European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0170NC00002.25I.0519.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Antrag der klagenden Partei, zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache statt des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz ein Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz zu bestimmen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.039,20 EUR (darin enthalten 173,17 EUR an USt) bestimmten Kosten von deren Äußerung zum Delegierungsantrag binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rekurses (samt Aufschiebungsantrag) vom 27. 2. 2025 endgültig selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Der Beklagte ist Insolvenzverwalter im vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Insolvenzgericht über das Vermögen der R* OG (in der Folge: Schuldnerin) geführten Konkursverfahren.
[2] Zwei der unbeschränkt haftenden Gesellschafterinnen der Schuldnerin traten der Klägerin ihre Ansprüche aus behauptet rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten des Beklagten zum Inkasso ab. In der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebrachten Klage warf die Klägerin dem Beklagten zusammengefasst vor, er sei aufgrund vollmachts‑ und auftragslosen Handelns außerhalb seines Aufgabenbereichs als Masseverwalter im Steuerverfahren der Schuldnerin als „Steuersubjekt“ aufgetreten und habe einen (unrichtigen) Bescheid über Umsatzsteuer in Höhe des Klagsbetrags in Rechtskraft erwachsen lassen. Die Klägerin habe auf Basis einer mit den beiden Gesellschafterinnen der Schuldnerin getroffenen Vereinbarung am 15. 11. 2022 den mit Bescheid festgesetzten Betrag von 195.341,21 EUR an die Finanzbehörden überwiesen.
[3] Unter einem verkündete die Klägerin der Republik Österreich den Streit mit der Begründung, sowohl das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (als Insolvenzgericht) als auch die Finanzprokuratur (als Mitglied des Gläubigerausschusses) und der Präsident des Oberlandesgerichts Graz (als Dienstaufsichtsbehörde) seien laufend über die schädigenden Handlungen des Beklagten informiert worden. Die Nebenintervention sei die einzige Möglichkeit für die Republik Österreich, sich außerhalb eines Amtshaftungsverfahrens aktiv am Verfahren zu beteiligen, um Schaden von ihr selbst abzuwenden.
[4] Die Klägerin beantragte die Delegierung der Rechtssache an ein Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz, weil dies aufgrund der Streitverkündung an die Republik Österreich und der Dienstaufsichtspflicht des Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz im Sinn der Rechtspflege notwendig sei.
[5] Der Beklagte trat mit ihm aufgetragener Äußerung vom 12. 2. 2025 dem Delegierungsantrag entgegen und wies unter anderem darauf hin, dass ein solcher nicht auf Gründe gestützt werden könne, die für eine Ablehnung von Richtern in Betracht kämen.
[6] Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz wies mit Beschluss vom 12. 2. 2025 den Delegierungsantrag mit der Begründung ab; die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Delegierung nach §§ 30 ff JN oder § 9 AHG seien nicht erfüllt.
[7] Über Rekurs der Klägerin vom 27. 2. 2025 behob das Oberlandesgericht Graz mit Entscheidung vom 9. 4. 2025 diesen Beschluss mit der (zutreffenden) Begründung, über den vorliegenden Delegierungsantrag sei aufgrund von § 31 Abs 2 JN nur der Oberste Gerichtshof entscheidungsbefugt.
[8] Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz legte den Delegierungsantrag nunmehr dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
[10] 1. Gemäß § 31 Abs 3 Satz 2 JN sind vor der Entscheidung über einen Antrag auf Delegierung (auch) dem Gericht, welches zur Verhandlung oder Entscheidung an sich zuständig wäre, unter Bestimmung einer Frist die zur Aufklärung nötigen Äußerungen abzufordern. Von der Einholung einer solchen Äußerung konnte hier abgesehen werden, weil der Sachverhalt keiner weiteren Aufklärung bedurfte, zumal der Delegierungsantrag einzig auf einen unzulässigen Grund gestützt wurde (vgl 9 Nc 8/11t; RS0113776 [T2, T3]; Schneider in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 I [2013] § 31 JN Rz 37):
[11] 2. Die Klägerin begründet ihren Antrag – soweit nachvollziehbar – im Kern mit einer von ihr befürchteten Befangenheit der Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz sowie auch jener der anderen Gerichte des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz.
[12] 2.1. Ganz grundsätzlich kann ein Antrag auf Delegierung aber nicht mit Aussicht auf Erfolg auf Ablehnungsgründe gestützt werden (RS0073042; Schneider in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 I [2013] § 31 JN Rz 32; Rassi in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON [2023] § 31 JN Rz 4). Dies gilt gleichermaßen für die Delegierung nach § 31 JN wie für die notwendige Delegierung wegen Beschlussunfähigkeit gemäß § 30 JN (RS0114309 [T2]; RS0073042; RS0046146; RS0046074; RS0046333). Über Befangenheiten von Richtern und ihre Ablehnung ist allein auf dem in § 23 JN vorgeschriebenen Weg zu entscheiden. Erst nach erfolgreicher Ablehnung aller Richter eines in einer bestimmten Rechtssache zuständigen Gerichts hätte eine Delegierung nach § 30 JN zu erfolgen. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.
[13] 2.2. Eine einvernehmliche Delegierung nach § 31a JN scheitert am fehlenden Einverständnis des Beklagten, eine Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG daran, dass mit der vorliegenden Klage kein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht wird.
[14] 2.3. Für die beantragte Delegierung mangelt es daher an einer tragfähigen Rechtsgrundlage. Der Antrag der Klägerin war abzuweisen.
[15] 3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO. Ein erfolgloser Delegierungswerber hat seine dem Zwischenstreit über die Delegierung zuzurechnenden Kosten endgültig selbst zu tragen und ebenso unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits dem Prozessgegner die notwendigen Kosten von dessen ablehnender Äußerung zum Delegierungsantrag zu ersetzen (RS0036025). Die Äußerung ist aber nur nach der Generalklausel der TP 2 I Z 1 lit e RATG zu honorieren (RS0036025 [T1, T6]); der verzeichnete Streitgenossenzuschlag steht nicht zu.
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