European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0170OB00001.25H.0303.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Insolvenzrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Zur Ablösung eines Haftrücklasses in Höhe von 84.768,97 EUR gab die beklagte Werkunternehmerin der Schuldnerin (Werkbestellerin) eine Bankgarantie. Nach deren Ziehung knapp vor Ablauf der Garantiefrist am 30. 6. 2020 und Überweisung der Garantiesumme durch die Bank an die Zweitnebenintervenientin als damalige rechtsfreundliche Vertreterin der Schuldnerin am 6. 10. 2020 einigten sich die Beklagte und die Schuldnerin in einem am 22. 3. 2021 geschlossenen gerichtlichen Vergleich darauf, dass die Schuldnerin den Garantiebetrag der Beklagten Zug um Zug gegen Verlängerung des Haftrücklasses bis (nunmehr) 30. 6. 2022 und Zurverfügungstellung einer entsprechenden neuen Garantie durch die Beklagte zurückzahle.
[2] Im Auftrag der Beklagten stellte hierauf am 26. 4. 2021 eine Versicherungsanstalt zugunsten der Schuldnerin eine Haftrücklassgarantie bis 30. 6. 2022 über (wiederum) 84.768,97 EUR aus; ihre Wirksamkeit wurde davon abgängig gemacht, dass der Haftrücklass in Höhe des Garantiebetrags auf dem Bankkonto der Beklagten gutgeschrieben sei. Die über eine entsprechende Vollmacht des Geschäftsführers der Schuldnerin verfügende Zweitnebenintervenientin überwies im Auftrag des Erstnebenintervenienten, des faktischen Geschäftsführers der Schuldnerin, der Beklagten am 8. 7. 2021 einen Betrag von (nur) 80.000 EUR.
[3] Die Schuldnerin war seit dem 1. 1. 2021 zahlungsunfähig. Der Beklagten war im Zeitpunkt 8. 7. 2021 die Zahlungsunfähigkeit sowie die Anhängigkeit eines Insolvenzeröffnungsantrags bekannt. Beide Nebenintervenienten hatten am 8. 7. 2021 Kenntnis von der drohenden Insolvenz.
[4] Ob die Beklagte beim Werk Mängel zu verantworten hat oder nicht, konnte nicht festgestellt werden.
[5] Die Vorinstanzen gaben – ausgehend vom zuvor auszugsweise wiedergegebenen Sachverhalt – der Klage des Insolvenzverwalters der Schuldnerin auf (Rück-)Zahlung von 80.000 EUR sA statt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die Beklagte zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.
[7] 1. Wird die Entscheidung der zweiten Instanz auch auf eine selbständig tragfähige Hilfsbegründung gestützt, muss auch diese im außerordentlichen Rechtsmittel bekämpft werden (RS0118709). Das Berufungsgericht bejahte mit eingehender Begründung eine Anfechtbarkeit der an die Beklagte geleisteten Zahlung von 80.000 EUR auch nach § 28 Z 2 IO. Die Beklagte lässt diese Beurteilung in ihrer Revision unbekämpft.
[8] 2. Ob die Zahlung im Rahmen eines Zug‑um‑Zug‑Geschäfts erbracht wurde, was die Beklagte in der Revision – wenngleich in anderem Zusammenhang – für sich ins Treffen führen möchte, kann dahingestellt bleiben, weil Zug‑um‑Zug‑Geschäfte von der Absichtsanfechtung nach § 28 IO nicht ausgenommen sind (RS0114579; König/Trenker, Die Anfechtung nach der IO6 [2020] Rz 7.5; Bollenberger/Spitzer in KLS2 [2022] § 28 IO Rz 4).
[9] 3. Die von der Beklagten erhobene Gegenforderung von (ebenso) 80.000 EUR wegen vermeintlich ungerechtfertigter Ziehung der Bankgarantie ist ein Bereicherungsanspruch analog § 1431 ABGB (RS0106545; Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.09 [2023] Vor §§ 1431–1437 Rz 14 [in FN 62]). Weil er jedenfalls aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung datiert, handelt es sich um keine – wie aber von der Revision angenommen – Masseforderung nach § 46 (Z 6) IO, sondern um eine Insolvenzforderung (vgl RS0065108 [T1]; RS0111103 [T1]; K.F. Engelhart in Konecny, Insolvenzgesetze [2012] § 46 IO Rz 309; Widhalm‑Budak in KLS, IO2 [2022] § 46 Rz 103). Mit einer solchen kann aber nach § 42 IO gegen den Anfechtungsanspruch nicht aufgerechnet werden (RS0033772 [T1]; RS0033961; Koziol/Bollenberger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 I [2000] § 42 Rz 1; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze [2021] § 42 IO Rz 1; Bollenberger/Spitzer in KLS2 [2022] § 42 IO Rz 4).
[10] 4. Die Beklagte vertritt in der Revision die Ansicht, die Negativfeststellung dazu, ob sie Mängel zu verantworten habe, müsse zu Lasten des Klägers gehen, da der Werkbesteller das Vorliegen von Mängeln zu behaupten und beweisen habe. Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof bereits in einem Prozess eines Werkunternehmers gegen einen Werkbesteller wegen unberechtigter Ziehung einer Bankgarantie einmal in diesem Sinne entschieden (8 Ob 19/15z), während er ansonsten für gewöhnlich dem klagenden Garantieauftraggeber (Werkunternehmer) die Beweislast für das ungerechtfertigte Ziehen der Bankgarantie – und damit für das Fehlen von Mängeln am Werk – zuweist (5 Ob 103/11z mwH). Dieser – auch bereits in der Literatur konstatierten (W. Faber in Schwimann/Kodek, ABGB4 VI [2016] § 1346 Rz 82 [bei FN 579 und 580]; Huemer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1346 ABGB Rz 185 und 186) – Judikaturdivergenz kommt hier aber keine Entscheidungsrelevanz zu, weil die vom Beklagten erhobene Gegenforderung nach § 42 IO ohnehin nicht aufrechenbar ist.
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