OGH 15Os96/24t

OGH15Os96/24t26.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Februar 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Priethin der Strafsache gegen * T* und * G* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter und dritter Fall, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 8. September 2023, GZ 38 Hv 44/22p‑1266, sowie über deren Beschwerden gegen den von der Vorsitzenden gefassten Beschluss nach § 271 Abs 7 StPO vom 12. Juli 2024 (ON 1291) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00096.24T.0226.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * T* und * G* des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter und dritter Fall, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (I/) sowie des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 und 4 (erster Fall) StGB iVm § 12 zweiter (T*) bzw dritter (G*) Fall StGB (II/) schuldig erkannt.

[2] Danach haben (soweit hier von Bedeutung und zusammengefasst; vgl insb US 1 ff, 17 ff, 26, 45) „in S*/Bulgarien und an anderen Orten im Ausland“

I/ T* von 25. Juli 2012 bis 28. Jänner 2019 als (weiterer) Geschäftsführer der T*‑Gruppe, als Alleineigentümer und faktischer Geschäftsführer der S* sowie als (Mit‑)Eigentümer, faktischer Geschäftsführer oder (Mit‑)Betreiber weiterer im Urteil genannter Online‑Investitionsplattformen („Brands“) und

G* von 1. November 2015 bis 29. Jänner 2019 als faktischer Machthaber und (weiterer) Geschäftsführer der T*‑Gruppe sowie von 22. Mai 2018 bis 28. Jänner 2019 als eingetragener Geschäftsführer der S*

im Ausland handelnde unmittelbare Täter, nämlich die für die „Brands“ auftretenden, die Kundenanwerbung und „Kundenbetreuung“ durchführenden „Callcenter‑Agents“ dazu bestimmt oder dabei unterstützt, zahlreiche im Urteil genannte Personen durch die Vortäuschung, diese würden in reale, nach gesetzlichen Vorgaben vertriebene Anlageprodukte mit marktabhängigen Gewinnchancen investieren, obwohl die eingezahlten Gelder tatplangemäß nicht für diesen Zweck verwendet, sondern, nach Vortäuschung von Verlusten mittels einer Manipulationssoftware, über eine komplexe Transaktions‑ und Gesellschaftsstruktur an die Beteiligten dieser Strukturen weitergeleitet werden sollten und wurden, zu den im Urteil angeführten gegenleistungslosen Zahlungen zu verleiten (T* hinsichtlich 4.570 Personen in einem Gesamtbetrag von rund 9,9 Millionen Euro, G* hinsichtlich 4.232 Personen in einem Gesamtbetrag von mehr als 9,5 Millionen Euro),

indem sie die Software zur Manipulation der Gewinn‑ und Ertragschancen entwickelten und diese samt „Risikomanagement“ – über die T*‑Gruppe – den Betreibern der im Urteil bezeichneten „Brands“ entgeltlich zur Verfügung stellten und dazu Schulungs‑ und Trainingsmaßnahmen durchführten,

wobei sie mit dem Vorsatz handelten, durch das Verhalten der getäuschten Kunden sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, einen korrespondierenden, 300.000 Euro übersteigenden Vermögens-schaden herbeiführten und schwere Betrugstaten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB; unter Einsatz einer besonderen Software, Organisationsstruktur und aggressiven Werbung) begingen;

II/ die Herkunft von Vermögensbestandteilen (mit einem 50.000 Euro übersteigenden Wert; US 83, 108), nämlich von Geldern, die aus den zu I/ angeführten Taten, sohin aus mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlungen herrührten, auf die im Urteil beschriebene Weise verschleiert.

Rechtliche Beurteilung

[3] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden, dass das angefochtene Urteil mit nicht geltend gemachter, den Angeklagten zum Nachteil gereichender materieller Nichtigkeit behaftet ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).

[4] Fallbezogen (vgl RIS‑Justiz RS0132763) erfordert ein Schuldspruch die Feststellung eines (allenfalls pauschal zusammengefassten) Tatsachensubstrats, aus dem sich rechtlich das Bestehen der österreichischen Gerichtsbarkeit in Bezug auf jede selbständige Tat im materiellen Sinn (vgl RIS‑Justiz RS0117996) ergibt.

[5] Nach den Urteilsannahmen befanden sich die Orte, an denen die Angeklagten, die keine österreichischen Staatsangehörigen waren oder sind, als Bestimmungs‑ oder Beitragstäter handelten, ebenso im Ausland wie die Handlungsorte der unmittelbaren Täter (vgl US 31 f: Callcenter in Bulgarien, Serbien, Tschechien, Georgien, Bosnien und Herzegowina, Israel, der Ukraine und im Kosovo).

[6] Überdies sind den Entscheidungsgründen (vgl US 45; RIS‑Justiz RS0114639 [T1]) keine Feststellungen zu entnehmen (vgl RIS‑Justiz RS0133376), anhand derer ein tatsächlicher oder vorgestellter Eintritt eines (Zwischen‑)Erfolgs im Inland (§§ 62, 67 Abs 2 StGB; vgl RIS‑Justiz RS0092024) beurteilt werden könnte, etwa (nicht bloß zu einem Verfügungsort der Getäuschten, sondern) zu einem österreichischen Sitz jener Banken oder Kreditkartenunternehmen, die die Konten der Opfer führten, von denen die – die Vermögensschädigungen bewirkenden – Abbuchungen vorgenommen werden sollten oder wurden (vgl RIS‑Justiz RS0130479 [insb T1], RS0092066 [insb T2]).

[7] Solcherart trägt die Feststellungsbasis die Annahme der österreichischen Gerichtsbarkeit weder in Ansehung der als Betrug (I/) noch als Geldwäscherei (II/) subsumierten Taten (vgl § 64 Abs 1 Z 8 StGB; Salimi in WK² StGB § 64 Rz 102 f, 105 ff und § 67 Rz 30, 39).

[8] Daher war das angefochtene Urteil bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

[9] Darauf waren die Angeklagten mit ihren Rechtsmitteln zu verweisen. Ein Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerden erübrigt sich damit.

[10] Auch die Beschwerden gegen den über die Anträge auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls ergangenen Beschluss sind dadurch miterledigt (vgl RIS‑Justiz RS0126057 [T5]).

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