch das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in seinem Schadenersatzprozess „falsch“ sei.

[9] Ansprüche aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht kann der Antragsteller wegen des im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbots (RS0042091; RS0108589) nicht mehr zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrenshilfeantrags machen.  

[10] Da es schon an der Einleitung eines Verfahrens über allfällige aus dem Berufungsurteil abgeleitete Amtshaftungsansprüche fehlt, sind die Voraussetzungen für eine Delegierung der Rechtssache an ein anderes Oberlandesgericht nicht erfüllt (1 Nc 16/22a [Rz 9]; vgl RS0108886).

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